Eine Kämpferin – bewundert und verspottet

Andrea Hahn zeichnet bei ihrem Vortrag in der Volkshochschule Murrhardt ein spannendes Bild von Caroline Schlegel-Schelling

MURRHARDT (pm). Andrea Hahn, den Murrhardtern bekannt durch ihre Literaturspaziergänge, beleuchtete im Zimmertheater der Volkshochschule Murrhardt das schicksalhafte Leben von Caroline Schlegel-Schelling (1763 bis 1809).

Sie war eine hochbegabte Frau der gehobenen Gesellschaft. Ihr Vater, Professor Johann David Michaelis, bekannter Orientalist und Theologe, hat Caroline in Sprachen sowie weiteren Wissensgebieten gefördert, was ungewöhnlich für eine Frau in jener Zeit war, erläuterte die Referentin.

Ihr erster Mann Johann Franz Wilhelm Böhmer starb schon vier Jahre nach der Hochzeit. Als junge Witwe, die zudem zwei von drei Kindern verloren hatte, ging sie mit ihrer Tochter nach Mainz, wo ihre Jugendfreunde Therese und Georg Forster lebten. Dort wurde sie in die Wirren der Französischen Revolution verwickelt, heißt es in einem Bericht über den Vortragsabend. Dies hatte verheerende Folgen für sie und ihre Tochter. Als Jakobinerin verdächtigt, wurde sie in Königstein im Taunus inhaftiert.

August Wilhelm Schlegel wurde zum Retter aus der schwierigen Situation. Er und sein Bruder bewirkten ihre Freilassung aus der Haft, ehe bemerkt wurde, dass sie schwanger war. Dies wäre fatal für eine alleinstehende Frau und Mutter gewesen. Wenig später nahm Caroline Schlegels Eheantrag an.

So kam sie 1797 nach Jena, eine der Hochburgen der Romantik. Mit den Brüdern Schlegel lebte sie später im sogenannten Romantikerhaus und kehrte in die bürgerliche Gesellschaft zurück. Sie nahm an der literarischen Entwicklung des Kreises lebhaften Anteil und half Schlegel bei seinen Übersetzungen von Shakespeares Werken.

1798 kam der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling nach Jena. Wie Novalis und Ludwig Tieck verkehrte auch er im Hause Schlegel. Zwischen ihm und Caroline entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Mit Unterstützung Goethes wurde die Ehe zwischen August Schlegel und Caroline am 17. Mai 1803 aufgelöst. Schon wenige Tage später, am 26. Juni 1803, heiraten Caroline und Schelling in Murrhardt. Schellings Vater, Prälat Joseph Friedrich Schelling, traute die beiden in der Murrhardter Stadtkirche. Man weiß aus einigen Briefen, die Caroline aus der Zeit in Murrhardt verfasst hat, dass man sie und den zwölf Jahre jüngeren Philosophen herzlich willkommen hieß.

Andrea Hahn hat Caroline Schlegel-Schelling in ihrem Vortrag oft zu Wort kommen lassen. Zitate aus ihren Briefen zeichnen während der Zeit in Murrhardt eine sehr glückliche junge Frau, die mit ihrem schwerem Schicksal, dem Verlust ihrer sechs Kinder, den harten gesellschaftlichen Anfeindungen ausgesöhnt scheint.

Was macht Caroline zu dieser berühmten und außergewöhnlichen Frau? Andrea Hahn analysierte: Als Professorentochter wurde sie früh an Bildung herangeführt und lernte bereits als Kind im elterlichen Haus in Göttingen die führenden Köpfe ihrer Zeit persönlich kennen.

Mit ihrer Bildung und ihrem außergewöhnlichen literarischen Talent traf sie gleichsam auf ein eingeengtes Selbstverständnis der Frauenrolle. Dies entlud sich vermutlich, wenn auch mit einer gewissen Ambivalenz, in einem großen Freiheitsbedürfnis, das auf Unverständnis stieß. Anfeindungen seitens Frauen und Männern sowie durch die gesellschaftliche Ordnung bedingte Widerstände machten ihr das Leben schwer.

Erkannte man auf der einen Seite ihr Talent und Wissen an, verspottete man auf der anderen Seite ihren freien Geist. Sie vereinte mutig und selbstbewusst ihre Überzeugungen als Romantikerin, Demokratin, arbeitende Schriftstellerin und Übersetzerin mit den gesellschaftlichen Erwartungen an eine Mutter, Witwe, Geschiedene und Ehefrau.

Dabei kämpfte sie, wie aus den zahlreichen Briefen hervorgeht, auf all diesen lebensweltlichen Ebenen mit freiheitsliebender, zeitkritischer und leidenschaftlicher Intention, die ihre Zeit so noch nicht kannte.

Eine Kämpferin – bewundert und verspottet

© Jörg Fiedler

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Erstellt:
4. April 2019, 06:00 Uhr

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