Stuttgarter Ballett
Emanuele Babicis Herzbeben kommt in London an
Der Stuttgarter Tänzer Emanuele Babici ist erst 21 Jahre alt, hat aber bereits sechs Ballette choreografiert. Das jüngste heißt „Heartquake“ und brachte eine Londoner Bühne zum Beben.

© Andrej Uspenski
Die Stuttgarter Tänzer Abigail Willson-Heisel, Yana Peneva und Serhii Zharikov begeisterten in London in Emanuele Babicis Choreografie „Heartquake“.
Von Andrea Kachelrieß
Welcher Choreograf kann bereits mit 21 Jahren eine Einladung des Royal Ballets nach London im Lebenslauf vermerken? Emanuele Babici, Gruppentänzer des Stuttgarter Balletts, freut sich über die Chance, an der diesjährigen Ausgabe der „International Draft Works“ teilnehmen zu dürfen. „Es war eine schöne Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen und zu erleben, dass inzwischen viele Kompanien verstanden haben, wie wichtig es ist, choreografisches Talent zu fördern“, sagt Emanuele Babici nach der Rückkehr.
An aufstrebende Choreografen wendet sich das Londoner Nachwuchs-Format; und ambitioniert sind die Ballette von Emanuele Babici, seit er als Cranko-Schüler 2022 mit „La nascita di Venere“ sein Debüt gab. 22 Mitschülerinnen und Mitschüler bewegte er damals für eine Weihnachtsgala. Und er tat es mit so altmeisterlicher Eleganz und Grazie, dass der Plot um die Geburt der Venus neben dem mitreißenden Tanz zweitrangig wurde.
Seither hat der Italiener aus Triest, der 2022 seine Ausbildung beendete und als Eleve zum Stuttgarter Ballett wechselte, insgesamt sechs Stücke gestaltet, drei davon im Rahmen der Noverre-Abende, wo er zuletzt in „Daydreaming“ mit einem achtköpfigen Ensemble von Kindheitserinnerungen und vom Flüggewerden erzählte.
Die lange Tradition der Talentförderung schätzt Babici als Choreograf in Stuttgart ebenso wie die Leidenschaft fürs Handlungsballett: „I love dramatic ballet“, sagt er. Diese Begeisterung spricht aus jedem seiner Stücke, ebenfalls aus dem jüngsten, das schon im Titel auftrumpft. „Heartquake“ heißt es und sorgt im Londoner Linbury Theatre mit Rachmaninow auch musikalisch für ein Beben, das Babici mit dem Stuttgarter Trio Abigail Willson-Heisel, Yana Peneva und Serhii Zharikov in Bewegung übersetzte.
Stuttgarter Überraschung im Programm
„Ich möchte im Tanz Gefühle erkunden und sie mit dem Publikum teilen“, erläutert Emanuele Babici seine Inspiration. In „Heartquake“, fügt er an, gehe es um „die Beziehungen zwischen drei Menschen, wie sie wachsen und sich verändern“. Überzeugt hat sein sehr klassischer Einsatz der Mittel auch Maggie Foyer, die Kritikerin der Online-Plattform „Seeing Dance“ schrieb über die Uraufführung im Rahmen von „International Draft Works“ am 10. April: „Das Herzbeben des Stuttgarter Balletts war eine Überraschung im Programm mit neuen Werken: eine romantische Beziehung, traditionell kostümiert und choreografiert in akademischem Ballettvokabular. Aber bei so vielen gut ausgebildeten Balletttänzern brauchen wir Choreografen, die neben den mehr zeitgenössischen Stilen die Sprache des Balletts verwenden und weiterentwickeln“, schreibt Foyer und lobt alle Beteiligten: „Das Thema ist genial, die Choreografie von Emanuele Babici kühn und schön, vor allem in der Partnerarbeit. Die Leistungen von Yana Peneva, Abigail Willson-Heisel und Serhii Zharikov waren hervorragend.“
Emanuele Babici hat keine Zeit, sich auf dem Erfolg auszuruhen; er bereitet bereits die beiden nächsten Projekte vor.