Allianz MTV Stuttgart verabschiedet Kim Renkema
Emotionen, offene Worte – und Pfiffe
Die frühere Sportdirektorin Kim Renkema und Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart gehen getrennte Wege: Der letzte Auftritt der Identifikationsfigur in der Scharrena findet in würdevollem Rahmen statt.

© Baumann/Hansjürgen Britsch
Tränen zum Abschied: Kim Renkema, die langjährige Sportdirektorin von Allianz MTV Stuttgart.
Von Jochen Klingovsky
Wohl selten ist nach einem Spiel der Stuttgarter Volleyballerinnen so wenig über das Ergebnis, die Leistung oder besonders spektakuläre Aktionen geredet worden wie nach dem 3:0-Sieg des Meisters (25:21, 25:20, 25:23) über den SC Potsdam. Dabei hätte es genügend Gesprächsthemen gegeben: Es war ein starker Auftritt, bei dem Krystal Rivers überragte, aber auch Pia Kästner, Lucia Varela Gomez, Roosa Koskelo, Maria Segura Pallerés und Jolien Knollema zeigten, dass es ihnen ernst ist mit der Titelverteidigung. Zudem baute das MTV-Team seine Heimserie aus, ist in dieser Saison in der Scharrena weiter ungeschlagen. „Wir hatten eine sehr gute Trainingswoche, in der wir super gearbeitet haben“, sagte Coach Konstantin Bitter, „wenn wir so spielen, sind wir nur schwer zu schlagen.“
Und trotzdem dachte am Samstagabend niemand an die bald anstehenden Play-offs. Denn es ging vor allem um die Vergangenheit. Und um Kim Renkema.
Selbstkritik von Gesellschafter Frank Fischer
Die Verantwortlichen von Allianz MTV Stuttgart hatten den im Sommer 2025 auslaufenden Vertrag mit ihrer Sportdirektorin lediglich um Jahr verlängern wollen, die Verhandlungen im Dezember scheiterten, Ende Januar kam es zur vorzeitigen Trennung. Nach dem Spiel gegen den SC Potsdam wurde Kim Renkema, nach Meinung vieler Sympathisanten das Gesicht des Vereins, offiziell verabschiedet. Mit vielen Emotionen, ehrlichen Worten, aber auch einigen Pfiffen.
„Wir erleben nun einen Moment, von dem wir dachten, dass er nie kommen wird“, sagte Hallensprecher Frank Schumacher am Anfang der Zeremonie. Anschließend wandte sich Nico Helwerth, der Präsident des MTV Stuttgart, an Kim Renkema: „Ohne dich wären wir nicht da, wo wir heute sind.“ Ähnlich äußerte sich – nachdem die Fans lange und lautstark applaudiert hatten – Frank Fischer, der zweite von drei Gesellschaftern von Allianz MTV Stuttgart. „Der Gewinn des Triples wäre ohne dein Zutun niemals denkbar gewesen“, sagte er, ehe er mit Blick auf die Trennung von Kim Renkema erstaunlich offen Selbstkritik übte: „In den letzten Wochen und Monaten ist nicht alles optimal gelaufen. Es sind Fehler begangen worden, wir hätten Vieles anders handhaben und lösen müssen. Kim, du wirst immer ein Teil von Allianz MTV Stuttgart sein.“
Botschaft von Rainer Scharr ist nicht zu hören – wegen lautstarker Pfiffe
Der dritte Gesellschafter war nicht in der Halle. Rainer Scharr, zugleich einer der beiden Hauptsponsoren, weilt derzeit im Skiurlaub in Südtirol. Als eine Videobotschaft von ihm eingespielt wurde, waren seine Worte nicht zu hören – weil etliche Fans, die ihn ganz offenbar für die gescheiterten Verhandlungen und die Trennung von Kim Renkema verantwortlich machen, laut pfiffen. Frank Schumacher griff ein („Das ist respektlos und gegen alles, was wir an Werten leben“), das Video wurde neu gestartet. „Wir waren nicht immer einer Meinung“, beschrieb Rainer Scharr darin sein Verhältnis zu Kim Renkema, „aber wir hatten stets ein gemeinsames Ziel – den professionellen Frauenvolleyball in Stuttgart erfolgreich zu machen.“
Das ist zweifellos gelungen. Weshalb Aurel Irion die Pfiffe gegen Rainer Scharr auch nicht verstehen konnte. „Er hat es nicht verdient, als derjenige dargestellt zu werden, der an allem die Schuld trägt“, erklärte der Geschäftsführer von Allianz MTV Stuttgart später auf Anfrage, „es ist nicht in Ordnung, ihm alles aufzubürden. Ohne Rainer Scharr würde es das Volleyball-Projekt in Stuttgart in dieser Art nicht geben, er hat es immer voller Engagement unterstützt und in schwierigen Zeiten am Leben gehalten.“
Kim Renkema kommen die Tränen
Irion selbst hatte bei der Abschiedszeremonie keine Rede gehalten („Das wollten die Gesellschafter übernehmen“), dafür griff Maria Segura Pallerés zum Mikrofon. Im Namen der vielen Spielerinnen, die Kim Renkema im Laufe der Jahre nach Stuttgart gelotst hat, bedankte sie sich bei der (Ex-)Sportdirektorin: „Du hast uns die Leidenschaft für dieses Projekt gegeben und dich stets um uns gekümmert – auf und außerhalb des Feldes.“
Sichtlich gerührt („Ich habe mir vorgenommen, nicht zu weinen, das hat nicht geklappt“) verabschiedete sich am Ende Kim Renkema. „Es war eine unvergessliche Reise“, sagte die Niederländerin, die 2010 als Spielerin nach Stuttgart gekommen und 2017 Sportdirektorin geworden war, „ihr seid die besten Fans, die Volleyball-Deutschland sich wünschen kann. Ihr seid wie eine Familie für mich. Ich habe so viel Unterstützung erfahren, auch in den letzten Wochen.“ Renkema bedankte sich zudem bei allen anderen Wegbegleitern: „Es war nie ein Job für mich, sondern eine Passion. Wir müssen nicht auf die letzten Wochen schauen, sondern auf die sechseinhalb erfolgreichen Jahre davor. Der Weg von Allianz MTV Stuttgart wird weitergehen, auch ohne mich.“
Anschließend nahm Kim Renkema alle Leute in die Arme, die bei der Zeremonie dabei waren – auch Aurel Irion, den sie bei ihrem Dankes-Video in den sozialen Medien vor ein paar Wochen bewusst nicht genannt hatte. „Ich blicke mit viel Stolz auf unsere sehr erfolgreiche Zusammenarbeit zurück“, sagte Renkema nun. Und Irion erklärte: „Kim hat Größe und Respekt in alle Richtungen gezeigt. Es war ein Abschied in schöner Atmosphäre – so wie sie ihn verdient hatte.“