Energie-Sharing – erzeugen, nutzen, teilen
Die Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ lädt dazu ein, sich mit Fragen einer gemeinschaftlichen Energieerzeugung zu befassen. Einstieg ist ein Vortrag am 20. November zur Nutzung von Biogas im Verbund.
Von Christine Schick
Murrhardt. Dieter Schäfer, Christian Schweizer, Wilhelm Wieland und Andreas Winkle sitzen zusammen, um sich auszutauschen und Ideen für nächste Schritte zu sammeln. Als Mitglieder der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ (UBE) möchten sie zwei zentrale Themen verbinden – die Energieerzeugung auf Grundlage erneuerbarer Quellen und die Gemeinschaft, sprich die Bürgerschaft vor Ort – und im Idealfall so auch bei Netzausfällen eine sogenannte Notstromfähigkeit gewährleistet wissen. Ein Anliegen, das angesichts der schwierigen Zeiten mit den Kriegen in Ukraine und Nahost sowie der ökologischen Krise ebenso plausibel wie wichtig erscheint. Nun möchte die Gruppe die Möglichkeit bieten, mit am Thema Interessierten ins Gespräch zu kommen. Auftakt ist ein Vortrag über die Nutzung von Biogas am kommenden Montag, 20. November, um 18.30 Uhr in der Volkshochschule Murrhardt. Ingenieur Thomas Ehrmann wird am Abend seine Überlegungen rund um einen integrierten Verbund für eine ländliche Gemeinde vorstellen.
Energieproduktion und Kreislaufwirtschaft
Beim Thema Biogas spielen biologisch-umwelttechnische Fragen wie beispielsweise das Handling von Methanentstehung, -verwertung und -umwandlung oder die Menge an CO2-Freisetzung genauso wie landwirtschaftliche Anliegen bis hin zur Integration in einen Hofbetrieb eine Rolle. „Dann gibt es ja noch die Tank-Teller-Diskussion“, sagt Schäfer, also die Problematik, dass der Anbau von Rohstoffen für die Energieproduktion unter Umständen dem von Lebensmitteln entgegensteht. Aber es gebe auch Modelle, die vieles im Sinn einer Kreislaufwirtschaft miteinander verbinden könnten, so Schäfer. Aspekte, die der Referent am Abend ebenso aufgreifen könne.
Christian Schweizer merkt an, dass die Erwartungshaltung an perfekte Lösungen fast schon unerreichbar hoch sei, zugleich aber auch viele Möglichkeiten bisher noch ungenutzt seien. Sein Beispiel: nicht private Dachflächen, die sich mit Solarpaneelen bestücken ließen. Zwar hat auch die Stadt Murrhardt auf ihren Gebäuden Fotovoltaikanlagen geplant, allerdings ist auch klar, dass die finanziellen Mittel für eine Ad-hoc-Ausstattung nicht ausreichen. Weitergedacht wäre dies für eine Gemeinschaft, die sich das zum Ziel macht, eine Option. Das allerdings tangiert eine rechtliche Hürde, auf die Dieter Schäfer bereits vor einigen Jahren aufmerksam gemacht hat: Zwar hat die Europäische Union in der Richtlinie „Renewable Energy Directive“ die Möglichkeit geschaffen, sich zu Gemeinschaften zusammenzuschließen, um Energie zu erzeugen, dies wurde bisher in Deutschland aber nicht in geltendes Recht überführt. Vor diesem Hintergrund gibt es immer noch die Idee, ein Pilotprojekt in Murrhardt zu starten, das diesen rechtlichen Rahmen (noch) nicht braucht.
Christian Schweizer hält eine künftige Unabhängigkeit bei der Energieproduktion für äußerst wichtig, Andreas Winkle verweist auf die Problematik, dass Deutschland mittlerweile mehr Strom importiert als exportiert. Auch innerhalb des Landes gibt es noch einiges zu tun: Wilhelm Wieland erinnert daran, dass vor dem Hintergrund mangelnder Leitungsinfrastruktur im Süden Windräder im Norden unter Umständen gedrosselt oder abgeschaltet werden müssen.
Davon unabhängig braucht es zudem Speichermöglichkeiten, um in wind- und sonnenarmer Zeit, versorgt zu sein. Dabei sieht Thomas Ehrmann die Biogastechnologie als einen „hochflexiblen, regionalen und vielseitigen Baustein“ an, da das Lagern der nötigen Biomasse teils über Monate, teils sogar über Jahre erfolgen kann, sich also von einer Art Speicher sprechen ließe.
Es wird klar, die Materie ist komplex und eine einfache Lösung schon allein deshalb nicht möglich. Sich für eine Energieproduktion vor Ort zu engagieren und sie anzupacken, hat für die Runde neben den umweltschutz- und versorgungstechnischen Notwendigkeiten den Charme eines unmittelbaren, vergleichsweise effizienten und nachvollziehbaren Verbrauchs und eines demokratiestärkenden Gemeinschaftsaspekts.
Bleibt die Frage, weshalb das Thema bisher auf wenig Resonanz stößt? Liegt es an einer von Konsum geprägten Versorgungskultur, für die der Gang in den Online-Shop routinierter abläuft als eine zugegebenermaßen aufwendige Organisation in einer vielleicht unbekannten oder umgekehrt bekannten Gruppe? Hemmen die teils noch zu erarbeitenden Voraussetzungen wie Klärung der Besitzverhältnisse von Gebäuden und Dächern? Spielt das begrenzte Maß an Energie der Menschen in einem krisenanfälligen Alltag eine Rolle? Vielleicht gibt es auch noch ganz andere Gründe.
Nichtsdestotrotz steht das Angebot der Initiative. „Wir möchten mit diesem Auftakt und generell ein Fenster in eine Landschaft aufmachen, weil wir glauben, dass es sich lohnt, sich mit ihr zu befassen“, sagt Dieter Schäfer. Die Landschaftsmetapher verweist auf eine konkrete Anbindung vor Ort und letztlich auf das Thema Landwirtschaft, aber auch auf das in bestem Sinne weite und vielschichtige Gebiet, jenseits eines Schwarz-Weiß-Denkens.
Vortrag Die Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ (UBE) setzt sich für eine notstromfähige Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft in Händen der gesamten Bürgerschaft ein. Eine wichtige und auch gezielt einsetzbare lokale Quelle für eine solche lokale Energiezelle ist das Biogas. Thomas Ehrmann hält dazu am Montag, 20. November, von 18.30 bis 20.30 Uhr im Grabenschulhaus Murrhardt einen Vortrag. Die Teilnahmegebühr beträgt acht Euro, ermäßigt 6,50 Euro. Anmeldungen nimmt die Volkshochschule Murrhardt persönlich, unter www.vhs-murrhardt.de oder per E-Mail an info@vhs-murrhardt.de entgegen.
Austausch Ab Februar 2024 bietet die UBE-Initative vier Treffen/Gesprächsrunden an, bei denen Interessierte sich weiter über das generelle Vorhaben austauschen können.