Energieversorgungsgemeinschaft als Vision

Wie ein zellulares Stromsystem funktioniert, erläutert Experte Franz Hein im Vortrag an der Murrhardter Volkshochschule auf Einladung der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für Murrhardt“. Dafür gibt es eine Reihe technischer Überlegungen, wichtig ist aber auch ein Umdenken.

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Elektrische Energie ist ein Lebensmittel: Um die Versorgung mit dieser für die Menschen unentbehrlichen Lebensgrundlage auf allen Ebenen sicherzustellen, ist die Natur nachzubilden und ein zellulares Stromsystem, gleichsam ein Organismus, aus vielen lokalen Energiezellen aufzubauen. Dies verdeutlichte Ingenieur Franz Hein aus Esslingen zahlreichen Interessierten in seinem Vortrag an der Volkshochschule auf Einladung der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für Murrhardt“ (UBE) im Grabenschulhaus.

Deren Ziel ist der Aufbau einer lokalen Selbstversorgungsenergiezelle als Pilotprojekt, um den Strombedarf der Walterichstadt vor Ort auf der Gemarkung komplett aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. In weiteren Schritten soll künftig ein zellulares Stromsystem gemeinsam mit anderen Kommunen aufgebaut werden. Laut UBE-Initiator Dieter Schäfer kamen nur ein paar Interessierte zum Treffen an Dreikönig. Doch gab es eine intensive Diskussion mit sachkundigen Beiträgen und konstruktiven Vorschlägen für konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der „Murrhardter Erklärung für Energiedemokratie und die gemeinsame Nutzung der gemeinschaftlich erzeugten lokalen elektrischen Energie“, die nun in Kraft gesetzt ist.

Entscheidend für die eigenständige lokale Energieversorgung ist die informations- und energietechnische Vernetzung, betonte Franz Hein, der in einer Stromnetzleitzentrale tätig war und insofern über große Expertise verfügt. Solch eine lokale Energiezelle muss widerstandsfähig und robust, notstrom- und schwarzstartfähig sein, also unabhängig funktionieren.

Damit die Energiewende gelingt, ist ein Umdenken erforderlich: „Wir müssen die Endlichkeit der Ressourcen akzeptieren und umschalten, uns auf einen schwierigen Weg machen, und wir brauchen Durchhaltevermögen“, damit auch in der künftigen Energielogistik Strom überall und jederzeit verfügbar ist, so Hein. Dabei wird Energie zum Gemeinschaftsgut, wie früher die von allen Bauern eines Dorfs gemeinsam genutzte Allmende, sprich Gemeindeland. Dabei agieren viele Energiezellen autonom, jedoch orchestriert miteinander. In jeder Energiezelle befinden sich Anlagen zur Gewinnung, für Transport und Verteilung sowie zum Puffern und Speichern der Energie. Hinzu kommen befähigende, vernetzte Energieassistenzsysteme für den Informationsaustausch mit anderen Systemen. Sie sorgen ständig, effizient und kostengünstig dafür, dass die vielfältigen Bedürfnisse der Energiekomponenten erfüllt werden.

Nur so können sie im Zusammenspiel mit anderen Energiezellen ihrer Mitverantwortung für ein hochverfügbares und robustes Gesamtsystem gerecht werden. Autonom und kooperativ agierende Energiezellen gewährleisten in ihrer Gesamtheit eine stabile, sichere, notstrom- und schwarzstartfähige Stromversorgung auf regenerativer Basis. Das Energie- und das Informationsnetz bilden das Gebiet einer Zelle, wobei die Datenflüsse alle Gebiete im gesamten System verbinden. Energieströme bilden das Fundament, Datenströme ermöglichen gemeinschaftliches Wirken. So kann beispielsweise eine Zelle überschüssige Energie an eine andere liefern, die einen höheren Verbrauch hat.

Damit alles funktioniert, muss die Energie permanent geregelt werden, indem man sie sofort puffert, umverteilt und effektiv speichert. „Die Momentanreserve als sofort wirkender Energiepuffer muss ausreichend groß und in Aktion sein. Die Energiepufferung muss bei kurzfristigen Schwankungen den Pegel der Momentanreserve auf Sollstand halten. Die Energieumverteilung muss den Ausgleich über den Tages- und Wochenbereich gewährleisten. Und die Langfristspeicherung muss den saisonalen Ausgleich über das gesamte Jahr und alle Widrigkeiten hinweg gewährleisten“, unterstrich der Referent.

Die Energiewende gelingt mit bürgerschaftlicher Selbstversorgung, vollständig aus erneuerbaren Quellen, mit Energienutzergenossenschaften vor Ort als Keimzellen. Dabei gilt das Prinzip der Subsidiarität, also der Vorrang der unteren, lokalen Ebenen auch bei der Energieversorgung. Für das eigenverantwortliche Handeln aller Bürgerinnen und Bürger braucht es vernünftige Rahmenbedingungen wie Unterstützungsleistungen für Rechtsfragen, Normungen, Finanzierungen und die gesellschaftliche Einbindung. Abschließend rief Franz Hein dazu auf, als Teil einer Energiegemeinschaft Mitverantwortung zu übernehmen und mit dem Energiezellenpilotstandort Murrhardt in die Energiedemokratie einzusteigen.

Die folgende Diskussion drehte sich um die Versorgungssicherheit als Knackpunkt, das Problem der vollständigen Abhängigkeit aller Bereiche vom Strom und die Frage, wie nach einem Stromausfall die Versorgung wiederaufgebaut werden kann. Wasserkraftwerke und Pumpspeicher sind schwarzstartfähig und „Batteriespeicher mit Wechselrichtern können schnell reagieren“. Doch sind die momentan verwendeten Speicherbatterien wegen giftiger Komponenten problematisch, darum gelte es, die Werkstofftechnologien zu verbessern, forderte der Experte.

Energieversorgungsgemeinschaft als Vision

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Erstellt:
10. Januar 2024, 06:00 Uhr

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