Untergang von Pompeji 79 n. Chr.
Erst bebte die Erde, dann kamen Lava, Asche und Glut
Wurde Pompeji gleich doppelt zerstört? Die antike Stadt wurde wohl nicht nur vom Ausbruch des Vesuv getroffen, sondern auch von einem Erdbeben. Das verraten Analysen zweier Skelette.
Von Markus Brauer/dpa
Der spektakuläre Untergang der römischen Stadt Pompeji nahe Neapel ist wohl die bekannteste Naturkatastrophe der Antike. Als der Vesuv am 24. August des Jahres 79 n. Chr. ausbricht, regnet es binnen kurzer Zeit Asche und Vulkangestein, bis die Schicht auf dem Boden rund drei Meter beträgt. Wer sich im Freien aufhält, hat kaum eine Überlebenschance. Andere Menschen sind in ihren Häusern eingeschlossen, werden verschüttet oder ersticken, als giftige Gase die Stadt erreichen.
Plinianische Eruption
Dieser Ausbruch ist das bekannteste Beispiel einer sogenannten Plinianischen Eruption. 79 n. Chr. wurden die römischen Städte Pompeji, Herculaneum, Stabiae und Oplontis unter einer bis zu 25 Meter mächtigen Decke aus Asche und Bimsstein verschüttet, Tausende starben.
Plinianische Eruptionen sind gewaltige explosive Vulkanausbrüche, die mit enormen Aschenfällen verbunden sind. Ihren Namen verdanken sie dem Augenzeugen und Chronisten Plinius dem Jüngeren, der den Ausbruch des Vesuvs und den Untergang Pompejis in zwei Briefen an den römischen Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus beschrieb. Sein Onkel, der Naturforscher Plinius der Ältere, fand bei diesem Ausbruch den Tod.
Wichtige Details der Katastrophe bisher unentdeckt geblieben
Doch obwohl die Tragödie gut erforscht ist, blieb einer Studie zufolge ein wichtiges Puzzleteil bislang unentdeckt. „Wir haben eigenartige Auffälligkeiten gefunden, die nicht zu den Auswirkungen vulkanischer Phänomene passten, die in der Literatur über Pompeji beschrieben werden“, sagt der Vulkanologe Mauro Di Vito vom Vesuv-Observatorium in Neapel. „Es musste eine andere Erklärung geben.“
Verletzungen deuten auf Folgen von Erdbeben hin
Asche und Glut des Vulkans waren offenbar nicht die einzigen Ursachen für Tod und Zerstörung in Pompeji. Es war ein weiterer Faktor am Werk, wie Archäologen entdeckt haben. Die jüngsten Funde stammen aus dem Haus der Maler (Casa dei Pittori al Lavoro), in dem die Spatenforscher die Skelette zweier rund 50 Jahre alter Männer fanden.
Die Position der beiden und das Muster ihrer Knochenverletzungen zeigen: Sie sind nicht an den Folgen des Vulkanausbruchs gestorben, sondern anscheinend durch ein Erdbeben, das Pompeji relativ zeitgleich mit der Eruption getroffen haben muss.
Die beiden Pompejianer seien nicht durch Hitze oder Einatmen von Asche umgekommen, schreibt das Team um Erstautor Domenico Sparice im Fachjournal „Frontiers in Earth Science“.
New research has revealed that earthquakes played a significant role in the destruction of #Pompeii during the infamous 79 CE eruption of Mount Vesuvius.https://t.co/1gY7oEi0HE — IndiaToday (@IndiaToday) July 18, 2024
Opfer überlebten erste Phase des Vulkanausbruchs
Den entscheidenden Hinweis erhielt das Team um Sparice vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Rom bei Ausgrabungen in der Region IX von Pompeji. Von diesem zum Stadtzentrum gehörenden Viertel sind bisher erst einige Gebäude freigelegt.
Da die Skelette auf den vulkanischen Sedimenten und nicht darunter gefunden wurden, gehen die Forscher davon aus, dass sie die erste Phase des Vulkanausbruchs überlebt hatten. Demnach kamen sie erst um, als das ohnehin schon durch den Sedimentregen belastete Gebäude einstürzte und sie unter sich begrub.
Einstürzende Wände begruben die Pompejianer unter sich
„Die Merkmale dieser Funde passen nicht zu den Folgen des Vulkanausbruchs, wie sie typischerweise in der Literatur zu Pompeji beschrieben werden“, erläutert Sparices Kollege Mauro Di Vito. So starben diese beiden Männer weder durch Ersticken an der Asche noch durch die extreme Hitze der Glutlawinen.
Die Lage der Skelette auf einer Schicht Bimsstein und Vulkanasche legt nahe, dass diese beiden Stadtbewohner die erste Phase der Eruption überlebt haben müssen. Einer der beiden sei wahrscheinlich von einer einstürzenden Wand erschlagen worden.
Spuren eines hölzernen Gegenstands lassen die Forschenden vermuten, dass die zweite Person die Gefahr wohl erkannt und noch versucht hatte, sich zu schützen – ohne Erfolg. Die Verletzungen der Menschen ähneln demnach denen heutiger Erdbebenopfer.
Erdbeben wurden für Bewohner zu Todesfalle
Für viele Bewohner der antiken Stadt wurden diese Erdbeben zur Todesfalle. „Die Menschen, die nach dem Aschenregen in den schützenden Räumen blieben, fielen dem vom Erdbeben verursachten Kollaps der ohnehin schon überlasteten Gebäude zum Opfer – auch die beiden jetzt entdeckten Männer“, erklärt Koautorin Valeria Amoretti vom Archäologischen Park Pompeji.
Für die Studie untersuchten Fachleute aus Archäologie, Vulkanologie, Anthropologie und Geologie neben den Knochenfrakturen der beiden Skelette unter anderem die römischen Bautechniken und auch, wie die Wände des entsprechenden Gebäudes kollabiert sein müssen.
Rekonstruktion eines historischen Puzzles
Dass es in Pompejis Geschichte und auch in den Jahren vor dem Vulkanausbruch wiederholt Erdbeben gab, ist belegt. Zudem gibt es einen Bericht von Plinius dem Jüngeren, einem Augenzeugen: Wie das Team betont, beschrieb er darin nicht nur den Vulkanausbruch, sondern auch seismische Erschütterungen.
Dass die Möglichkeit eines Erdbebens lange Zeit keine Rolle in der Erforschung von Pompeji gespielt habe, führen die Forschern auf die Schwierigkeit zurück, diesen speziellen Typ von Schäden bei Ausgrabungen zu erkennen. Sämtliche Zerstörung wurde stattdessen dem Vulkanausbruch zugeschrieben, dessen Wucht die Hinweise auf ein Beben überlagert habe.
„Diese komplexen Zusammenhänge sind wie ein Puzzle, bei dem alle Teile zusammenpassen müssen, um das komplette Bild zu entschlüsseln“, erklärt Sparice. Die Studie zeige, dass ein Erdbeben zusätzlich zum Ausbruch des Vesuv eine wichtige Rolle bei der Zerstörung von Pompeji gespielt haben müsse. Erst dann lassen sich auch die letzten Stunden Pompejis und seiner Bewohner zuverlässig rekonstruieren.