Mercosur-Abkommen

EU und Südamerika planen riesige Freihandelszone

Zwischen Europa und den Mercosur-Staaten in Südamerika sollen Zölle abgebaut und Geschäfte angekurbelt werden. Firmen hoffen auf neue Märkte und steigende Umsätze. Bauern und Umweltschützer sehen den Vertrag kritisch.

Froh über den Abschluss. Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou (links), EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Brasiliens Präsident  Luiz Inacio Lula da Silva haben in Montevideo das Mercosur-Abkommen unterzeichnet.

© AFP/EITAN ABRAMOVICH

Froh über den Abschluss. Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou (links), EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva haben in Montevideo das Mercosur-Abkommen unterzeichnet.

Von Knut Krohn

Gut Ding will Weile haben. Hat dieses Sprichwort tatsächlich Gültigkeit, dann müsste das Mercosur-Abkommen eine Art Jahrhundertvertrag sein. 25 lange Jahre haben die Europäische Union und die südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über das Freihandelsabkommen verhandelt. Nun ist es auf einem Gipfel in Uruguays Hauptstadt Montevideo unterzeichnet worden. Seit diesem Jahr gehört auch Bolivien zur Mercosur-Gruppe, das Land ist zunächst aber nicht Teil der Abmachung.

Damit entsteht eine der weltweit größten Freihandelszonen mit weit über 720 Millionen Menschen. Im Kern geht es um den Abbau von Handelsschranken. Für 91 Prozent aller zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren sollen Zölle abgeschafft werden. Nach Berechnungen der EU-Kommission werden sich für europäische Exporteure dadurch jährliche Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro ergeben.

Die Zollschranken werden abgebaut

Bislang müssen Importeure von EU-Waren zum Teil sehr hohe Zölle zahlen, die der Wettbewerbsfähigkeit schaden. Auf Autos sind es beispielsweise 35 Prozent, auf Maschinen 14 bis 20 Prozent und auf Chemikalien bis zu 18 Prozent. Das Abkommen ist nach der Wahl von Donald Trump auch ein deutliches Zeichen für freien Handel und offene Märkte. Der künftige US-Präsident hat bereits vor seinem Amtsantritt neue Zölle angekündigt und damit Ängste vor einer noch protektionistischeren US-Handelspolitik geschürt.

Bereits im Jahr 2019 schien der Vertrag unterschriftsreif, damals war zwischen beiden Seiten eine politische Grundsatzeinigung erreicht worden. Dann aber wurde auf Druck der EU ein Zusatzprotokoll zum besseren Schutz des Regenwaldes beigefügt. Das führte allerdings zu neuen Forderungen der Mercosur-Staaten und so gingen die Verhandlungen in die Verlängerung. Auch dieses Mal stand die Einigung bis zur letzten Minute auf der Kippe. Lange war nicht klar, ob die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen überhaupt nach Montevideo reisen würde. Sie wollte sich offensichtlich die Schmach ersparen, den langen Weg auf sich zu nehmen und dann mit leeren Händen wieder nach Europa zurückzureisen.

Die Mercosur-Gegner formieren sich

Zu den vehementesten Gegnern des Abkommens der EU mit dem Mercado Común del Sur (Mercosur, Gemeinsamer Markt des Südens) zählt Frankreich. Präsident Emmanuel Macron hatte in den vergangenen Monaten noch versucht, eine Sperrminorität unter den Ländern zu organisieren. Die EU-Staaten müssten das Abkommen mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Das sind 15 Länder, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen. Auf der Seite Macrons stehen etwa auch Polen und Österreich. Auch Italien hat am Freitag seine kritische Haltung noch einmal bekräftigt. Die Länder begründen dies mit dem Schutz der eigenen Landwirte vor billigeren Produkten aus Südamerika. Allerdings würden sich für die europäischen Bauern auch neue Absatzmärkte öffnen.

Generell führen die Gegner vor allem niedrigere Standards etwa beim Tierschutz und dem Einsatz von Pestiziden in Südamerika an. Kritisch sehen sie auch Gen-Soja, für das in Brasilien der Regenwald abgeholzt wird. Die Befürworter verweisen allerdings darauf, dass die EU-Verbraucherstandards auch für den Handel mit Südamerika gelten sollen. Zudem will die EU ihren Markt für Rindfleisch, Geflügel oder Zucker aus den Mercosur-Ländern nicht vollständig öffnen, sondern Quoten einführen. So sollen für Rindfleisch aus Südamerika lediglich Einfuhren erlaubt werden, die 1,2 Prozent der gesamten EU-Produktion entsprechen.

Die Autoindustrie zählt zu den Gewinnern

Zu den vehementen Befürwortern zählt die deutsche Autoindustrie. Sie erhofft sich angesichts des stark schwächelnden Absatzes in China auf neue Märkte in Südamerika. „Aus Deutschland wurden im gesamten Jahr 2023 nur 20 700 Pkw nach Argentinien und Brasilien exportiert. Hier gibt es also noch deutliches Potenzial, diese Exporte zu steigern“, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie.

Dass es keine einfache Sicht auf das Mercosur-Abkommen gibt, zeigen die Wortmeldungen der Europaabgeordneten der deutschen Grünen. So kritisiert Anna Cavazzini das Abkommen „wegen der Folgen für Klima, Biodiversität und Landwirtschaft“. Sie halte es zudem für „einen großen Fehler“, dass Ursula von der Leyen das Abkommen gegen den Widerstand in der EU durchdrücke. Das werde die Europaskepsis in Ländern wie Frankreich und Polen weiter befeuern. Der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky erklärte allerdings auf einer Wirtschaftstagung in Brüssel, dass „an dem Abkommen nicht alles richtig“ sei. Das bedeute aber nicht, das ganze Abkommen kippen zu müssen.

Europas Sieg im Ringen mit China

Der konservative Thinktank Centrum für Europäische Politik (cep) in Freiburg betont vor allem den geoökonomischen Mehrwert des Projektes. Entscheidend sei, dass Europa nun in Südamerika einen wesentlich besseren Zugang zu begehrten Rohstoffen habe. Die EU könnte bei der Beschaffung von Seltenen Erden unabhängiger von China werden und zudem ein wirtschaftliches und politisches Gegengewicht zu China in Südamerika schaffen, schreiben die Experten.

Dass die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihre Unterschrift unter das Mercosur-Abkommen gesetzt hat, heißt allerdings nicht, dass es nun in Kraft tritt. Vorher wird es noch einmal EU-typisch kompliziert. Nun muss der Text in alle Sprachen übersetzt werden. Zudem werden sich noch einmal Juristen darüber beugen, um die juristischen Feinheiten wasserdicht zu formulieren und mögliche Fallstricke zu finden. Erst danach werden die EU-Staaten darüber entscheiden und wohl frühestens im Winter 2025 wird das Parlament sein Votum abgeben. Zudem müssen wahrscheinlich einige Teile zusätzlich noch in den einzelnen Staaten ratifiziert werden. Der Weg zu einer Freihandelszone zwischen Europa und Südamerika ist also noch weit.

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Erstellt:
6. Dezember 2024, 15:46 Uhr

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