Familien und Engagierte können punkten

Beim Neubaugebiet Siegelsberg-Ost gibt es sehr viel mehr Interessenten als Plätze. Der Gemeinderat hat nun ein Vergabesystem mit Kriterien beschlossen, wie es dem aktuellen EU-Recht entspricht. Neben dem Ortsbezug werden auch soziale Aspekte berücksichtigt.

Spatenstich vor rund zwei Wochen mit Andreas Winkle, Brigitte Kübler, Wolfgang Hess, Hans-Martin Klöpfer, Simone Sauer, Bürgermeister Armin Mößner, Ralf Nentwich, Gerd Rebmann, Johannes Wacker, Sonja Allinger-Helbig, Elisabeth Zenker, Markus Kiefer und Klaus-Peter Dörrscheidt (von links). Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Spatenstich vor rund zwei Wochen mit Andreas Winkle, Brigitte Kübler, Wolfgang Hess, Hans-Martin Klöpfer, Simone Sauer, Bürgermeister Armin Mößner, Ralf Nentwich, Gerd Rebmann, Johannes Wacker, Sonja Allinger-Helbig, Elisabeth Zenker, Markus Kiefer und Klaus-Peter Dörrscheidt (von links). Foto: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Die Vormerkliste für die künftigen Siegelsberger Bauplätze im Osten des Teilorts umfasst weit über 100 Interessenten. Zu verteilen gibt es allerdings nur 30 Grundstücke, auf denen Eigenheime entstehen sollen. Insofern war schon im Vorfeld klar, dass sich die Stadt Gedanken zur Vergabe der Flächen machen muss. Diese Kriterien und der Preis waren bei der jüngsten Gemeinderatssitzung Thema. Bürgermeister Armin Mößner erläuterte die Überlegungen der Verwaltung rund um die künftigen Richtlinien, was die Vergabe der Flächen anbelangt. Diese hat die Stadt in ihrem Vorschlag mit Blick aufs EU-Recht angepasst. Ein Bezug zum Ort, sprich zur Stadt Murrhardt, zu ihren Bezirken und Teilorten fließt bei der Bewertung weiterhin mit ein. Hinzu kommen aber eine Reihe sozialer Aspekte, die ebenfalls zu berücksichtigen und insgesamt noch gewichtiger sind. Mößner beschrieb dies im Sinne einer Asterix-Metapher: Man habe sich von der Vorstellung eines gallischen Dorfes verabschiedet, in dem nur Einheimische mit einem Grundstückskauf zum Zuge kommen.

Gesteuert wird dies mit einem Punktesystem, das der Gemeinderat später genauso wie den Quadratmeterpreis einstimmig beschlossen hat. Bewerberinnen und Bewerber können über die besagten sozialen Kriterien bis zu 100 Punkte erreichen, beim Ortsbezug sind es bis zu 90 Punkte. Das entspricht den EU-Vorgaben, bei denen der Ortsbezug nicht mehr als 50 Prozent der Bewertung ausmachen soll. Was die sozialen Kriterien anbelangt, so spielt der Familienstand eine zentrale Rolle. Die Anzahl und das Alter der Kinder (jüngere haben mehr Gewicht) gehen dabei in die Bewertung ein, aber auch, ob jemand mit einem bestimmten Behinderungs- oder Pflegegrad zur Familie zählt.

Bei Gleichstand entscheidet die Zahl

an minderjährigen Kindern oder das Los

Bei den Ortskriterien sind dies die Wohn- sowie Arbeitsdauer in Murrhardt genauso wie das ehrenamtliche Engagement in der Kommune, beispielsweise als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Murrhardt, in einem Verein oder einer sozial-karitativen Einrichtung mit Sonderaufgaben. Punkte gibt es ebenso als Mitglied eines Gremiums wie des Kirchengemeinderats oder städtischen Gemeinderats. Auch beim Ehrenamt fließt die Dauer des Engagements mit ein. Sollte es punktgleiche Bewerberinnen beziehungsweise Bewerber geben, hat der Haushalt mit der größten Zahl an minderjährigen Kindern die Nase vorn oder es entscheidet das Los.

Mößner ging auch auf den Preis ein, den die Stadtverwaltung für den Quadratmeter in Siegelsberg-Ost vorschlägt. In die Kalkulation eingeflossen sind der Grunderwerb, der für die Umsetzung des Baugebiets von städtischer Seite aus notwendig war, sowie die Kosten für die Erschließung, die seit dem Spatenstich vor rund zwei Wochen begonnen hat. Der Bürgermeister räumte ein, dass die 300 Euro pro Quadratmeter mit Blick auf seine beruflichen Anfänge durchaus eine gigantische Steigerung widerspiegelten. Gleichzeitig entsprächen sie dem Grundstückswert. Wenn in Althütte der Quadratmeter 260 Euro koste, seien laut Mößner die 40 Euro mehr in Murrhardt gerechtfertigt, da die Stadt auch ein größeres Angebot bei Einkaufsmöglichkeiten, beim öffentlichen Nahverkehr und weiteren Aspekten der Infrastruktur biete. In Backnang steigen die Preise entsprechend und liegen im Remstal schon um die 1000 Euro pro Quadratmeter, so seine Einordnung.

Mit Blick auf den Musterkaufvertrag ist ein wichtiger Punkt der Bauzwang. Wenn die Käuferin oder der Käufer nicht in dieser Hinsicht tätig wird, behält sich die Stadt ein Rücktrittsrecht vom Vertrag vor. Damit will sie Spekulationen mit den Flächen oder einer Art Vorratskauf einen Riegel vorschieben. Beratungsbedarf gab es im Gemeinderat nach der Vorstellung so gut wie keinen mehr. Sonja Allinger-Helbig (SPD) ließ aber wissen, dass sie die Vergabekriterien für gut erachte und sich nun auf die Kaufinteressenten freue.

Ralf Nentwich (MDAL/Die Grünen) merkte an, dass er sich ursprünglich ein insgesamt innovativeres Konzept für das Baugebiet gewünscht habe, auch wenn dies den Preis vermutlich noch erhöht hätte. Als Beispiel nannte er später auf Nachfrage ein Quartierskonzept ähnlich wie bei Projekten in Tübingen, bei denen auch Überlegungen rund um Nutzung erneuerbarer Energien, Ressourcenschonung und Umweltschutz eine Rolle spielen. Klar sei, dass die Anzahl an Interessenten weit höher sei als Plätze zur Verfügung stünden. „Ich freu mich auf die neuen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner“, sagte Nentwich, der selbst mit seiner Familie in Siegelsberg lebt.

Verkaufsstart im Sommer geplant

Preis Im Baugebiet Siegelsberg-Ost kostet nach dem einstimmigen Beschluss der Quadratmeter 300 Euro, Grünflächen sind auf 25 Euro pro Quadratmeter festgelegt.

Vermarktung Der Verkaufsstart soll nach der Umlegung und Einmessung der Stücke erfolgen. Die Stadtverwaltung strebt als Beginn den Sommer dieses Jahres an. Es soll ein Online-Exposé geben sowie die Möglichkeit, sich über die städtische Homepage zu bewerben.

Keine Förderung Eine Familienförderung gibt es nicht mehr. Ebenso sind Förderungen von regenerativen Energien wie in früheren Baugebieten kein Thema mehr. Die Stadt begründet dies damit, dass letztere vom Bund gefördert werden beziehungsweise mittlerweile zum rechtlichen und faktischen Standard gehören.

Infrastruktur Auf die Verlegung von Gasleitungen will die Stadt nicht ganz verzichten. Es ist geplant, einen Hauptstrang durch das Gebiet zu ziehen, so Mößner. Eine Überlegung dabei ist auch, dass die Infrastruktur später für die Nutzung von sogenanntem grünem Wasserstoff hilfreich sein könnte.

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Erstellt:
4. Juni 2022, 06:00 Uhr

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