Wegen Häme gegen scheidenden FDP-Chef Lindner
Finanzminister Bayaz ermahnt Bundessprecherin der Grünen Jugend
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz kritisiert die Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard für eine hämische Attacke gegen Christian Lindner. Mal wieder geraten Jugendorganisation und Mutterpartei aneinander.
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© dpa/Bernd Weißbrod
Privates aus dem politischen Schlagabtausch raushalten – dafür plädiert Finanzminister Danyal Bayaz.
Von Sascha Maier
Die Grünen-Spitze hat vor der Bundestagswahl kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie trotz inhaltlicher Differenzen auch mit der Union gerne Regierungsverantwortung übernehmen würde. Zwei Tage nach der Wahl steht fest: Da es FDP und BSW wohl nicht ins Parlament schaffen, brauchen CDU/CSU die Grünen nicht mehr und könnten rechnerisch auch alleine mit der SPD regieren – die die Union ohnehin für den zahmeren Koalitionspartner hält.
Nach der Ansage von Vizekanzler Robert Habeck, der dem Realo-Flügel der Grünen zugerechnet wird, sich aus der Grünen-Spitze zurückzuziehen, wittern linkere Teile der Partei offenbar die Chance, sich in den Vordergrund zu spielen. Wie es jetzt Jette Nietzard tat, die Bundessprecherin der Grünen Jugend – zum Missfallen von Baden-Württembergs Finanzminister und anderen Grünen-Politikern.
Der Hintergrund ist ein Beitrag Nietzards auf der Plattform X, in dem sie sich hämisch zum aus der Wahlniederlage der Freien Demokraten resultierenden Rücktritt von Christian Lindner geäußert hatte und dabei auch seine Ehefrau Franca Lehfeldt mit einbezog: „Ich freue mich, dass der Mann von Franca Lehfeldt jetzt kürzer tritt um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen.“
Ich freue mich, dass der Mann von @francalehfeldt jetzt kürzer tritt um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen ✨ — Jette Nietzard (@jetteniz) February 23, 2025
Manche in der grünen Partei sahen dahin die Grenzen des politischen Anstands verletzt, wie eben Bayaz, der seiner jungen Parteikollegin öffentlich über den Mund fuhr. „Private Fragen der Lebensführung entscheiden Betroffene zum Glück immer noch selbst. Solche Sprüche sind auch nicht sonderlich feministisch, sondern schlicht niveaulos. Ich würde das (wieder einmal) löschen“, schrieb Bayaz unter Nietzards Beitrag.
Zu Jette Nietzards Beitrag in den sozialen Medien im Speziellen wollte sich Bayaz auf Nachfrage unserer Zeitung nicht weiter äußern. Grundsätzliche Überlegungen, wie es für die Grünen nach dem auch aus ihrer Sicht enttäuschend Wahlergebnis weitergeht, deuten jedoch an, wo er die Partei zukünftig im politischen Spektrum verortet sieht. „Wir sollten uns jetzt Zeit nehmen, den Wahlausgang kritisch und auch schonungslos aufzuarbeiten“, so der Finanzminister, „grundsätzlich habe ich den Kurs von Robert Habeck immer unterstützt, Politik für die Mitte der Gesellschaft zu machen und dort auch für Zustimmung zu werben.“ So würden es die Grünen auch in Baden-Württemberg handhaben. „Das halte ich weiterhin für den richtig Ansatz.“
Private Fragen der Lebensführung entscheiden Betroffene zum Glück immer noch selbst. Solche Sprüche sind auch nicht sonderlich feministisch, sondern schlicht niveaulos. Ich würde das (wieder einmal) löschen. — Danyal Bayaz (@DerDanyal) February 23, 2025
Auch Grünen-Urgestein Renate Künast teilte die Kritik. „Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein“, schrieb sie ebenfalls auf X.
Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein. — Renate Künast (@RenateKuenast) February 23, 2025
Jette Nietzard wurde bereits in der Vergangenheit Unbeherrschtheit im Umgang mit sozialen Medien vorgeworfen. „Männer, die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen“, schrieb sie etwa zum Jahreswechsel 2024/25. Nach harscher Kritik entschuldigte sie sich für die Aussage und löschte den Beitrag – worauf Bayaz wohl jetzt mit „mal wieder“ angespielt hatte.
Wie in allen Parteien reiben sich auch die Grünen inhaltlich immer wieder mit ihren Jugendorganisationen – zuletzt schien die Spreizung bei der Ökopartei aber besonders groß. Bevor Jette Nietzard im Oktober 2024 zusammen mit Jakob Blasel zur Doppelspitze der Grünen Jugend gewählt worden war, trat der vorherige Bundesvorstand geschlossen zurück. „Wer sich weigert, die Reichen zur Kasse zu bitten, lässt im Ergebnis die breite Bevölkerung bezahlen“, hieß es in der damaligen Begründung unter anderem; die Mutterpartei war der Jugend nicht links genug.
Auch Özdemir betont staatstragend
Mit Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr 2026 machte auch Cem Özdemir, der zwar noch nicht offiziell Grünen-Spitzenkandidat ist, aber Ministerpräsident werden möchte und als aussichtsreichster Bewerber für die Kandidatur gilt, bereits klar, dass er wohl nicht allzu linke Themen setzen will. So forderte er bereits im Bundestagswahlkampf in einem viel beachteten „F.A.Z.“-Gastbeitrag kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema Migration und inszenierte sich in sozialen Netzwerken zuletzt betont staatstragend.