Frauenteams im Aufwind – auch beim VfB
Bessere Strukturen, größere Ziele, mehr Fans: Traditionsclubs entdecken ihr Herz für die Fußballerinnen im Verein. Dahinter stecken auch strategische Ziele. Und der Wunsch nach dem Aufstieg, in Stuttgart genauso wie in Hamburg, Berlin, Nürnberg oder auch auf Schalke.
Von David Joram, Ulrike John und Thomas Eßer
Berlin - Der Hamburger SV kann im Sommer Vereinsgeschichte schreiben. Dass die Männer und die Frauen in der gleichen Saison in die Bundesliga aufsteigen, gab es noch nie. Club-Idol Horst Hrubesch machte den Zweitliga-Fußballerinnen schon eine Ansage. „Es wird drei Aufsteiger geben und ich hoffe sehr, dass wir das auf die Reihe kriegen“, forderte der HSV-Nachwuchsdirektor via „Hamburger Morgenpost“. Der ehemalige Frauen-Bundestrainer denkt bereits weiter und verspricht den Hamburgerinnen, die schon dreimal erstklassig waren und DFB-Pokalfinalist 2002, bessere Strukturen: „Das wollen wir bis März hinbekommen. Die Umstellung aufs Profitum wird kommen, es geht nicht anders.“
Nicht bloß beim HSV, der vor dem Rückrundenstart am 8. Februar zwei Punkte hinter einem Aufstiegsplatz steht, sollen die Fußballerinnen stärker gefördert werden. Auch andere Traditionsclubs, deren Frauenteams ebenfalls noch nicht ganz oben angekommen sind, sehen den teils rasant wachsenden Markt – auf dem gerade erst der FC Chelsea den ersten Millionentransfer mit US-Fußballerin Naomi Girma tätigte.
Maßstäbe setzen auch Union Berlins Fußballerinnen im Stadion An der Alten Försterei – wo auch die Männer auflaufen. Der Schnitt liegt bei knapp mehr als 5000 Fans. „Man sieht, was gehen kann, was wir entwickelt haben. Das macht uns sehr stolz“, sagt Ex-Nationalspielerin Jennifer Zietz, Unions Geschäftsführerin Profifußball. Die Berlinerinnen, gerade erst aufgestiegen in Liga zwei, streben als Tabellenzweiter den Durchmarsch an.
Zietz treibt seit Februar 2023 die Professionalisierung der Union-Frauen voran. „Der schwerste Schritt war, am Anfang alle mitzunehmen, vom Amateurstatus wegzukommen. Zu sagen: wir wollen, wir können, wir machen.“ Entscheidend sei dann gewesen, vorhandene Strukturen nutzen zu dürfen, erklärt die 41-Jährige den positiven Trend. Den Kickerinnen kann Zietz inzwischen Profiverträge anbieten. „Wir wollen den Fußball der Frauen als Union in Deutschland weiterentwickeln, vielleicht auch irgendwann international. Die Rahmenbedingungen dazu haben wir.“
Das gilt auch für Unions härteste Kontrahenten im Aufstiegsrennen, etwa den VfL Bochum, derzeit Dritter, oder Primus 1. FC Nürnberg. Die Franken haben in Sportvorstand Joti Chatzialexiou einen wichtigen Fürsprecher und Kenner des Frauenfußballs in ihren Reihen. Der 48-Jährige war zuvor beim Deutschen Fußball-Bund Leiter Nationalmannschaften und immer eng dran an der weiblichen DFB-Auswahl. Der FCN hat seine Professionalisierung bei den Frauen, vergangene Saison noch erstklassig, weiter vorangetrieben, die Größenordnung aber etwas angepasst. Derzeit spielen die Nürnbergerinnen wieder am Sportgelände Valznerweiher. Im 50 000 Zuschauer fassenden Max-Morlock-Stadion waren sie zuvor arg verloren: Im Schnitt kamen nur 1800 Fans.
Eine Etage tiefer, in der drittklassigen Regionalliga Süd, peilt Spitzenreiter VfB Stuttgart den Aufstieg an. Die DFB-Frauen haben Ende November vor dem Länderspiel in Zürich auf dem VfB-Gelände trainiert, DFB-Sportdirektorin Nia Künzer lief da gleich einer alten Bekannten über den Weg: Leonie Maier, Olympiasiegerin von 2016. Die kickt inzwischen in Stuttgart. „Natürlich verfolge ich das“, sagte Künzer zur Entwicklung beim VfB. „Ich habe das Gefühl, dass hier eine gewisse Ernsthaftigkeit und ein gewisser Ehrgeiz bestehen, sich zügig in andere Ligen zu entwickeln. Mit Engagement kann man viel erreichen im Frauenfußball, es scheint in Stuttgart derzeit ganz gut zu funktionieren.“
Trainer ist Ex-Profi Heiko Gerber, die Frauenfußball-Abteilung wurde erst 2021 gegründet. Langfristiges Ziel: Bundesliga. Darum beschäftigt sich der VfB, der am Dienstag in Maximiliane Rall (zuletzt Chicago Red Stars) eine weitere Ex-Nationalspielerin verpflichtete, auch schon mit den Plänen für ein Stadion auf dem Clubgelände für 20 000 bis 25 000 Zuschauer. Das Thema ist beim HSV längst akut. „Wir brauchen unbedingt ein kleines Stadion, egal wie“, sagte Hrubesch, am liebsten wäre ihm eines im Volkspark.
Erst am Anfang der Entwicklung steht der FC Schalke 04. Schon zwischen 1975 und 1987 spielten Frauen für den Revierclub Fußball. Dann aber war Pause. Erst zur Saison 2020/21 hat Königsblau zum zweiten Mal in seiner Geschichte eine Frauenfußball-Abteilung gegründet. Nach dem Start in der Kreisliga ist das Schalker Team inzwischen in der Westfalen-Liga angekommen.
Dort liefert sich S04 ein packendes Duell um Platz eins mit Borussia Dortmund. Beim Derby im Parkstadion, das 0:0 endete, waren rund 3000 Fans dabei. „Das war eine fantastische Kulisse. Ich würde mir wünschen, dass die Mädels zukünftig regelmäßig diese Unterstützung erfahren“, sagte Vorständin Christina Rühl-Hamers. Die Strategie des Revierclubs benennt sie mit „organisch wachsen“. Man wolle andere Vereine im Gelsenkirchener Umfeld dabei unterstützen, „den Fußball der Frauen in der Umgebung weiter zu etablieren“. Talente will S04 aus der Region gewinnen – und mit ihnen nach oben. „Unser Ziel bleibt perspektivisch die Bundesliga“, sagte Rühl-Harmers.