„Berliner Runde“ nach der Bundestagswahl 2025

Friedrich Merz: „Sie können uns die Hand ausstrecken, wie Sie wollen“

In der „Berliner Runde“ werden kurz nach der Bundestagswahl mögliche Regierungsbündnisse diskutiert. Dabei tritt Wahlsieger Friedrich Merz sehr staatstragend auf – und erteilt der AfD eine Abfuhr.

Eine mögliche Kenia-Koalition? In der Berliner Runde wurde dieses Modell aus Union, SPD und Grünen nicht ausgeschlossen.

© dpa/Stefanie Loos

Eine mögliche Kenia-Koalition? In der Berliner Runde wurde dieses Modell aus Union, SPD und Grünen nicht ausgeschlossen.

Von Sascha Maier

Die „Elefantenrunde“, die eigentlich „Berliner Runde“ heißt, war immer wieder Anlass für denkwürdige Momente in der Politik der Bundesrepublik. Der ARD-Talk, der alle Spitzenkandidaten der Parteien versammelt, die reelle Chancen auf einen Einzug in den Bundestag unmittelbar nach den ersten Hochrechnungen haben, erwischt Politiker auch mal emotional. Unvergessen etwa, als Gerhard Schröder (SPD) 2005 sichtlich seine Probleme hatte, seine Wahlniederlage gegenüber Angela Merkel einzusehen.

Die ganz erinnerungswürdigen Momente hat die „Berliner Runde“ zur Bundestagswahl 2025 nicht gebracht. Dennoch lieferten die Kanzler- und Spitzenkandidaten erste Klarheit, wie es jetzt weitergeht. Dabei gab sich vor allem Wahlgewinner Friedrich Merz (CDU) staatstragend und wechselte mühelos vom Wahlkampf- in den Koalitions-Verhandlungsmodus.

Sollte der von ihm angeführte Alleingang, zusammen mit Stimmen der AfD einen Beschluss zur Migration durch den Bundestag zu bringen, bei manchen irritierte Fragen dazu ausgelöst haben, wie er es mit der AfD nun hält, zeigte der Unions-Kanzlerkandidat in der „Berliner Runde“ klare Kante und erteilte alleine dem Gedankenspiel eine deutliche Absage.

„Frau Weidel, Sie können uns die Hand reichen, wie Sie wollen“, sagte Merz. Wegen „Ihnen“ stelle er „das Erbe von 75 Jahren doch nicht infrage.“ Er sagte außerdem einen Satz, den seine parteiinterne Rivalin Merkel immer wieder sagte, kurz nachdem sie Bundestagswahlen gewonnen hatte. „Ich will auch Kanzler sein für die, die uns nicht gewählt haben und eine Regierung bilden, die die ganze Bundesrepublik repräsentiert.“

Söder (CSU) bleibt gegenüber den Grünen zurückhaltend

Merz wünscht sich zwar auch mehr einen denn zwei Koalitionspartner, erteilte einer Koalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen zunächst keine eindeutige Absage; ob die FDP, die ebenfalls als Koalitionspartner infrage kommen könnte, den Einzug ins Parlament schafft, war nach den ersten Hochrechnungen noch nicht sicher.

Auch Markus Söder (CSU) teilte die Merz-Positionen mit Blick auf künftige Koalitionsgespräche im Wesentlichen. „Mit der AfD würde Deutschland zu einem Vasallenstaat von Moskau werden.“ Da klang der Satz, dass eine Regierung ohne Grüne eine bessere Regierung sei, fast schmeichelhaft, gemessen an der Häme gegen die grüne Partei, die Bayerns Ministerpräsident beispielsweise in sozialen Netzwerken immer wieder an den Tag legt.

Die von allen abgesehen von rund 20 Prozent der Wähler abgelehnte AfD, in der Runde vertreten durch Alice Weidel, sagte, die Bevölkerung habe „blau-schwarz“ gewählt und zeigte sich sicher, dass die AfD die CDU auf mittlere Sicht übertreffen, wenn sie nicht mit den Rechtspopulisten koaliere. Das kann nach dieser Wahl für die anstehende Legislaturperiode wohl vorerst ausgeschlossen werden.

Zumal sich auch Grüne und SPD gesprächsbereit mit der Union zeigten. Als die Moderatoren etwas Öl ins Feuer gießen wollten, und fragte, was Habeck zu Attacken der Union aus der Vergangenheit etwas sagen wollte, sagte dieser einfach: „Nö.“ Auch Merz wich dem Streitgespräch aus, hier wollte sich offenbar niemand unnötig Optionen verbauen.

SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, der eine Wahlschlappe hinnehmen musste, nahm sich aus den Gesprächen ein wenig heraus. Über Koalitionsverhandlungen wollte er ohnehin kein Wort verlieren: Er werde sie nicht führen, sei als Kanzlerkandidat angetreten, nicht als Verhandlungsführer. Vor der Wahl sagte Scholz: „Kanzler ist mein letzter Beruf.“ Eine klare Aussage, ob er sein politisches Engagement jetzt wirklich so extrem zurückfahren würde, tätigte Scholz aber nicht.

Lindner stellt Rücktritt unter Bedingungen in Aussicht

Die Linkspartei, vertreten durch ihren Spitzenkandidaten Jan van Aken, freute sich über das starke Wahlergebnis – die Hochrechnungen sahen die Linke zur Zeit der Sendung bei 8,6 Prozent – und bekräftigte die Pläne, in die Opposition gehen zu wollen. „Im Parlament und auf der Straße.“

FDP-Chef Christian Lindner verzichtete auf große Spekulationen zum Thema Regierungsbildung, da es für die Freien Demokraten eine Zitterpartie wird, ob sie die 5-Prozent-Hürde meistern. „Ich bin Deutschland für alles dankbar“, sagte er. Schon zuvor kündigte er seinen Rücktritt an, sollte seine Partei es nicht ins Parlament schaffen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), dessen Parteivorsitzende der Einladung nicht gefolgt war und durch die Partei-Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali vertreten wurde, übte sich ebenfalls in Zurückhaltung, da der Einzug in den Bundestag nicht gesichert ist. Richtung Linke, von der sich das BSW abgespalten hatte, sagte sie: Häme bei schlechten Umfragewerten ihrer alten Partei empfinde sie nicht.

Somit verbleibt nach der Bundestagswahl ein Kreis von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP, die sich darum bemühen wollen, bis Ostern, wenn man nach den Plänen von Friedrich Merz geht, eine Regierung zu bilden – gemessen am Ton der Spitzenkandidaten schien da nach der „Berliner Runde“ beinahe alles möglich. Linke und BSW, die sich in der Opposition wohlfühlen. Und eine AfD, die wieder in die Opposition gehen muss.

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Erstellt:
23. Februar 2025, 21:38 Uhr

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