Fröhlicher Ausklang eines tollen Festivals

Der diesjährige Sommerpalast findet am Sonntagabend auf der neu geschaffenen Biergartenbühne einen Abschluss mit drei Bands, die vielseitiger und zugleich lebenslustiger kaum sein könnten. Vom Jazzfrühschoppen am Morgen dauerte die Party bis in die Nacht.

Die Band The Beez heizt am Sonntagabend den Besucherinnen und Besuchern der Biergartenbühne ein. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Die Band The Beez heizt am Sonntagabend den Besucherinnen und Besuchern der Biergartenbühne ein. Foto: Stefan Bossow

Von Carmen Warstat

Murrhardt. Nicht zum ersten Mal haben The Beez den Sommerpalast beehrt. Schon 1999 traten sie in Murrhardt auf. Damals waren sie fast noch eine Newcomer-Band, es war ihr erstes Festival überhaupt. Bis heute sind die Musiker dem Sommerpalast-Projektleiter Hardy Wieland dankbar für das Vertrauen, das er damals in sie setzte, und sie haben es sicherlich auch in diesem Jahr nicht enttäuscht.

Mit unbändiger Energie heizen sie am Sonntagabend den Besucherinnen und Besuchern der Biergartenbühne ein. Auch wenn das vierte Bandmitglied Peter D’Elia fehlt, weil er gerade in Spanien unterwegs ist, kann die Gruppe ihr Publikum zu Tanz und Jubel hinreißen.

Annette Kluge, Deta Rayner und Rob Rayner verbinden Fröhlichkeit und eine politische Haltung, die ausufernden Kommerz und Konsum kritisiert, aufs Schönste miteinander. Sie nehmen sich selbst nicht allzu ernst und präsentieren zugleich ein Können, das imponiert: komplex in einem Repertoire, das eigene Songs und Covers verbindet, genial im Songwriting, das Intelligenz mit Humor zu kombinieren weiß, und überaus originell in der Performance, welche von drei Paradiesvögeln inszeniert wird, die etwas zu sagen und das Lachen trotzdem nicht verlernt haben. Das ist ansteckend und lässt aufhorchen.

Rob Rayner, gebürtiger Australier, nimmt gleich zu Beginn Stellung zur Situation der Aborigines in seinem Heimatland und beginnt, den Song „Beds Are Burning“ von Midnight Oil zu intonieren, der zum Teil in deutscher Übersetzung präsentiert wird: „Die Zeit ist reif für Gerechtigkeit... für Verantwortung, für die Vergangenheit.“ Damit spielen The Beez auf eine in Australien anstehende Volksabstimmung zu den Rechten der dortigen Ureinwohner an.

Sie singen gegen Rassismus und

gegen die Gentrifizierung Berlins

Deta Rayner steuert einen ähnlich engagierten Song bei. Dieser thematisiert ein Berlin-Thema, ein Thema vieler Großstädte der Welt, wie sie anmerkt: „Gentrifizierung heißt das wohl.“ Mit Berliner Schnauze wettert sie gegen die Gier eines Immobilienmilieus, dem leider auch mit brillanten Texten und beißendem Spott nicht zu entkommen ist. Deta Rayner hat da ein geniales Stück geschrieben. Es folgen: noch ein Lied über Berlin. Und noch eins. Aber auch „Lazy“ von Deep Purple, „eine richtige Abgehnummer zum Tanzen“, so die drei, leidenschaftlich und exzellent interpretiert.

Von ihrem Album „Freischwimmer“ spielen The Beez „Everybody’s going where everybody else goes“ – schon im Titel originell, gefolgt vom Cameo-Cover „Word Up!“ Dann kommen sie auf den australischen Surferort Byron Bay zu sprechen. Rayner erzählt und singt von der Hippiegesellschaft dort und gießt seinen beißenden Spott über eine New-Age-Szene aus mit „vielen tapferen Leuten, die gegen Wissenschaft und Schulmedizin gekämpft haben“.

Auch „Una Canzone Sobre Amor“ (ein Lied über die Liebe) kündigt er an, es folgt ein Medley, das unter anderem Nirvana und Kiss aneinanderreiht und sich zu einer richtigen Stimmungsnummer auswächst. „Dolly Parton ist eine der besondersten – ja: besondersten – Frauen, die ich kenne“, findet Deta Rayner und kommt mit einer Kreuzberger Version von „Jolene“, weil: „In Berlin regelt man so was anders!“ Die Dreiecksbeziehung aus Dolly Partons Song wird angereichert mit (wiederum) rotzigem Berliner Dialekt und roher Gewalt (Frau gegen Frau) – „so also läuft das in Berlin“ – trockener Humor im irre lässigen Text. Deta Rayner kann und will ihre Herkunft einfach nicht verleugnen.

Verabschieden möchte die Band sich „mit dem besten Tanzsong der Welt“. Sie nennen es „vegetarische Technomusik“ und bringen Detas Midiakkordeon mit seinen unglaublichen Effekten auf Hochtouren. Annette Kluges Stehschlagzeug, stark reduziert, vermag dennoch durch den Abend zu grooven. Es macht zuletzt auch vor Techno nicht Halt und für die erste Zugabe tauscht Rob Rayner, der ein passionierter Bluesgitarrist ist, die Telecaster gegen eine Ukulele ein. Letztere nennt er „die Kakerlake der Musikindustrie“ und begleitet auf ihr, dem Klang seiner Tränen lauschend („listening to the sound of my tears“), ein letztes Medley. Selbstironischer geht’s nicht. Draufsetzen kann man da nur noch ein Trinklied und dem unersättlichen Publikum mit Polonaise drohen.

Die Vorband namens Mensch Monique hatte mit deutschem Indie-Folk eingestimmt und passte gut, zumal die Bassistin und Sängerin Jule Schröder früher bei den Beez spielte und Georg Saßnowski (Gitarre und Gesang) sie ganz schön zu ergänzen vermochte. Mag sein, dass die beiden etwas neben der Spur wirkten, das Publikum nahm’s gelassen. Ebenfalls auf der Biergartenbühne war der Sonntag mit einem Jazzfrühschoppen eröffnet worden: Die Bourbon Street Ramblers brachten einem vollauf begeisterten Publikum unter anderem zu Gehör, was in den 20er- und 30er-Jahren in Chicago und New Orleans so angesagt war.

Zum Artikel

Erstellt:
25. Juli 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Murrhardt und Umgebung

LED-Umrüstung fast abgeschlossen

Die Stadtverwaltung legt dem Gemeinderat den Zwischenbericht zur Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik vor. Ratsmitglieder weisen auf einige zu dunkle Bereiche in der Innenstadt hin, anderenorts gibt es Beispiele für sehr helle Lampen wie in Siegelsberg.

Murrhardt und Umgebung

Mut, Farben und Fantasie

Eine Ausstellung in der Stadtbücherei Murrhardt zeigt Bilder und Skulpturen von Kindern, die bei Pyramidea-Projekten entstanden sind.