Streit um Gewalthilfegesetz

Gewalt gegen Frauen: Dieses Gesetz soll sie schützen – und könnte doch scheitern

Mehr Plätze in Frauenhäusern, mehr Beratungsstellen für die Betroffenen: Dafür soll ein neues Gesetz sorgen. Doch ob es im Bundestag eine Mehrheit findet, ist fraglich.

Häusliche Gewalt ist in Deutschland verbreiteter, als viele denken – und die Schutzräume für die Betroffenen reichen nicht aus.

© dpa/Fabian Sommer

Häusliche Gewalt ist in Deutschland verbreiteter, als viele denken – und die Schutzräume für die Betroffenen reichen nicht aus.

Von Rebekka Wiese

Erst kürzlich gab es neue Zahlen. Im Schnitt wird fast jeden Tag eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland getötet, in zwei von drei Fällen bei sich zu Hause. Häusliche Gewalt gegen Frauen oder Mädchen findet etwa alle drei Minuten statt. Und das sind nur die Fälle, die bekannt sind. Es dürfte noch viel mehr geben, die aber nie angezeigt werden. Doch Hilfe gibt es nicht für alle Betroffenen. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr Tausende Frauen abgewiesen, weil es nicht genug Schutzplätze und Beratungsstellen für sie gibt.

Verbände, aber auch viele Politikerinnen und Politiker fordern deshalb schon lange es mehr Unterstützung für die Betroffenen, unter anderem mehr Beratungsstellen und Plätze in Frauenhäusern. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett nun den Entwurf für das Gewalthilfegesetz verabschiedet, mit dem diese Forderung umgesetzt werden soll. Demnach sollen die Länder künftig verpflichtet werden, entsprechende Hilfsangebote zu finanzieren. Dafür soll sich der Bund selbst an den Kosten beteiligen, mit mehr als zwei Milliarden Euro im Zeitraum von 2027 bis 2036. Ab 2030 soll es dann einen Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt für Betroffene geben, also zum Beispiel auf einen Platz im Frauenhaus.

Ein alter Ampel-Streit

Das Gewalthilfegesetz zählt zu jenen, über die sich die Ampelkoalition nie einigen konnte. Das FDP-geführte Finanzministerium hatte die Mittel für das Vorhaben nicht freigeben wollen. Das ist unter dem neuen Finanzminister Jörg Kukies (SPD) zwar kein Problem mehr. Doch nun fehlt SPD und Grünen die Mehrheit im Bundestag. Um das Gesetz zu beschließen, müsste die Union zustimmen. Doch die ist skeptisch. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gab sich am Mittwoch trotzdem optimistisch. Sie trat nach der Kabinettssitzung in Berlin vor die Presse. „Sie sehen mich heute sehr glücklich, weil das Bundeskabinett heute das Gewalthilfegesetz beschlossen hat“, sagte sie. Damit sei man einen wichtigen Schritt weiter, um die Situation von Frauen zu verbessern, die von Gewalt betroffen sind. „Wir brauchen dauerhafte und verlässliche Strukturen“, sagte die Familienministerin. Jetzt komme es darauf an, dass im Bundestag und im Bundesrat Mehrheiten für das Gesetz finden. „Es ist möglich, der Zeitplan gibt es her.“

Merz forderte „entschlossenes Handeln“

Doch das stellen Abgeordnete der Unionsfraktion infrage. Inhaltlich deckt sich der Entwurf sogar in weiten Teilen mit dem, was aus ihren Reihen oft gefordert worden ist – unlängst auch von CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz. In seinem Newsletter schrieb er noch am Wochenende, dass es „entschlossenes Handeln“ gegen Gewalt gegen Frauen brauche. Dafür forderte er unter anderem mehr Schutzräume und eine klare Finanzierung von Frauenhäusern – also das, was der Entwurf vorsieht.

Doch es ist trotzdem unwahrscheinlich, dass die Unionsfraktion dem Entwurf im Bundestag zustimmen wird. „Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung ist nach wie vor nicht annähernd beschlussreif“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher, dieser Redaktion. „Er hat Lücken und handwerkliche Fehler, auch die Finanzierung ist nicht abschließend geklärt. Bei diesem wichtigen Thema verbietet sich ein schlecht gemachter Schnellschuss.“

Nicht genug Zeit

Kritisiert wird unter anderem, dass einige Formulierungen in dem Entwurf nicht präzise genug seien, zum Beispiel, was die Festlegung bundeseinheitlicher Standards in dem Entwurf angehe. Auch habe man den Verbänden nicht genug Zeit zur Stellungnahme gegeben, sodass viele sich nicht ausreichend mit dem Entwurf auseinandersetzen hätten können. „Für mich ist völlig fraglich, wie die Familienministerin glauben kann, für alle Beteiligten sei in der verbleibenden Zeit eine vertiefte Befassung mit dem Vorhaben möglich“, sagte Breher. „Die Stellungnahmen von den Verbänden widerlegen dies sehr eindeutig.“

Paus wiederum verwies vor der Presse darauf, dass das Gesetz in den vorherigen zwei Jahren intensiv in Fachforen und im Rahmen des Runden Tisches „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ erarbeitet worden sei. Es sei noch machbar, das Gesetz umzusetzen, sagte Paus. „Es ist halt die Frage, inwieweit wir den Willen dazu haben.“

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Erstellt:
27. November 2024, 17:14 Uhr
Aktualisiert:
27. November 2024, 17:49 Uhr

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