In mexikanischen Maya-Höhlen aufgespürt

Gift von Unterwasserkrebsen könnte zu neuen Medikamenten führen

In einem nur in Unterwasserhöhlen Mexikos vorkommenden Krebs haben Forscher eine neuartige Klasse an Giftstoffen entdeckt. Die Toxine könnten genutzt werden, um Medikamente für neurologische Erkrankungen wie Epilepsie oder auch Schmerzmittel zu entwickeln.

Der Unterwasserkrebs Xibalbanus tulumensis enthält Toxine, aus denen nun Wirkstoffe gegen neurologische Erkrankungen entwickelt werden sollen.

© © Björn M. von Reumont

Der Unterwasserkrebs Xibalbanus tulumensis enthält Toxine, aus denen nun Wirkstoffe gegen neurologische Erkrankungen entwickelt werden sollen.

Von Markus Brauer

Viele Tiere nutzen Gifte zur Selbstverteidigung oder zur Jagd. Dafür greifen Giftbestandteile, sogenannte Toxine, in verschiedene physiologische Prozesse ein. Das macht sie auch interessant für die Entwicklung neuer pharmakologischer Wirkstoffe.

Giftige Arten auch unter Krebstieren

Einige Tiergruppen wie die Schlangen, Spinnen, Skorpione und Insekten sind hinsichtlich ihrer Gifte bereits recht gut untersucht. Anders sieht es bei marinen Tiergruppen wie Krebstieren (Crustacea) aus. Dass es auch unter ihnen giftige Arten gibt, war lange unbekannt.

Vor zehn Jahren wurde allerdings entdeckt, dass sogenannte Remipeden ebenfalls Toxine produzieren. Diese Krebse erinnern optisch eher an Hundertfüßer, sind entfernt mit Insekten verwandt und leben in marinen Unterwasserhöhlen.

 

 

Erst vor wenigen Jahren wurde entdeckt, dass es auch unter den Krebstieren (Crustacea) giftige Vertreter gibt: die Remipeden (eine Klasse innerhalb der Krebstiere), die optisch eher an Hundertfüßer erinnern und in marinen Unterwasserhöhlen leben.

Toxischer Unterwasserkrebs Xibalbanus tulumens

Ein Forscherteam unter der Leitung von Björn von Reumont, der 2014 erstmals ein Giftsystem bei Remipeden nachwies, hat nun eine Gruppe von Toxinen aus dem Unterwasserkrebs Xibalbanus tulumensis charakterisiert. Die Studie ist im Fachmagazin „BMC Biology“ erschienen.

#Pharmakologie: Forscher*innen entdeckten #Toxine im Krebs *Xibalbanus tulumensis* aus den Maya-Unterwasserhöhlen, die Ionenkanäle hemmen und potenzielle medizinische Anwendungen bieten. #Wirkstoffforschung#GoetheUnihttps://t.co/p27AaUH8ehpic.twitter.com/VIHchzy8CM — Goethe-Universität (@goetheuni) October 7, 2024

Xibalbanus tulumensis bewohnt die Cenoten – den natürlichen, wassergefüllten Sinklöchern im Karstuntergrund auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan, die bei den präkolumbianischen Maya als heilige Stätten galten.

Das in einer Giftdrüse gebildete Gift injiziert der Höhlenbewohner gezielt in seine Beutetiere. Es enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen: Darunter eine neue Art von Peptiden, die nach ihrem Produzenten als Xibalbine bezeichnet werden.

 

 

Zur Info: Peptidbindungen gehören zu den wichtigsten chemischen Bindungen, die in der Natur vorkommen. Es verbindet einzelne Aminosäuremoleküle miteinander, um Peptid- und Proteinstrukturen zu bilden. Peptide sind Moleküle, die aus Aminosäuren aufgebaut sind, die über Peptidbindungen miteinander verknüpft sind).

Gift ähnelt dem von Spinnen

Einige dieser Xibalbine enthalten ein charakteristisches Strukturelement, das auch von Toxinen vor allem aus Spinnen bekannt ist: Mehrere Aminosäuren (sogenannte Cysteine) des Peptids sind so miteinander verbunden, dass eine knotenähnliche Struktur (sogenannte Knottine) entsteht. Sie verleiht den Peptiden Widerstandsfähigkeit gegen Enzyme, Hitze und extreme pH-Werte.

Derartige Knottine wirken oft als Neurotoxine – also Nervengeifte –, die Beutetiere lähmen können, was auch für einige Xibalbine angenommen wurde. Die neue Studie zeigt nun, dass alle getesteten Xibalbin-Peptide Kaliumkanäle in Säugetiersystemen wirksam hemmen. „Diese Hemmung ist von großer Bedeutung für die Entwicklung von Wirkstoffen für die Behandlung einer Reihe von neurologischen Krankheiten sowie für die Schmerztherapie, einschließlich Epilepsie“, erklärt Björn von Reumont.

Die Herstellung von Arzneimitteln aus Tiergiften ist allerdings ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess. „Geeignete Kandidaten zu finden und ihre Wirkung umfassend zu charakterisieren, sodass damit die Basis für sichere und wirksame Arzneimittel gelegt wird, ist heute nur noch in einem großen interdisziplinären Team wie in unserer Studie möglich“, erklärt Björn von Reumont.

Lebensraum ist durch Menschen bedroht

 

 

Hinzu kommt, dass im Falle der Unterwasserkrebse die Zeit drängt. Ihr Lebensraum ist durch den Bau des Intercity-Eisenbahnnetzes Tren Maya quer durch die Halbinsel Yucatan massiv bedroht. „Die Cenoten sind ein hochsensibles Ökosystem“, erläutert der Forscher, der als Höhlentaucher während mehrerer Höhlentauchexpeditionen Remipeden in Yucatan gesammelt hat.

„Unsere Studie verdeutlicht, wie wichtig der Schutz der biologischen Vielfalt ist – nicht nur wegen ihrer ökologischen Bedeutung, sondern auch wegen potenziellen Inhaltsstoffen, die für uns Menschen von entscheidender Bedeutung sein können.“

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Erstellt:
13. Oktober 2024, 15:23 Uhr

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