Vor 1,4 Millionen Jahren in Südspanien

Granadas Friedhof der Ur-Elefanten

Rätselhafter Tod: Vor 1,4 Millionen Jahren verendeten zahlreiche Mammuts und andere Großsäuger in einem Feuchtgebiet in Südspanien, wie Fossilienfunde zeigen. Forscher sind jetzt dem Grund für dieses Massensterben nachgegangen.

Festmahl für Hyänen: Vor 1,4 Millionen Jahren starben in einem Gebiet beim heutigen Granada zahlrteiche Mammuts und andere Großsäuger.

© © Dibujo Mauricio Antón Hienas/Mamut-Color

Festmahl für Hyänen: Vor 1,4 Millionen Jahren starben in einem Gebiet beim heutigen Granada zahlrteiche Mammuts und andere Großsäuger.

Von Markus Brauer

Paläontologen stoßen immer wieder auf Fundstätten, an denen sie auf zahlreiche Überreste von Mammuts und anderen Großsäuger der Eiszeit stoßen. In einigen Fällen lässt sich dies durch die Jagdpraxis der Frühmenschen erklären. Diese trieben Herden über steile Klippen oder in Fallgruben, wie sie vor einigen Jahren nördlich von Mexico-City gefunden wurden.

In anderen Fällen würde der natürliche Untergrund Mammuts, Nashörnern oder Säbelzahntigern zum tödlichen Verhängnis, so wie in den Asphaltgruben von Rancho La Brea in Kalifornien. In dieser Ansammlung von mit natürlichem Asphalt gefüllten Gruben im Hancock Park mitten in Los Angeles ruhen die Überreste von tausenden Eiszeittieren.

 

 

Erste Besiedlung Europas durch Homo erectus

In der Nähe des südspanischen Granada haben Archäologen einen weiteren urzeitlichen Tierfriedhof ausgegraben.In einer rund 1,4 Millionen Jahre alten Sedimentschicht stießen sie auf Dutzende Fossilien von Bisons, Nashörnern, Nilpferden, Urpferden und Südmammuts (Mammuthus meridionalis).

Diese Vorfahren der Wollhaar- und Steppenmammuts wurden bis zu vier Meter hoch und waren die ersten Rüsseltiere, die Afrika verließen und Eurasien und Nordamerika besiedelten.

 

 

 

 

Das Verblüffende an dieser Fundstätte namens Fuente Nueva 3 ist, dass einige der Knochen deutliche Spuren menschlicher Bearbeitung aufweisen. „Diese Schnitt- und Schlagspuren an den Knochen entstanden beim Entbeinen der Tiere und dem Zerschlagen der Knochen, um an ihr Mark zu gelangen“, berichtet Paul Palmqvist von der Universität Malaga.

Zusammen mit Steinwerkzeugen und einem fossilen Frühmenschenzahn sind diese Relikte der früheste Beleg für die Existenz des frühen Menschen, genauer von Homo erectus, in Westeuropa.

Die Studie ist im Fachmagazin „Journal of Iberian Geology“ erschienen.

The late Early Pleistocene site of Fuente Nueva-3 (Guadix-Baza Depression, SE Spain): a hyena latrine developed on a quicksand trap for megaherbivores? https://t.co/XYTCxDmcMH — Biblioteca Geológicas UCM (@BiblioGeoUCM) July 16, 2024

Kälteperiode und Neubesiedlung durch Homo antecessor

Vor etwa 1,1 Millionen brach dann eine Kälteperiode über Europa herein, die 31 000 Jahre andauerte und den Großteil der Frühmenschen erfrieren ließ. Wer überlebte, zog zurück nach Afrika. Der Mittelmeerraum kühlte so stark ab, dass die eiszeitlichen Kältesteppen für Zehntausende Jahre unbewohnbar wurden. Auch deshalb, weil Europas erste Frühmenschen noch kein Feuer, keine warme Kleidung und Unterkünfte kannten.

 

 

Für einige hunderttausend Jahre war Europa wahrscheinlich weitgehend menschenleer und wurde erst vor rund 900 000 Jahren wieder rekolonisiert. Nach Homo erectus kam Homo antecessor, der bereits über Fähigkeiten verfügte, die ihm das Überleben in den folgenden Kaltzeiten ermöglichten.

Homo antecessor wusste, das Feuer zu beherrschen, warme Kleidung anzufertigen und schützende Unterkünfte zu errichten. Die Besiedlung Europas durch die Vorfahren der Neandertaler erfolgte danach in einem zweiten evolutionären Anlauf.

 

 

Warum starben die Mammuts von Granada?

Doch wie gelang es den ersten „Europäern“, die gewaltigen Südmammuts und andere Großsäuger zu erlegen? Um diese Frage zu beantworten, haben Palmqvist und sein Team die Sedimentschichten von Fuente Nueva 3 geologisch genauer untersucht. Sie wussten bereits, dass dieser Friedhof der Ur-Elefanten einst in einer ausgedehnten, von Sümpfen durchzogenen Senke lag.

„Schicht 5 zeigt einen erhöhten Anteil von 64,3 Prozent feinen und sehr feinen Sanden“, schreiben die Forscher. Der übrige Erdboden bestand vorwiegend aus ebenfalls sehr feinkörnigem Ton und Schlick. Die geologische Zusammensetzung lieferte den entscheidenden Hinweis darauf, wie die Urzeittiere vor 1,4 Millionen Jahre ums Leben kamen – durch Treibsand.

 

 

„Dieser kann zur tödlichen Falle für Wildtiere werden. Denn seine Zusammensetzung aus feinem Sand, Schlick und Salzwasser reagiert extrem sensibel auf selbst kleinste Druckveränderungen“, berichten die Forscher.

Der Treibsand von Fuente Nueva 3 konnte  kleinere Tiere tragen, doch Schwergewichte wie Mammuts versanken darin. „Wenn ein Tier im Treibsand einsinkt, führt jede Bewegung beim Versuch einer Flucht dazu, dass es nur noch tiefer einsinkt.“

Leichte Beute für Frühmenschen und Hyänen

Für Frühmenschen und Hyänen, die sich gleichermaßen um die hilflosen Tiere stritten, war es ein Leichtes, sie zu erlegen. Palmqvist vermutet, dass die menschlichen Jäger die feststeckenden Mammuts tagsüber ausweideten, während sich die nachtaktiven Hyänen in der Dunkelheit über die Kadaver hermachten.

„Die Funde von Fuente Nueva 3 bringen unser Wissen über die Subsistenz-Strategien unserer Vorfahren, der ersten Europäer, in entscheidender Weise voran“, resümieren die Forscher. Sie zeigten, wie die Frühmenschen bei ihrer Nahrungssuche vorgingen und sie mit anderen Fleischfressern als Konkurrenten umgingen.

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Erstellt:
16. Juli 2024, 17:58 Uhr
Aktualisiert:
17. Juli 2024, 07:55 Uhr

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