Großaspach opfert das kleinste Rad im Getriebe

Mit Steffen Weiß verabschiedete die SG Sonnenhof den vierten Coach in 18 Monaten Regionalliga. Dabei ist der Verein aus dem Fautenhau doch vor allem von seinen Fußballern enttäuscht.

Nach dem Aus für Steffen Weiß (links) hat nun Marcus Lauer das Sagen. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Nach dem Aus für Steffen Weiß (links) hat nun Marcus Lauer das Sagen. Foto: T. Sellmaier

Von Uwe Flegel

Die denkwürdige Partie war gut 20 Minuten vorbei und Großaspachs Fußballer sowie die Trainer bereits in die Stadionkatakomben entschwunden, da lief Michael Ferber am Mittwochabend in Gedanken versunken durchs Stadion. Nach der 1:4-Enttäuschung zu Hause im Kellerduell gegen Koblenz musste sich das Vorstandsmitglied des Regionalligisten aus dem Fautenhau offensichtlich erst einmal sortieren. Schließlich war bei der SG Sonnenhof erneut das angesagt, was in den vergangenen drei Jahren nun schon zehnmal angesagt gewesen ist. Die Dürre in Sachen Punkte und Leistungen hatte einen Trainer den Job gekostet.

„Wir mussten wieder einmal das kleinste Rad im Getriebe opfern“, begründet der 36-Jährige tags drauf die Entscheidung, Steffen Weiß freizustellen. Wir, das ist die Vorstandschaft der SG, die gemeinsam entschieden hatte, die Zusammenarbeit zu beenden. An Ferber, im vierköpfigen Vorstand zuständig für den Sportbereich, war es, dem 33-Jährigen die schlechte Nachricht zu überbringen. Es sei ein sehr faires und nicht allzu unangenehmes Gespräch gewesen, sofern „so ein Gespräch überhaupt angenehm sein kann“, erzählt der Kleinaspacher Hotelier. Für ihn kann die Trennung vom Chefcoach aber nur ein erster Schritt sein: „Wir wissen, dass es damit nicht getan ist. Wir gehen nun nicht zum Alltag über.“

Michael Ferber kündigt an, dass der Kader in der Winterpause verändert wird

Deshalb gab es gestern auch mit den Spielern einen „tiefgründigen Austausch“, erzählt Ferber, für den feststeht: „Die Mannschaft wird nach der Winterpause ein anderes Gesicht haben.“ Für den einen oder anderen Akteur wird es im Fautenhau in naher Zukunft anscheinend recht unangenehm. Das SG-Vorstandsmitglied hat jedenfalls keine große Lust darauf, jedes halbe Jahr ein unerfreuliches Gespräch zu führen. Selbst wenn es wie im Fall von Steffen Weiß nicht riesig unangenehm war und trotz der Trennung „beide Seiten durchaus ihre gegenseitige Wertschätzung noch einmal zum Ausdruck gebracht haben“, wie Ferber berichtet und Steffen Weiß bestätigt.

Dennoch hält sich beim Sohn von SG-Mitbegründer Uli Ferber die Lust auf solch mehr oder weniger angestrengte Plaudereien arg in Grenzen: „Steffen war in eineinhalb Jahren Regionalliga nun schon unser vierter Trainer.“ Und: „Es kann nicht sein, dass stets der Trainer das Alibi ist.“ Einerseits. Andererseits sei es diese Saison schon zum wiederholten Mal der Fall gewesen, dass die Elf nach einem 0:1 auseinanderbricht. Bisher vor allem in der Fremde, nun auch im eigenen Stadion. Dass die Personallage mit Ausfällen wie Kapitän Joel Gerezgiher, Mo Diakite, Sebastian Schiek oder Nico Jüllich mit ein Grund dafür ist, das weiß Ferber. „Man hat gesehen, dass Führung gefehlt hat“, sagt er und weist gleichzeitig darauf hin: „Ergebnisse wie gegen Koblenz gab es aber auch, als diese erfahrenen Spieler auf dem Platz standen.“

Er und seine Vorstandskollegen bauen trotzdem darauf, dass die, die zum wiederholten Mal bitter enttäuscht haben, so rasch wie möglich die Kurve kriegen. Am besten gleich im nächsten Kellerduell, das bereits am Samstag (14 Uhr) daheim gegen den FC Astoria Walldorf ansteht. Dann mit dem bisherigen Co-Trainer Marcus Lauer als neuem Chef. Mit dem 36-Jährigen als Boss auf der Trainerbank geht der Viertletzte die drei vor Weihnachten noch anstehenden Partien an. Lauer weiß, dass „Walldorf für uns ganz, ganz wichtig ist“. Schließlich gilt’s, den Abstiegsplatz sofort wieder zu verlassen. Selbst wenn das gelingt, wird er aber wohl nicht zur Dauerlösung. „Wir führen seit gestern Morgen Gespräche“, sagt Michael Ferber zur Nachfolgesuche und erklärt: „Es gibt keine Zeit zu verlieren.“

Ein Fakt, der aber nicht nur die Trainerfrage betrifft, sondern auch das Thema Punkte für den Kampf gegen den Abstieg. Ex-Coach Weiß weiß das ebenfalls: „Ich hoffe, dass die Jungs morgen gewinnen und drücke ihnen wie dem ganzen Verein die Daumen.“ Dann bereits von seiner Heimat Hamburg aus, wohin der 33-Jährige gestern schon wieder zurückkehrte. Nicht ohne sich zuvor per Rundtour von fast allen Betreuern und Mitarbeitern zu verabschieden. Überhaupt sagt er: „Ich war zwar nur ein halbes Jahr hier und das Ende hatte ich mir auch anders vorgestellt, aber Fakt ist eben auch, dass ich mich hier sehr wohl gefühlt habe und in dieser kurzen Zeit ein echter Fan des Vereins geworden bin.“ Wobei das keine einseitige Geschichte ist, erzählt Weiß doch: „Nachdem die Geschichte raus war, habe ich sehr viele positive Nachrichten erhalten.“ Auch von den Spielern. Wobei die sich eventuell besser fragen sollten, weshalb sie einmal mehr ihren Anteil daran haben, dass in Aspach ein Trainer nach nur kurzer Zeit wieder gehen musste.

Gefrustet, nachdem er schon wieder einen Trainer vorzeitig verabschieden musste: Michael Ferber. Das Vorstandsmitglied sieht nun vor allem seine Spieler in der Pflicht. Foto: A. Becher

© Sportfotografie Alexander Becher

Gefrustet, nachdem er schon wieder einen Trainer vorzeitig verabschieden musste: Michael Ferber. Das Vorstandsmitglied sieht nun vor allem seine Spieler in der Pflicht. Foto: A. Becher

Kommentar
Hoffen und Glauben ersetzen keinen Plan

Von Uwe Flegel

Zehn Trainer in gut drei Jahren, das ist eine stattliche Zahl. Sie ist vor allem ein erneutes Zeichen dafür, dass im Fautenhau viel verrutscht ist. Seitdem in der Dritten Liga Abstiegskampf angesagt war, wirkt die SG Sonnenhof wie eine ständig Getriebene. Auf Neuanfang folgt Neuanfang, auf Trainer folgt Trainer. Dabei wissen doch alle Verantwortlichen, dass jede Trennung die Anerkenntnis eigener Fehler ist. Schließlich hat der Verein ja zuvor auf genau diese Person gesetzt. Das gilt für die Trainer wie für die Fußballer, die der Klub nun verstärkt in die Pflicht nehmen will. Mal wieder – und diesmal hoffentlich konsequent. Längst muss klar geworden sein, dass es mit Hoffen und Glauben nicht funktioniert. Viel wichtiger wäre es, künftig wieder verstärkt drauf zu schauen, ob neben dem Talent auch genug Charakter und Willen vorhanden sind.

u.flegel@bkz.de

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Erstellt:
10. Dezember 2021, 06:00 Uhr

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