Stierkampf in Spanien
Großer Sieg für die kleinen Toreros
Die spanische Regierung dachte, Showstierkämpfe mit kleinwüchsigen Menschen seien verboten. Ein Irrtum, sagt eine Richterin in Málaga.

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Ein kleinwüchsiger Torero im spielerischen Kampf mit einem jungen Stier
Von Martin Dahms
Das Problem, sagt Ángel Modesto, „liegt im Auge des Betrachters“. Manche finden kleinwüchsige Toreros lustig, manche nicht. Spaniens Allgemeines Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enthält seit zwei Jahren einen Absatz, der jede Art von Show verbietet, „in der Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden, um Spott oder Hohn im Publikum zu provozieren“. Damit schien die Sache erledigt: nicht lustig! Die toreros enanos – die Zwergenstierkämpfer – müssen sich einen anderen Job suchen.
Vielleicht doch nicht. Eine Verwaltungsrichterin in Málaga hat gerade der Klage von Ángel Modesto stattgegeben, der mit einer Kleinwüchsigen-Truppe im Sommer 2023 einen Showstierkampf im andalusischen Dorf Cortes de la Frontera veranstalten wollte, dafür aber, mit Verweis auf das Behindertengesetz, keine Genehmigung erhielt. Zu Unrecht, sagt die Richterin. Denn es spreche nichts dafür, dass die Teilnahme von Kleinwüchsigen am Stierkampf „den Zweck hat, sie oder ihre Behinderung zu verspotten“. Die toreros enanos seien normale Artisten mit den professionellen Fähigkeiten von Clowns – und eben diese Fähigkeiten würden vom Publikum beklatscht.
Die Toreros spielen mit den Stieren
Das Stierkampfmagazin Mundotoro überschlägt sich vor Freude: Die Entscheidung sei in „historisches Urteil“, ein „Meilenstein im Kampf für die berufliche und künstlerische Freiheit der Zwergenstierkämpfer“, sie markiere „ein Vorher und ein Nachher im Kampf um Gleichheit und Respekt für alle Stierkampfprofis“.
Diese Freude ist bemerkenswert. Eine Stierkampfshow mit Kleinwüchsigen lässt sich auch als Verspottung der Tauromaquia – der Stierkampfkunst – betrachten, aus der aller heilige Ernst gewichen ist. Die Toreros spielen mit den Stieren, statt gegen sie in den Kampf zu ziehen. Kein Blut fließt, niemand stirbt. Man kann das Spektakel trotzdem blöd finden, weil niemand die Stiere gefragt hat, ob sie dazu Lust haben.
Die Stierkämpfer aber, ob klein oder groß, sind alle freiwillig dabei. Nicht mehr so gerne dabei ist das Publikum. Die früher sehr beliebte Stierkampfpersiflage findet heute kaum noch jemand lustig. 2019, im Jahr vor Ausbruch der Covid-Pandemie, wurden in ganz Spanien noch elf festejos cómico-taurinos – komische Stierkampffeste – gefeiert, seitdem fast keine mehr. Ein untergehendes Spektakel, egal was die Gesetze sagen. Der Streit geht ums Prinzip.
Der Behindertenbeauftragte findet es nicht lustig
Wer die komischen Stierkampffeste gar nicht komisch findet, ist Jesús Martín Blanco, Spaniens Behindertenbeauftragter im Sozialministerium. „Eine anständige Regierung kann nicht gleichgültig bleiben angesichts eines Spektakels, bei dem legitimiert wird, dass eine Körpergröße von 1,30 Meter zum Lachen sei“, sagte er vor zwei Jahren aus Anlass der Gesetzesreform.
Die Handvoll in Spanien verbliebener torero enanos sieht das anders. „Wir wollen die Menschen zum Lachen bringen und unseren Lebensunterhalt verdienen“, erklärt einer von ihnen, der sich Jimmy nennt, im Gespräch mit El Mundo. „Hier haben wir alle die gleiche Statur, hier gibt es keine Kleinen und Großen“, sagt sein Kollege José Antonio Zarzuela. „Wer sich über mich lustig machen will, wird das auch auf der Straße tun. Und dort schmerzt es mehr.“