Noch ein „Zehn-Punkte-Plan“
Grüne Jugend kontert Habecks Vorstoß zur inneren Sicherheit
Anfang der Woche präsentierte Grünen-Kanzlerkandidat Habeck zehn Vorschläge zur inneren Sicherheit – und stieß damit in Teilen seiner Partei auf Kritik. Nun legt die Grüne Jugend nach.
![Grüne Jugend kontert Habecks Vorstoß zur inneren Sicherheit Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, fordert unter anderem den Ausbau des Sozialstaats.](/bilder/jette-nietzard-sprecherin-der-gruenen-jugend-fordert-unter-868255.jpg)
© dpa/Michael Kappeler
Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend, fordert unter anderem den Ausbau des Sozialstaats.
Von Rebekka Wiese
Jetzt hat sich die Grüne Jugend eingemischt – mit ihrem eigenen Zehn-Punkte-Plan. Am Montag war es zunächst Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck gewesen, der als Reaktion auf die Gewalttat von Aschaffenburg zehn Forderungen zur inneren Sicherheit vorgelegt hatte, überschrieben mit dem Titel: „Sicherheitsoffensive für Deutschland“. Doch den Ansatz, den Habeck damit verfolgt, scheinen nicht alle in seiner Partei zu teilen. Die zehn Punkte der Grünen Jugend lesen sich wie ein Gegenentwurf zu Habecks Vorstoß, ihr Titel: „Humanität durch Sozialstaat“. Es ist die Wiederauflage eines alten Streits in der Partei – und das mitten im Wahlkampf.
Anlass für Habecks Vorstoß war die Gewalttat von Aschaffenburg. Es war aber auch eine Reaktion auf das, was sich in der vergangenen Woche im Bundestag ereignet hatte. Dort wurde am Mittwoch zum ersten Mal durch die Stimmen der in weiten Teilen rechtsextremen AfD ein Antrag beschlossen. Es handelte sich um den sogenannten Fünf-Punkte-Plan von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz zur Migrationspolitik, der unter anderem Zurückweisungen auch von Asylbewerbern an der deutschen Grenze fordert. Die Debatte konzentrierte sich zunächst vor allem darauf, dass der CDU-Chef die entscheidende Unterstützung durch die AfD gebilligt hatte. Worum es weniger ging: welche anderen Vorschläge zur inneren Sicherheit und Migration es denn noch gab.
Ein eigener Aufschlag
Habecks Vorschläge zur inneren Sicherheit sollten wohl ein eigener Aufschlag sein, um die Partei nicht dem Vorwurf auszusetzen, keine eigenen Lösungen anzubieten. Inhaltlich stand wenig Neues in dem Papier. Habeck fordert unter anderem eine „Vollstreckungsoffensive für Haftbefehle“ – ein Vorschlag, der ihn wenig kostet. Denn dafür sind die Länder zuständig, wo die Innenministerien bisher von CDU und SPD geführt werden, wie Habeck in seinem Papier auch betont.
Unter den zehn Punkten finden sich auch Gesetze, die in der vergangenen Sitzungswoche auf der Tagesordnung des Bundestags standen, aber derzeit keine Aussicht auf eine Mehrheit haben – die Umsetzung der Reform des Europäischen Asylsystems sowie das Sicherheitspaket, mit dem Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse bekommen sollen, unter anderem für den biometrischen Datenabgleich. „Nichtdeutsche Gefährder abschieben“, steht außerdem in dem Papier – auch das kein neuer Punkt, er steht sogar im Wahlprogramm der Grünen, ebenso wie der Vorschlag, auf Migrationsabkommen zu setzen.
Grüne Jugend: Sozialstaat stärken, Schuldenbremse abschaffen
Der Zehn-Punkte-Plan der Grünen Jugend klingt schon in der Einleitung ganz anders als Habeck. „Der Sozialstaat ist das Fundament, von dem politische Entscheidungen getragen werden“, heißt es dort. Dazu zählten unter anderem auch Asyl- und Menschenrechtspolitik. Und weiter: „Die Beteiligung an rassistischen Debatten, der Rückbau von Infrastruktur und die pauschale Verurteilung Geflüchteter waren und bleiben Fehler.“ Mit ihren Vorschlägen fordert die Grüne Jugend unter anderem, den Sozialstaat zu stärken und die Schuldenbremse abzuschaffen, mit Prävention gegen die Radikalisierung junger Männer vorzugehen und Geflüchteten schneller Arbeitserlaubnisse auszustellen.
Insgesamt ist die Kritik aber deutlich subtiler als die, die noch zu Beginn der Woche hören war. Als die Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner Habecks Vorschläge auf der Social-Media-Plattform Instagram postete, sammelten sich darunter so viele wütende Kommentare, dass die Beiträge wieder gelöscht wurden, wie die Deutsche Presse-Agentur und die „Bild“-Zeitung berichteten. Der niedersächsische Landesverband der Grünen Jugend warf Habeck in einem inzwischen gelöschten Post sogar eine „menschenfeindliche Abschiebepolitik, die sich an rechten Narrativen orientiert“ vor – wovon sich die Landesspitze der Grünen und die Spitzenkandidaten kurze Zeit später deutlich distanzierten.
Nun scheint sich die Partei zu bemühen, den Streit nicht ausufern zu lassen. Vereinzelt war aus dem Linken-Flügel zu hören, dass die Kritik bei Weitem nicht so groß sei, wie es nun öffentlich dargestellt werde. Die meisten Anfragen dieser Redaktion zu dem Thema blieben aber ohne Rückmeldung – auch das ist eine Reaktion.