„Hart aber fair“ zur Autokrise
Grüner rügt Manager von VW
Die ARD-Talkrunde geht auf Fehlersuche in der Volkswagenkrise. Der gesamten deutschen Autoindustrie drohen weitere Jobverluste, warnt Autoverbandschefin Hildegard Müller. Die Lage sei „außerordentlich schwierig“.
Von Christoph Link
Die Nachrichten über die schlimme Lage bei VW mit möglichen Werksschließungen, Entlassungen und Lohnkürzungen dominierten am Montagabend die Sendung „Hart aber fair“. „Ein schwarzer Tag für die Autoindustrie“, befand Moderator Louis Klamroth und fragte, ob diese Branche in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft habe. Eine Stunde lang ging es dann auf Fehlersuche, wobei Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, den Anfang machte. Die Transformation vom Verbrennermotor zum E-Auto koste Jobs, erklärte Müller, laut einer neusten Studie ihres Verbandes stünden deswegen 190.000 Arbeitsplätze in Rede. Das sei das eine, das andere aber sei die hausgemachte Krise des Standorts Deutschland, wo die Arbeits- und Bürokratiekosten zu hoch seien und die Energiekosten für die Unternehmen dreimal so hoch wie in den USA. Von der Bundesregierung – die sich auf geteilten Gipfeln mit Industriepolitik befassen will – erwarte sie, „dass die sich zusammensetzen und in dieser außerordentlich schwierigen Lage gemeinsame und realistische Vorschläge machen“.
Garantie für Werke verlangt
Die Schuld auf das VW-Management wollte Müller nicht schieben, das taten aber andere in der Talkrunde. So meinte der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffer, dass bei VW das Management „einseitig“ auf E-Mobilität gesetzt habe und dass die Gewerkschaften jetzt sieben Prozent mehr Lohn für VW-Mitarbeiter forderten, das passe auch nicht zur Lage. Der Liberale fand noch einen anderen Verantwortlichen für die Krise – und zwar das Land Niedersachsen als großer Anteilseigner bei VW: Dass die Kultusministerin Juli Willie (Grüne) aus Hamburg in den Aufsichtsrat von VW geschickt worden sei, sei ein Unding: „Sie ist vielleicht eine gute Kultusministerin, aber von Autoindustrie hat sie keine Ahnung.“ Wie wolle sie denn da den Vorstand kontrollieren?
Ganz anders der kritische Ansatz von Andreas Audretsch, dem stellvertretenden Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Es seien Managementfehler und politische Fehler gemacht worden, aber dass die jetzt „auf dem Rücken der Belegschaft“ ausgetragen werden, das gehe nicht an: „Wir verlangen ein klares Commitment und eine Garantie für die Mitarbeiter und die Standorte.“ China habe seinen starken Vorlauf bei der Elektromobilität vorangetrieben, während „das VW-Management hier in Abschalteinrichtungen investiert hat, aber nicht in die Zukunft“.
Hoffen auf sinkende Preise
Die vergleichsweise billigen chinesischen E-Autos machen den Deutschen Hersteller massiv Konkurrenz, aber dass am ausschließlichen Setzen auf die E-Mobilität gezweifelt wurde – wie es der FDP-Politiker Schäffer mehrfach tat mit seiner Forderung nach Technologieoffenheit – das ließ der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar nicht zu. Er fährt selbst ein E-Auto, lädt es mit Strom von seinem Hausdach und rühmt die Simplizität dieser Antriebsart, bei dem ein Motor mit 100 Einzelteilen auskomme, beim Verbrenner seien es 2000. Die Preise werden bald sinken, so Yogeshwar, in China seien heute schon 74 Prozent der E-Autos billiger als Verbrenner, und auch VW habe schon ein 20.000-Euro-E-Auto im Plan. Im übrigen seien neue Batterien fähig bis zu Reichweiten von einer Million Kilometer.
Die E-Mobilität habe jetzt global ein Momentum, da war sich die Runde bis auf Schäffer einig, und wenn die deutsche Industrie da nicht mitziehe, so Yogeshwar, dann drohe ihr die Abwanderung nach Asien und der Niedergang so wie es einst mit der deutschen Unterhaltungsindustrie und TV-Marken wie Loewe oder Grundig passiert sei. Yogeshwar sagte, er sei natürlich als Wissenschaftsjournalist ein Fan von Technologieoffenheit, aber in diesem Falle müsse er anmerken, dass die von der FDP propagierten E-Fuels ein „ineffizienter Umweg“ seien, eine „nette Konstruktion, um am Alten festzuhalten“. Auch bei Wasserstoff als Antriebsmittel ist Yogeshwar skeptisch, mit einem Windrad könne man 1600 E-Autos fahren lassen, aber nur 600 Wasserstoffautos.
Ein Händler ohne E-Autos
„Wir hätten ja auch die Atomkraftwerke weiter laufen lassen können“, warf daraufhin der FDP-Mann Schäffer ein, was leichte Irritationen in der Runde auslöste, ebenso wie seine später gefallene Bemerkung, man müsse sich entscheiden: „Will man viele E-Autos oder viele deutsche Autos?“ Schäffer will das von der EU für 2035 geplante Aus für Neuwagen mit Verbrennermotor nicht akzeptieren, diese Flottenregulierung bedeute eine „Zwangstransformation der deutschen Wirtschaft“, sie müsse verändert werden.
Eingeladen als Mann von der Basis war der Autohändler Aleksandar Zec aus Stuttgart, der sich auch skeptisch zum Verbrenner-Aus äußerte, aber mit einer anderen Begründung: Dass die erst in zehn Jahren passiere verleite viele Kunden dazu, sich nochmal einen Verbrenner zuzulegen, bevor sie umstiegen auf Elektro, aber solch ein mit fossilem Brennstoff fahrendes Auto könne bei guter Pflege 350.000 bis 450.000 Kilometer lang halten. Er selbst hat auf seinem Hof 20 Verbrenner stehen, aber kein E-Fahrzeug, was zur von Klamroth eingespielten Statistik passt, das derzeit erst 2,9 Prozent des deutschen Fahrzeugbestandes reine E-Autos sind.
Abrupter Themenwechsel
Die Talkrunde vollzog dann einen abrupten Themenwechsel, es ging plötzlich um Mobilität in den Städten mit einer Mini-Reportage aus Amsterdam, wo Klamroth mal studiert hat und wo er die Radfahrerfreundlichkeit und das Herausdrängen der Autos aus der Stadt dokumentierte. Es müsse abschreckend sein, das Auto in der Stadt zu nehmen, sagte eine Stadtplanerin im Film. Und die als sechster Gast ins Studio geladene Sprecherin von „Changing Cities“, Ragnhild Sorensen, kritisierte ein privates Auto als „extreme Ressourcenverschwendung“. Autos stünden 96 Prozent der Zeit herum, sie seien eigentlich „Stehfahrzeuge“ und der wertvolle öffentliche Raum werde an sie „billig verschenkt“, zum Beispiel in Berlin mit zehn Euro fürs Anwohnerparken im Jahr. Die Städte bräuchten Mobilitätskonzepte, in der alle Teilnehmer gleichberechtigt seien.
Da war es dann Ranga Yogeshwar, der in einem Schlusswort nochmal den Blick auf die Nachrichtenlage des Tages lenkte: Drei größere Fabriken in Deutschland stünden zur Disposition und „phantastische Leute mit ihren Familien, die bangen jetzt, wo geht es hin?“ Man müsse jetzt weiterkommen, ökologisch und durch Innovationen und da seien alle Politiker in der Verantwortung an einem Strang zu ziehen: „Anstatt ständig Nebelbomben zu werfen, die die Bürger nur verunsichern.“