Landgericht Tübingen
Habeck als Vollidiot beschimpft: Ex-Richter verurteilt
35 Jahre hat ein Richter Recht gesprochen – zuletzt am Landgericht Stuttgart. Jetzt ist er pensioniert und verliert am Heimcomputer offenbar jedes Maß.
Von Eberhard Wein
Auf seinem Profilbild bei Facebook steht Werner H. an einer Bar, das Pilsglas in der Hand. Er lächelt freundlich. Im Hintergrund reihen sich sechs Zapfhähne. Vor 20 Jahren hätte H. seine böse Bemerkung über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vielleicht in der vergleichsweise intimen Atmosphäre einer Kneipe gemacht. „Dann hätte man ein Bier getrunken und alle wären heimgegangen“, sagt der Staatsanwalt. Doch die unendlichen Weiten des Internets sind kein Stammtisch. Habeck sei ein „Vollidiot“, „beliebt wie Hundekot, nur schwerer abzuschaben“, verbreitete H. dort per Facebook-Post und Massenmail. Neben zahlreichen Medien und Privatpersonen beglückte er auch staatliche Stellen, darunter die bayerische Staatskanzlei. Sie leitete das Pamphlet nach Baden-Württemberg weiter. Und deshalb sitzt er nun hier, auf der Anklagebank im Tübinger Landgericht.
Es ist ein besonderer, auch ein wenig peinlicher Prozess. Bis zu seiner Pensionierung war der heute 80-Jährige selbst Richter. Zuletzt saß er einer Zivilkammer des Stuttgarter Landgerichts vor. Einfühlsam und sachkundig sei er gewesen und habe auch von Rechtsanwälten immer viel Lob erhalten. Zu der „Endzwanzigerin“, die ihn im Mai am Reutlinger Amtsgericht in erster Instanz verurteilt hat, fällt ihm hingegen nichts Positives ein. Deshalb versucht er jetzt im Berufungsverfahren am Landgericht sein Glück. „Es kann nicht sein, dass ich verurteilt werde“, sagt er. Zwar habe er Habeck lächerlich machen wollen, doch dies sei zweifelsohne durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Und überhaupt: Habeck sei so unfähig, ihn könne man gar nicht mehr beleidigen.
„Schwachkopf“ in Bamberg
Die Beschimpfung von Politikern im Allgemeinen und von Robert Habeck im Besonderen sind gerade ein groß diskutiertes Thema. Anfang November hatte die Staatsanwaltschaft Bamberg sogar eine Hausdurchsuchung veranlasst, nachdem ein 64-Jähriger auf der Plattform „X“ den Grünen-Politiker als „Schwachkopf“ bezeichnet hatte.
Die Tübinger Staatsanwaltschaft hatte im Fall von Werner H. auf ein solch hartes Mittel verzichtet. Gleichwohl habe man ermittelt und dann bei Habeck förmlich den notwendigen Strafantrag eingeholt, sagte der Staatsanwalt. Das sei der normale Vorgang. „Es sind nicht die Politiker, die Bürger verfolgen, sondern es sind Bürger, die im Netz jede Hemmung verlieren. Meinungsfreiheit bedeutet nicht Beleidigungsfreiheit.“
Eine Hausdurchsuchung hätte den Prozess aber vielleicht doch vereinfacht. Denn wie im Bamberger Fall geht es auch hier neben der Beleidigung um Volksverhetzung. In einem Facebook-Post soll H. Anfang Januar 2023 Ausländer pauschal als „Kanaken“, „Vergewaltiger“ und „Abschaum“ bezeichnet haben. Facebook selbst leitete die entsprechenden Informationen an das Bundeskriminalamt weiter.
„So etwas schreibe ich nicht“
Doch H. bestreitet, diesen Post abgesetzt zu haben. Auch er halte das für Volksverhetzung. „Das ist nicht mein Stil.“ Und auch das zornige Emoji, das die Zeile beendet, belege dies. „So etwas habe ich noch nie verwendet.“ Andere Emojis gehören allerdings durchaus in sein Repertoire.
Dass jemand sein Konto nur für diesen einen Eintrag gehackt haben könnte – jemand, der ihm schaden wolle und sich jetzt tot lache –, wie H. vermutet, überzeugte schon nicht die junge Reutlinger Amtsrichterin und überzeugt auch nicht die Tübinger Berufungskammer. „Wer soll denn das gewesen sein? Die Grünen, Habeck, die Ausländer?“, fragt die vorsitzende Richterin im Urteil. Das Posting passe inhaltlich gut zu dem, was H. sonst von sich gelassen habe.
Im Ergebnis bestätigt sie das Strafmaß der Vorinstanz: 60 Tagessätze á 130 Euro (7800 Euro). Ungeachtet dessen hält der Ex-Richter seine politische Arbeit für einen Erfolg. „Wenn ich jetzt auf die politische Landschaft schaue, hat sich viel geändert“, sagt der bekennende AfD-Anhänger. Und juristisch lässt sich ja auch noch etwas machen. Die Revision am Oberlandesgericht steht ihm offen (Az.25 NBs 14 Js 22524/23 ).