„Hängende Köpfe bringen uns nicht weiter“

Interview Benedikt Röcker (32), beim Fußball-Regionalligisten Großaspach der neue Leiter Sport und Organisation, richtet den Blick nach dem bitteren 0:1 gegen Schlusslicht Schott Mainz schon wieder nach vorne. Am Samstag um 14 Uhr folgt beim FK Pirmasens das nächste Kellerduell.

Benedikt Röcker ist zuversichtlich, mit der SG Sonnenhof Großaspach den Weg aus dem Tabellenkeller doch noch zu finden.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Benedikt Röcker ist zuversichtlich, mit der SG Sonnenhof Großaspach den Weg aus dem Tabellenkeller doch noch zu finden.Foto: A. Becher

Offiziell sind Sie der „Leiter Sport und Organisation“, klingt sperrig. Griffiger wäre Sportchef oder Sportdirektor. Unabhängig vom Titel: Sind Sie der neue starke Mann im sportlichen Bereich?

Man kann es betiteln, wie man will. Es geht mir vor allem darum, meinen Teil dazu beizutragen, um in dieser Saison die Klasse zu halten und in Zukunft wieder attraktiven und erfolgreichen Fußball zu spielen.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den anderen Verantwortlichen und die Absteckung der Kompetenzbereiche aus?

Ich bin in einem sehr engen Austausch mit dem Trainerteam sowie mit Sportvorstand Michael Ferber. Auch unser früherer Sportchef Joannis Koukoutrigas steht mir für alle Fragen mit seinem Rat zur Verfügung, weil ich natürlich noch neu in dem Job bin. Ich sitze mittlerweile am Schreibtisch und nicht mehr, wie einst als Spieler, in der Kabine – das ist natürlich eine Veränderung, aber ich habe bereits als Spieler immer viel Verantwortung übernommen. Das tue ich jetzt auch, aber im organisatorischen und sportlichen Bereich. Das macht mir viel Spaß.

Haben Sie die enttäuschende 0:1-Heimpleite gegen Schott Mainz verdaut?

Ich war natürlich sehr enttäuscht, das war wohl jeder. Unsere Erwartungshaltung war groß, trotzdem geht mein Blick jetzt nach vorne. Das Trainerteam und die Mannschaft haben dieses Spiel aufgearbeitet, nun ist ein Haken dran. Es sind jetzt keine 14 Endspiele mehr, sondern nur noch 13. Die nächste wichtige Partie folgt schon am Samstag in Pirmasens und darauf liegt nun der volle Fokus. Hängende Köpfe und Trübsal blasen bringen uns nicht weiter, das weiß jeder.

Was sagen Sie, wenn jemand die provokante Frage stellt, gegen wen – wenn nicht gegen das Schlusslicht – die nötigen Punkte eingefahren werden sollen?

In der Liga kann jeder jeden schlagen. Wir haben gegen den Letzten verloren, aber die Mainzer haben es vor allem in der Defensive auch sehr gut gemacht. Es war von uns trotzdem zu wenig, vor allem in der zweiten Halbzeit. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit ein wenig Glück, das immer dazugehört, gegen jeden Gegner in dieser Liga Punkte holen können. Das haben wir in der Vergangenheit auch schon bewiesen und zum Beispiel zu Hause gegen Offenbach gewonnen. Das Matchglück müssen wir uns wieder erarbeiten und erzwingen und zudem auch mal wieder in Führung gehen, damit die Truppe ein Erfolgserlebnis im Spiel hat.

Im Winter kamen vier Neue, nur Lamar Yarbrough spielte noch nicht. Wie sahen Sie die Debüts von Sascha Mölders, Dominik Salz und Manuel Konrad?

Ich denke, dass alle drei Zugänge dem Spiel schon ihren Stempel aufgedrückt haben. Jeder auf seine Weise. Dominik Salz war unheimlich viel unterwegs und hat trotz ein paar anfänglich unglücklicher Aktionen viele Räume geschaffen, in die vor allem Sascha Mölders stoßen konnte. Ihm reichen oft 70- bis 80-prozentige Chancen, um insbesondere im Sechzehner brandgefährlich zu sein. Mit dem schon erwähnten Glück hätten wir in den ersten 30 Minuten bereits 1:0 oder 2:0 in Führung gehen können. Ich bin mir sicher, dass gerade die beiden Jungs im Sturm ihre Tore erzielen und wir uns letztlich mit der ganzen Mannschaft die nötigen Punkte sichern werden. Manuel Konrad hat im Mittelfeld ein sehr gutes Spiel gemacht. Er war unheimlich präsent und hat viele wichtige Zweikämpfe gewonnen, auch in der Luft. Der frische Wind durch die Zugänge tut uns gut, auch wenn wir die Euphorie und diese Aufbruchstimmung in der ersten Halbzeit nicht in Tore und somit leider nicht in Punkte ummünzen konnten.

Sie kümmern sich um Scouting und Kaderplanung. Heikle Bereiche, solange Sie nicht wissen, ob es in der Regionalliga oder Oberliga weitergeht, oder?

Stimmt, es ist keine einfache Situation. Vor allem, wenn man noch neu im Geschäft ist. Ich will aber meinem Job, meinem eigenen Anspruch und dem Anspruch des Vereins gerecht werden. Es gilt, sich optimal auf alle Eventualitäten vorzubereiten und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wann müssten Sie damit beginnen, zweigleisig zu planen?

Es ist erst ein Spiel gespielt. Es sind noch 13 Partien, in denen 39 Punkte vergeben werden. Solange wir das Ziel Klassenverbleib vor Augen haben, werden wir davon ausgehen und überzeugt sein, dass wir nächste Saison noch in der Regionalliga spielen, und deshalb aktuell auch für diesen Fall planen.

Sie sagten, Sie seien der SG Sonnenhof dankbar dafür, dass Sie Ihnen auf hohem Niveau den Einstieg in Ihre zweite Karriere ermöglicht. Besteht aber nicht auch die Gefahr, im Abstiegsfall gleich mit einem Makel behaftet zu sein?

So denke ich nicht. Ich persönlich und auch alle anderen Beteiligten rund um unseren Verein sind davon überzeugt, dass wir die Klasse halten werden. Ohnehin möchte ich meine persönliche Situation hintanstellen, denn die Situation des Vereins steht gerade an oberster Stelle und hat Priorität. Daher habe ich auch keine solchen negativen Gedankenspiele, ganz im Gegenteil: Ich versuche vielmehr, das Positive zu sehen.

Vier Punkte Rückstand auf Platz 15, der sehr wahrscheinlich zum Ligaverbleib reicht, sind bei noch 13 ausstehenden Spielen nicht die Welt. Haben Sie eine Hochrechnung angestellt, wie viele Zähler es für die Rettung braucht?

Nein, habe ich nicht. Ich weiß aus meiner eigenen Aktivenzeit, dass es sinnvoller ist, von Spiel zu Spiel zu schauen. Das mag wie eine Floskel klingen, aber es ist wirklich so. Jetzt zum Beispiel zu sagen, wir brauchen unbedingt sieben Siege oder zehn Siege, um die Klasse zu halten, baut nur unnötigen Druck auf. Wir tun gut daran, Spiel für Spiel anzugehen und uns voll auf jede einzelne Partie zu fokussieren, um dann zu sehen, was am Ende des Tages dabei rumkommt.

Sie haben als Profi selbst mehrmals Abstiegskampf erlebt. Was raten Sie den SG-Spielern vor der Partie in Pirmasens?

Es ist ganz wichtig in einer solchen Situation, eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, auch wenn es einfacher gesagt als getan ist. Mir hat es immer gutgetan, gemeinsam als Mannschaft gegen diese Situation und die Widerstände anzukämpfen. Das kann man nicht alleine, das geht nur als Einheit und das sage und rate ich den Jungs auch immer wieder. Man muss sich gegenseitig unterstützen und füreinander in die Zweikämpfe gehen. Wenn wir das tun, bin ich überzeugt davon, dass wir uns im Spiel wieder mit Erfolgserlebnissen belohnen und sich das später auch in der Tabelle bemerkbar macht.

Das Gespräch führte Steffen Grün.

Benedikt Röcker

Vereine Am 19. November 1989 in Bietigheim geboren, begann Benedikt Röcker bereits im zarten Alter von drei Jahren beim FV Löchgau mit dem Fußball. Er blieb seinem Heimatverein, der damals wie heute in der Landesliga um Punkte kämpfte, bis in den Aktivenbereich treu. 2009 wechselte der 1,97 Meter große Innenverteidiger zum Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach, im Januar 2011 zog es ihn zum damaligen Drittligisten VfB Stuttgart II. Anfang 2013 bekam er sogar einen Profivertrag, doch den dauerhaften Sprung in die erste Mannschaft schaffte er nicht. Im Januar 2014 ging Röcker zum Zweitligisten Spvgg Greuther Fürth, nach der Saison 2015/2016 wagte er den Sprung ins Ausland. Alexander Zorniger, der ihn schon in Großaspach trainiert hatte, lockte den Linksfuß zu Bröndby IF in die dänische Hauptstadt Kopenhagen. Die letzte Station als Profi war der SV Wehen Wiesbaden (2019 bis 2021), der in dieser Zeit von seinem Ex-SG-Mitspieler Rüdiger Rehm trainiert wurde.

Spiele Drei Erstliga-Einsätze mit insgesamt 108 Minuten sind Röckers Bilanz beim VfB Stuttgart, dazu kamen zwei Partien mit zusammen 92 Minuten in der Europa League. 95 Zweitliga-Duelle bestritt er für Fürth und für Wiesbaden, im Trikot der Franken gelang ihm „laut Sky“, so Röcker selbst, ein Rekord: Er avancierte zum Profi mit den meisten Zweitliga-Einsätzen am Stück über die vollen 90 Minuten. 68 waren es vom Februar 2014 bis zum Februar 2016, dazu kamen im Mai 2014 noch die beiden Relegationsspiele gegen den Hamburger SV (0:0, 1:1). Fürth verpasste den Bundesliga-Aufstieg nur haarscharf. Weitere Begegnungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: 81 Dritt- und 34 Regionalliga- sowie 4 DFB-Pokal-Spiele, 69 Partien in Dänemarks Oberhaus plus 20 Duelle in der Meisterrunde.

Familie Den Sport hat Benedikt Röcker in die Wiege gelegt bekommen. Unter anderem ist sein Vater Jürgen ein guter Volleyballer, holte mit der Ü 64 der TSG Backnang erst im November den deutschen Meistertitel und feierte mit den TSG-Seniorenteams bereits in den vorherigen Jahren viele Erfolge. Sein Cousin Julian Schuster bestritt 187 Erstliga-Spiele (2 für den VfB, den Rest für Freiburg). Sein anderer Cousin Robin Schuster spielte unter anderem fünfeinhalb Jahre für die SG Sonnenhof.

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Erstellt:
17. Februar 2022, 06:00 Uhr

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