Helfer vor Ort: Ersthelfer aus der Nachbarschaft

Ehrenamtliche aus DRK-Ortsvereinen helfen Leben zu retten und die Rettungskette zu ergänzen – Gewisse Reife erforderlich

Michael und Andreas Budig mit Defibrillator und Rettungsrucksack. Foto: DRK Sulzbach

Michael und Andreas Budig mit Defibrillator und Rettungsrucksack. Foto: DRK Sulzbach

SULZBACH AN DER MURR (pm). Es ist ein sonniger Tag im März, Familie Müller feiert ausgelassen den Geburtstag des 75-jährigen Großvaters. Plötzlich klagt der Großvater über starke Schmerzen in Brust und Oberbauch, ein massives Engegefühl und Übelkeit. Ganz klar: Das muss ein Herzinfarkt sein. Kurz darauf wird der 75-Jährige ohnmächtig, auch Puls und Atem werden schwächer.

Jetzt zählt jede Sekunde: Seine Tochter wählt die Notrufnummer 112 und wird mit der Leitstelle in Waiblingen verbunden. Sofort meldet sich ein Mitarbeiter, der nächste verfügbare Rettungswagen habe knapp zehn Minuten Anfahrtsweg. Damit aber trotzdem rechtzeitig geholfen werden kann, wird gleichzeitig Stefan Ludwig alarmiert. Er ist als Sanitäter ausgebildet und engagiert sich ehrenamtlich als sogenannter Helfer vor Ort (HvO) im Ortsverein Sulzbach des Deutschen Roten Kreuzes und wohnt nur ein paar Häuser von Familie Müller entfernt.

„Je schneller Hilfe kommt, umso höher sind die Überlebenschancen“

Ludwig arbeitet gerade in seinem Garten, als sein Melder piept: Notfall! Er macht sich sofort mit seinem Sanitätsrucksack und einem Defibrillator auf den Weg zu den Müllers. Schon nach zwei Minuten trifft er dort ein, erkundigt sich, was passiert ist und beginnt mit der Ersten Hilfe. Der Großvater hat inzwischen keinen regelmäßigen Puls mehr und atmet auch nicht mehr. Ludwig bittet die Tochter des Großvaters, den Defibrillator einzurichten und den Anweisungen des Geräts zu folgen, während er selber schon mit der Herzdruckmassage und der Beatmung beginnt.

Einige Minuten der Reanimation vergehen bis der Rettungsdienst und der Notarzt eintrifft. Diese bringen sofort die Elektroden des EKG-Geräts an und erkennen einen schwachen aber regelmäßigen Herzrhythmus. Sein Herz schlägt wieder und er wird nun schnellstmöglich für den Transport vorbereitet und in ein Krankenhaus transportiert. Der Notfallsanitäter bedankt sich bei Ludwig für seine schnelle und kompetente Hilfe als HvO. Ohne seinen Einsatz sähe es deutlich schlechter für den 75-Jährigen aus.

„Diese Situation ist keine Seltenheit und kann auch so in der Realität passieren“, so Michael Budig, Bereitschaftsleiter des Ortsvereins Sulzbach. Er kennt viele vergleichbare Fälle, beispielsweise als ein Mitarbeiter einer Firma vor Ort einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt. Durch die kurze Anfahrtszeit des Helfers vor Ort und die Nutzung eines Defibrillators konnte die Person nach kurzer Zeit wiederbelebt werden. „Bei vielen Notfallpatienten können schon nach kurzer Zeit schwere gesundheitliche Schäden vorliegen und die Überlebenschancen minimal sein“, sagt Budig. „Je schneller Hilfe kommt, umso höher sind die Überlebenschancen und die Möglichkeit, weitgehend ohne Folgeschäden einen Herzinfarkt zu überleben.“

Die meisten Einsätze treten zwar im privaten Umfeld, in der Wohnung, im Haus oder im Garten auf, regelmäßig kann es aber auch zu Alarmierungen in Firmen oder bei Verkehrsunfällen kommen. Verwandte, Bekannte oder andere Anwesende melden dann der integrierten Leitstelle des Rettungsdiensts/Feuerwehr im Rems-Murr-Kreis die Situation. Diese alarmiert dann bei bestimmten Einsatzstichworten neben dem Rettungsdienst noch die jeweiligen, für den Einsatzort registrierten ehrenamtlichen Helfer vor Ort mittels eines Piepsers. Sofort setzen sich die Helfer aus der Nachbarschaft in Bewegung und fahren mit ihrem privaten Auto ohne Blaulicht und Martinshorn zum Einsatzort.

Das System des Helfers vor Ort in Sulzbach wurde vor sieben Jahren durch Andreas Budig, der hauptamtlich im Rettungsdienst tätig ist, aufgebaut. Mittlerweile übernehmen elf Helfer des Ortsvereins Sulzbach primär in Sulzbach, Murrhardt und Großerlach Helfer-vor-Ort-Einsätze und kommen damit im Schnitt auf über 80 Einsätze im Jahr, in denen sie kompetente Hilfe leisten konnten, ein Schnitt von einem Einsatz fast alle fünf Tage. Dabei ist es egal, ob die Alarmierung morgens um 10 Uhr oder nachts um 3 Uhr ist.

„Wir werden immer alle zusammen alarmiert, aber jeder muss für sich entscheiden, ob eine Anfahrt Sinn macht, beispielsweise wenn man beim Einkaufen zehn Kilometer weiter weg ist oder ob man, wenn man um 1 Uhr nachts bereits bei einem Notfall war, um 3 Uhr erneut rausgeht“, erläutert Notfallsanitäter Andreas Budig, der durch seine rettungsdienstliche Ausbildung für die Weiterbildung der Helfer verantwortlich ist. Für die HvO-Tätigkeit müssen die Helfer neben ihrer sanitäts- oder rettungsdienstlichen Ausbildung auch eine gewisse Reife mitbringen, ehe sie speziell als Helfer vor Ort ausgebildet werden, erklärt Michael Budig.

„Wir brauchen Hilfe, um

helfen zu können“

Der ehrenamtliche Helfer vor Ort stellt eine erweiterte Hilfeleistung zwischen Ersthelfer und Rettungsdienst dar, betreut Angehörige und leistet Erste Hilfe am Einsatzort. Hier bietet sich das DRK mit seiner im Rems-Murr-Kreis flächendeckenden Präsenz und entsprechenden Ausbildung der Aktiven in den Bereitschäften an.

Der Dienst Helfer vor Ort wird der Bevölkerung kostenlos angeboten. Sämtliche Kosten, die aufgrund der Teilnahme an diesem Dienst entstehen, trägt der jeweilige DRK-Ortsverein. Hierzu gehören beispielsweise die Anschaffung neuer Materialien für die HvO-Rucksäcke, Sauerstoffflaschen, Kleidung und mehr. Dass dies nicht jeder Ortsverein selbst stemmen kann, ist klar. „Aus diesem Grund sind für uns Spenden die wichtigste Einnahmequelle, um auch in Zukunft helfen zu können. Deshalb brauchen wir Hilfe, um helfen zu können“, erklärt Michael Budig.

Infos gibt es unter www.ov-sulzbach.drk.de.

Zum Artikel

Erstellt:
6. Mai 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Murrhardt und Umgebung

Vereinstreue und Gesangskraft: Der Liederkranz wächst wieder

Der Murrhardter Verein mit seinem Chor Da Capo sieht sich auf gutem Weg. Bei der Mitgliederversammlung werden langjährige Mitglieder geehrt, bei den Wahlen treten viele wieder an.

Murrhardt und Umgebung

Von fairem Kaffee bis Sonnenstrom

Die Diakonie ambulant – Gesundheitsdienste Oberes Murrtal hat sich vor rund einem Jahr als „Faire Einrichtung“ auf den Weg gemacht. Sie setzt ihr Engagement fort, bei dem es auch darum geht, weitere Ansatzpunkte zu finden und das Thema nach außen sichtbar zu machen.