Engpass bei Blutkonserven

„Hitze ist beim Blutspenden kein Problem“

Im Sommer gehen deutlich weniger Menschen zur Blutspende. Das führt zu Engpässen. Experten rufen daher dringend zum Spenden auf. Martin Oesterer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) erklärt, warum Hitze kein Problem ist – und wieso es beim DRK kein Geld fürs Spenden gibt.

In den Sommerferien bleiben die Liegen bei der Blutspende oft leer – das ist ein Problem.

© Imago/Bihlmayerfotografie/Michael Bihlmayer

In den Sommerferien bleiben die Liegen bei der Blutspende oft leer – das ist ein Problem.

Von Viviana Bastone

Täglich werden in Deutschland bis zu 15 000 Transfusionen benötigt. Derzeit haben aber viele Bundesländer Sommerferien, auch Baden-Württemberg. Das bedeutet für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) leere Liegen – und es führt jedes Jahr zu Versorgungsproblemen. Man brauche dringend mehr Spender, sagt Martin Oesterer vom DRK im Interview. Auch im Sommer.

Herr Oesterer, spenden die Deutschen genügend Blut?

Generell ist die Bereitschaft da, aber sie ist deutlich ausbaufähig. Wir haben als Kriterium die so genannte Spenderdurchdringung, mit der wir messen, wie viel Prozent der spendefähigen Bevölkerung über 18 regelmäßig spendet. Sie liegt in Deutschland, je nach Region, bei drei bis vier Prozent.

Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Großteil nicht spendet.

Ja, das stimmt. In den ländlichen Regionen ist die Zahl allerdings höher, da ist Blutspenden Teil des sozialen Lebens. In städtischen Regionen ist das anders. Die Spendedurchdringung liegt dort eher bei 0,5 bis ein Prozent. Das merken wir vor allem in Großstädten wie Berlin, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart.

Wie setzen sich die Spenderinnen und Spender zusammen?

Wir wissen, dass mehr Männer spenden gehen: In Baden-Württemberg sind 57 Prozent Männer und 43 Prozent Frauen. Das lässt sich auch erklären. Männer dürfen bis zu sechsmal im Jahr spenden, Frauen nur viermal. Denn in der Regel haben sie eine geringere Blutmenge und zudem niedrigere Eisenwerte. Was das Alter betrifft: Der Erstspender ist hierzulande um 31. Zum Hintergrund: Das Durchschnittsalter in Baden-Württemberg liegt bei 45, also höher, als man vermuten würde.

Was hat das für Konsequenzen?

Uns wird bald der demografische Wandel herausfordern: Boomer, also Menschen, die in den 50er- und 60er-Jahren geboren wurden, werden vom Spender eher zum Empfänger, brauchen also selbst Blutkonserven. Wenn dieses Klientel wegfällt, das bisher ein Viertel aller Spender ausmacht, benötigen wir dringend Nachwuchs, auch aus der so genannten Gen Z, sprich bei den 20- bis 30-Jährigen.

Könnte Geld ein Ansporn sein? Im Krankenhaus bekommt man was fürs Spenden. Warum nicht beim DRK?

Die Blutspende beim DRK sollte freiwillig sein und unentgeltlich bleiben. Quasi als persönliches, soziales Engagement, so wie es Hunderttausende ja bereits vorgemacht haben. Eine Bezahlung birgt außerdem das Risiko, dass man Menschen animiert, die Geld brauchen und daher bei der Beantwortung der Sicherheitsfragen flunkern – mit negativen Folgen für den Empfänger. Wir geben zwar gern mal ein kleines Gimmick mit, das Wertschätzung zeigen soll. Grundsätzlich haben wir aber eher ein Verteilungsproblem: Zu bestimmten Jahreszeiten, etwa in den Sommerferien, kommen viel weniger Leute zu uns.

Warum bleiben die Liegen leer?

Da möchte ich drei Punkte nennen: Wer schulpflichtige Kinder hat, geht zu der Zeit als Familie in den Urlaub. Dazu kommen die Fernreisenden. War jemand etwa in Kenia oder Indien, also in Malariagebieten, wird er ein halbes Jahr zurückgestellt. Nur so kann man das Risiko einer verseuchten Blutspende umgehen, denn Malaria nachzuweisen braucht Zeit. Auch diese Menschen fehlen somit meist in den Sommermonaten. Und dann haben manche wohl auch das Gefühl, dass Blutspenden im Sommer gefährlich ist, wegen der Hitze.

Ist da was dran?

Da habe ich ein dickes, fettes Nein. Natürlich muss man auch beim Spenden vernünftig sein. Bei 35 Grad geht man schließlich auch nicht um 12 Uhr mittags joggen. Es kann immer passieren, dass der Kreislauf in den Keller rutscht. Davor ist man aber sommers wie winters nicht gefeit. Die Sommermonate sind somit in keiner Weise bedenklicher.

Was muss man im Sommer beachten?

Es ist immer wichtig, vorher genug zu trinken, aber vor allem im Sommer. Zwei Liter sind optimal. Man sollte auf keinen Fall nüchtern kommen, also nicht hungrig sein. Zudem sollte man sich natürlich gesund fühlen, egal zu welcher Jahreszeit. Wer etwa Heuschnupfen oder eine leichte Sommergrippe hat, sollte sich lieber schonen – und den Körper nicht zusätzlich belasten. Von einem vorhergehenden Power-Workout raten wir ebenfalls ab. Für danach gilt: Man spendet da einen halben Liter Blut! Das hat sich zwar nach 24 Stunden regeneriert, trotzdem sollte man kürzertreten. Das heißt, auch danach nicht sofort wieder ins Fitnessstudio rennen.

Warum sind Spenden im Sommer überhaupt wichtig?

Die DRK-Blutspendedienste sind verantwortlich für die flächendeckende, für viele Patienten überlebenswichtige Versorgung mit Blutpräparaten an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr. Im Sommer finden genauso viele Unfälle statt, es gibt genauso viele Krebspatienten, die versorgt werden müssen, und es gibt genauso viele Operationen und Transplantationen. Sprich: Da gibt es keine Sommerpause, der Bedarf ist gleichbleibend hoch. Deswegen müssen wir sicherstellen, dass die Spendebereitschaft das ganze Jahr über hoch bleibt.

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Info

Zur PersonMartin Oesterer arbeitet seit sechs Jahren beim Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Mannheim als Bereichsleiter für „Spenderbeziehungsmanagement und Kommunikation“. Sein Job macht ihm deshalb Spaß, weil er jeden Tag sagen kann: „Durch meine Arbeit trage ich ein wenig dazu bei, Leben zu retten.“

BedarfTäglich werden in Deutschland bis zu 15  000 Blutspenden benötigt, vor allem in der Intensivmedizin, bei Operationen und in der Krebstherapie. Jedes Jahr kommt es im Sommer und vor allem in der Hauptferienzeit zu Engpässen in der Blutversorgung. Auch beim DRK, das normalerweise zwischen 70 und 75 Prozent aller Blutkonserven in Deutschland liefert.

EngpassIm Sommer verreisen viele – und fehlen daher beim Spenden. Auch wenn sie daheim bleiben, fallen viele Menschen aus, weil sie ihre Freizeit lieber anders verbringen. Große Sportereignisse wie kürzlich die Fußball-EM oder jetzt die Olympischen Spiele machen sich ebenfalls bemerkbar. Das führt zu Engpässen. Blutbanken können nur bedingt Lager aufbauen, denn Blutprodukte haben eine begrenzte Haltbarkeit. Das DRK fordert daher auch im Sommer zum Blutspenden auf.

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Erstellt:
5. August 2024, 12:10 Uhr

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