„Ich bleibe dabei: Erst mal beruhigen“

Interview Abdelkarim steht als marokkanischem Bielefelder und südländischem Ostwestfalen mit nordafrikanischer Herkunft ein Maximum an Himmelsrichtungen zur Verfügung und er schätzt den ruhigen Blick auf die Dinge. Der Comedian ist beim Murrhardter Sommerpalast zu Gast.

Abdelkarim war bereits oft im Schwabenland und hat dabei auch schon mal einen echten Insidertipp bekommen, nämlich dass er mit der Bestellung „LKW mit ABS – Leberkäsweckle mit a bissle Senf“ gehörig Eindruck schinden kann. Foto: Guido Schröder

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Abdelkarim war bereits oft im Schwabenland und hat dabei auch schon mal einen echten Insidertipp bekommen, nämlich dass er mit der Bestellung „LKW mit ABS – Leberkäsweckle mit a bissle Senf“ gehörig Eindruck schinden kann. Foto: Guido Schröder

Sie schauen als Kabarettist gerne von außen auf absurde Situationen und den alltäglichen Wahnsinn. Wie lässt sich die Haltung, zurückzutreten und das Skurrile, Unlogische oder auch mehr oder weniger versteckte Vorurteile zu sehen, trainieren?

Ich hab das nie trainiert. Ich hab schon als Kind gerne geguckt, was um mich herum passiert.

Würden Sie sagen, dass Sie als Sohn marokkanischer Eltern, geboren und aufgewachsen in Bielefeld, da einen Vorsprung haben?

Ein Vorsprung eher nicht, aber natürlich habe ich durch meinen Lebenslauf Einblicke in die ganze Welt. Als marokkanischer Bielefelder bin ich ein südländischer Ostwestfale mit nordafrikanischer Herkunft. Mehr Himmelsrichtung geht nicht. Und ich erlebe oft Sachen, die andere Deutsche nicht erleben. Ich werde ab und an gefragt, ob ich Gras besorgen kann. Verkäufer haben immer Angst, dass ich beim Preis noch runterhandeln möchte. Und ich schaffe es immer wieder, mit Vorurteilen aufzuräumen. Viele glauben zum Beispiel, dass alle Südländer tanzen können. Seit meiner Teilnahme bei „Let’s Dance!“ glaubt das keiner mehr.

In Wikipedia ist zu lesen, dass Sie nach dem Abitur Germanistik und Islamwissenschaft studiert haben und später zu Jura gewechselt sind. Welches Fach wäre es heute nach so langjähriger Berufserfahrung als Kabarettist?

Mein Traumjob Fußballprofi wäre heute genauso unrealistisch wie früher. Daher würde ich auch heute wieder studieren. Sehr wahrscheinlich Jura. Wir hatten an der Uni viele lustige Professoren mit Entertainmentqualitäten. Jura ist nicht so trocken, wie viele befürchten. Außerdem ist mein Vater davon überzeugt, dass wir unbedingt einen Anwalt in der Familie brauchen. Aus Gründen.

Es gibt die Überlegung, dass Humor dann richtig zündet, wenn er auch eine schmerzhafte Wahrheit thematisiert. Lässt man außen vor, dass schon der Begriff problematisch ist: Was wäre Ihre aktuell schmerzhafteste Wahrheit?

Meine aktuell schmerzhafteste Wahrheit: Ich werde bei einem Interview gesiezt. Außerdem verdichten sich die Anzeichen dafür, dass das Internet eine geniale Erfindung ist, für die wir Menschen aber noch nicht bereit sind.

Beim Sommerpalast in Murrhardt präsentieren Sie das Beste aus Ihren drei Programmen „Zwischen Ghetto und Germanen“, „Staatsfreund Nr. 1“ und „Wir beruhigen uns“. Inwieweit haben die behandelten Themen und Geschichten auch einen zeitlosen Charakter?

Tagesaktuelle Themen von 2017 haben es nicht ins Best-of geschafft. Ich habe versucht, nur Themen im Best-of zu haben, die auch im Jahr 2024 die Menschen beschäftigen. Zum Beispiel die Frage, was man meint, wenn man sagt: „Jetzt beeil dich doch mal langsam!“ Was können Gymnasien von Hauptschulen lernen? Und eine Frage, deren Beantwortung vor allem heute allen Menschen in Deutschland helfen würde: Wie hat es Angela Merkel zu ihrer Zeit geschafft, Friedrich Merz im Niemandsland zu halten?

Obwohl Ihr Programm „Wir beruhigen uns“ schon seit 2021 läuft, hat man den Eindruck, dass die Stimmung in Deutschland immer aufgeheizter wird, wenn man beispielsweise den vergangenen Wahlkampf und auch die Wahlergebnisse anschaut. Wie halten Sie dagegen beziehungsweise haben Sie auf Tour etwas dabei, um sich bei Bedarf kurzfristig selbst zu beruhigen?

Mein Appell hat anscheinend nicht alle Menschen beruhigen können, obwohl ich mein Programm immer wieder an neue Entwicklungen angepasst habe. Aber ich bleibe dabei: Gerade in schwierigen Zeiten, in denen es unzählige Gründe gibt, um sich berechtigt aufzuregen, könnte es helfen, sich erst einmal zu beruhigen. Das erleichtert die Suche nach Lösungen. Und wenn man keine Lösung findet, kann man sich ja immer noch aufregen.

Ein Großteil Ihrer Programme besteht aus Alltagsgeschichten. Was war das Lustigste, das Ihnen je bei einem Auftritt passiert ist?

Aus lustigen Geschichten, die mir bei Auftritten passiert sind, könnte ich ein ganzes Buch schreiben. So richtig mit Vorwort, Inhaltsverzeichnis und dem ganzen Gedöns. Einmal zum Beispiel wollte ein Veranstalter mich unbedingt auf der Bühne ankündigen. Er ging auf die Bühne und sagte: „Den Comedian heute habe ich nachts beim Rumzappen entdeckt. Ich finde ihn sehr lustig, aber das ist natürlich Geschmackssache. Viel Spaß mit Abdelkarim!!!“ Seitdem habe ich immer leichte Panikattacken, wenn sich ein Veranstalter das Mikrofon schnappt, weil er sich was überlegt hat.

Im Juli werden Sie, wie gesagt, beim Sommerpalast in Murrhardt auftreten. Dort sprechen viele Menschen Schwäbisch. Wie bereiten Sie sich vor?

Mit Vorfreude. Ich war ja schon sehr oft im Schwabenland und es macht da immer großen Spaß. Und wenn die Menschen da wollen, dass ich sie verstehe, dann haben sie das bisher immer geschafft. Ich hab da schon viele schöne Gespräche mit Zuschauern gehabt. Es gab sogar mal einen Insidertipp. Ein Zuschauer sagte mir: „Wenn du bei uns nicht als Tourist auffallen möchtest, bestellst du nicht ,Leberkäsweckle‘, sondern du benutzt die Abkürzung ,LKW‘. Und wenn du richtig Eindruck machen willst, setzt du noch einen drauf und sagst ,LKW mit ABS - Leberkäsweckle mit a bissle Senf‘.“

Wie sollten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Abend vorbereiten?

Am besten so wie immer, wenn sie einen schönen Abend haben wollen. Es ist wie in der Fahrschule: Nicht bei der Fahrprüfung auf einmal neue Sachen ausprobieren! Und macht euch keine Sorgen, eure Handys sind sicher, ich bin ja auf der Bühne.

Die Fragen stellte Christine Schick.

Kartenverlosung für die Vorstellung

Gewinnspiel Unsere Zeitung verlost dreimal zwei Tickets für die Vorstellung mit Abdelkarim beim Sommerpalast am Samstag, 20. Juli, um 20 Uhr in Murrhardt. Um an dem Gewinnspiel teilzunehmen, sendet man eine E-Mail unter dem Stichwort „Abdelkarim“ mit dem eigenen Namen, der Adresse und Telefonnummer bis Mittwoch, 3. Juli, 12 Uhr an gewinnspiel@bkz.de. Die Gewinner erklären sich mit der Veröffentlichung ihres Namens einverstanden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden in der Zeitung veröffentlicht und erhalten vom Veranstalter die Tickets per E-Mail.

Sommerpalast Der Sommerpalast in Murrhardt findet vom 17. bis 21. Juli im Stadtgarten Murrhardt statt. Die Kinderveranstaltungen und der Kabarettabend mit Alfons am Mittwoch, 17. Juli, sind bereits ausverkauft. Die weiteren Gäste und Informationen rund ums Programm inklusive der Möglichkeit, Tickets zu kaufen, finden sich im Internet unter www.sommerpalast.de.

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Erstellt:
27. Juni 2024, 06:00 Uhr

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