Julian Leist von den Stuttgarter Kickers
„Ich will den jungen Spielern die Kickers-DNA vermitteln “
Julian Leist will als Übergangskoordinator jungen Spielern die Kickers-DNA einimpfen. Wie der Ex-Profi das anstellen will, auf welche Werte er besonderen Wert legt und warum ihn Hermann Gerland ans Kopfballpendel schickte, verrät der 37-Jährige im Interview.

© Baumann/Hansjürgen Britsch
Julian Leist hat eine klare Vorstellung, wo der Weg der Kickers hingehen soll.
Von Jürgen Frey
Die Stuttgarter Kickers legen verstärkt Wert auf die Integration junger Spieler ins Regionalliga-Team. Julian Leist spielt dabei als Übergangskoordinator eine wichtige Rolle. Was seine Aufgaben und Ziele sind, sagt er vor dem Heimspiel an diesem Samstag (14 Uhr/Gazi-Stadion) gegen Kickers Offenbach.
Herr Leist, wie ärgerlich fanden Sie die 1:2-Niederlage der ersten Mannschaft beim TSV Steinbach Haiger?
Grundsätzlich ist jede Niederlage ärgerlich. Es waren und werden hart umkämpfte Spiele, bei denen Kleinigkeiten entscheiden. Diese gilt es nun aufzuarbeiten und besser zu machen.
Wie ist Ihre Tätigkeit als Übergangskoordinator angelaufen?
Gut, es freut mich natürlich sehr, wenn Eigengewächse wie Leon Neaime, Nevio Schembri oder Mario Borac nicht nur im Kader der ersten Mannschaft dabei sind, sondern eben auch häufig erfolgreich am Ball sind. Ansonsten habe ich mich gut in die verschiedenen Themen eingearbeitet.
„Offenes Ohr für jeden“
Die da wären?
Da geht es um die Kaderplanung für die U 17 und U 19. Um Schulbefreiungen für Spieler, die am Frühtraining teilnehmen. Oder um Absprachen über die Einsatzzeiten am Sonntag in der U 19, wenn ein Spieler wie Oskar Hencke samstags bei der ersten Mannschaft gespielt hat. Generell bin ich bei vielen Trainingseinheiten sowie Spielen dabei und habe ein offenes Ohr für jeden. Egal, welches Problem auftritt.
Das klingt nach sehr viel Kommunikation.
Das ist tatsächlich so. Neben den Gesprächen mit Spielern und Trainern sind NLZ-Chef Norbert Stippel und Sport-Geschäftsführer Lutz Siebrecht meine Hauptansprechpartner. Wir tauschen uns praktisch täglich aus und sind uns einig, dass gute Leistungen grundsätzlich belohnt werden. Der Kader der ersten Mannschaft soll also nicht zu aufgebläht sein, damit Jugendspieler immer wieder einmal auch am Training der ersten Mannschaft teilnehmen können. Die Youngster sollen Druck auf die Etablierten machen. Aber klar ist auch: Nur mit Jugend forsch geht es nicht. Man braucht immer eine gesunde Mischung. Und noch eines ist mir besonders wichtig.
„Spieler sollen die Wurzeln kennen“
Bitte!
Ich halte es für unabdingbar, den jungen Spielern die Kickers-DNA zu vermitteln. Da wird schon mal ein Fragebogen verteilt. Jeder sollte wissen, was die drei Sterne im Kickers-Emblem bedeuten. Jedem, der fast täglich in den ADM-Sportpark kommt, sollte klar sein, welche Bedeutung ADM für den Club hat. Was ich damit sagen will: Die Spieler sollen die Wurzeln kennen, diese Tugenden sollen sich auf den Platz übertragen. Ohne Identifikation, ohne Mentalität geht es bei einem Verein wie den Kickers nicht. Wir haben nun mal nicht die Möglichkeiten wie der VfB oder Hoffenheim.
Das heißt?
Wir müssen uns über unsere Werte definieren, uns zerreißen, noch härter trainieren, noch intensiver an den Basics arbeiten. Eine gelungene Grätsche darf und soll man mit einer geballten Faust gerne feiern. Hier in Degerloch müssen wir die Fans mit ins Boot kriegen, Wucht und Dynamik entwickeln. Dann steigen die Chancen für die erste Mannschaft, dann haben wir mit der U 17 oder der U 19 auch gegen die Großen eine Chance, dann laufen wir auch gegen den FC Bayern hoch und mutig an und lassen uns nicht abschlachten. Das muss in die Köpfe rein.
Wenn es so einfach wäre. Wie gelingt Ihnen das?
Ein Handy-Verbot 30 Minuten vor und nach dem Training erachte ich für sinnvoll. Das ist eine Kleinigkeit, schärft aber den Fokus. Ich gebe auch Denkanstöße in verschiedenen Bereichen. Wir wollen keine aalglatten Spieler, aber ich appelliere an die Eigenverantwortung der Spieler, was soziale Netzwerke, aber auch das Thema Ernährung betrifft.
Wie sehr profitieren Sie aus Ihrer eigenen Profi-Erfahrung, etwa beim TSV 1860 München II oder dem FC Bayern II?
Das hilft schon sehr. Wenn ich da etwa nur an Hermann „Tiger“ Gerland denke. Er hat mich ans Kopfballpendel geschickt. Trotz meiner 1,92 Meter gab er mir mit auf den Weg, mehr und härter für mein Kopfballspiel zu arbeiten. Der Ton war rau, und mit 22, 23 denkst du dir, muss das sein, aber ab und zu braucht es eben auch klare Ansagen. Mir hat das im Endeffekt garantiert nicht geschadet.
Wie lautet Ihr Tipp gegen den OFC?
Da kommt sicher eine starke Mannschaft zu uns, jedoch muss uns unsere Heimbilanz Mut machen. Wenn wir die Grundtugenden gepaart mit Spielfreude auf den Platz bringen, werden wir das Spiel erfolgreich gestalten können. Mein Tipp: Heimsieg!
Zur Person
Karriere Julian Leist wurde am 11. März 1988 in Stuttgart geboren. Nach der Zeit in der Jugend und in der zweiten Mannschaft der Stuttgarter Kickers wechselte der Abwehrspieler zum TSV 1860 München II (2008 bis 2010) und zum FC Bayern II (2010/11). Von 2011 bis 2014 spielte er wieder für die Kickers. Von 2014 bis 2021 war Leist bei der SG Sonnenhof Großaspach am Ball. Danach kam er erneut zurück nach Degerloch und beendete 2023 seine aktive Karriere. Er arbeitete in der Kickers-Fußballschule und als U-19-Co-Trainer. Seit 1. Februar 2025 ist der Uefa-A-Lizenz-Inhaber als Übergangskoordinator tätig.
Persönliches Leist hat bei der Garmo AG eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann abgeschlossen. Er ist verheiratet mit Julia. Das Paar hat die Söhne Lukas (4) und Niklas (2). (jüf)