Steigende Umsätze der Rüstungskonzerne
Immer mehr Waffen für eine unsichere Welt
Kriege an sich, aber auch ihr Verhindern sind ein ruinöses Unterfangen. Immer mehr Geld wird für das Militär ausgegeben und das weltweit. Forscher sehen dafür erkennbare Gründe.
Von Markus Brauer/AFP
Die weltweiten Militärausgaben haben im Jahr 2023 wieder einen neuen Höchststand erreicht. Mit für diesen beispiellosen Anstieg verantwortlich seien vor die allem bewaffneten Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die gewachsenen Spannungen in Asien, heißt es im neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, der am Montag (2. Dezember) veröffentlicht worden ist.
#MiddleEast arms producers see revenue growth linked to Gaza, Ukraine conflicts. With the outbreak of war in #Gaza, the arms revenues of the three companies based in Israel in the #Top100 reached $13.6 billion. Turkish firms recorded +24% to $6b, boosted by exports and… pic.twitter.com/mNHqyadZx6 — SIPRI (@SIPRIorg) December 2, 2024
Mehr Mitarbeiter eingestellt
Die Einnahmen der 100 größten Rüstungsunternehmen stiegen im Jahr 2023 auf zusammen 632 Milliarden Dollar (597 Milliarden Euro) an – ein Plus von 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Es sei davon auszugehen, dass sich der Anstieg der weltweiten Umsätze im Rüstungsgeschäft auch im laufenden Jahr fortgesetzt habe, erklärt der Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato. Viele Unternehmen der Branche hätten Offensiven zur Einstellung weiteren Personals lanciert. „Was darauf hindeutet, dass sie hinsichtlich künftiger Umsätze optimistisch sind“.
Steigerung um 6,8 Prozent gegenüber 2022
Im Jahr 2022 waren die Verkaufszahlen der weltgrößten Rüstungsproduzenten noch zurückgegangen. Viele von ihnen hatten laut Sipri Schwierigkeiten, der steigenden Nachfrage nachzukommen. 2023 hätten dann viele dieser Unternehmen ihre Produktion steigern können.
Bereits im April hatte das Stockholmer Institut berichtet, dass 2023 die weltweiten Militärausgaben auf ein Allzeithoch gestiegen seien. Demnach wurden insgesamt rund 2,4 Billionen Dollar für Rüstungsgüter ausgegeben, was eine Steigerung um 6,8 Prozent im Vergleich zu 2022 bedeutete.
So ist die Auftragslage in den einzelnen Weltregionen
USA: Laut dem neuen Sipri-Bericht verzeichneten die US-Unternehmen unter den 100 weltgrößten Rüstungsproduzenten vergangenes Jahr einen Anstieg ihrer Umsätze von im Schnitt 2,5 Prozent. Unter den 100 Unternehmen sind 41 aus den USA. Die zwei weltgrößten Waffenproduzenten, die US-Konzerne Lockheed Martin and RTX (früher Raytheon Technologies) verzeichneten dem Report zufolge jedoch Umsatzrückgänge von 1,6 Prozent beziehungsweise 1,3 Prozent.
Europa: In Europa erzielten die größten Rüstungsunternehmen laut Sipri einen durchschnittlichen Umsatzzuwachs von nur 0,2 Prozent. In Russland legte demnach indessen der Umsatz des staatlichen Rüstungskonzerns Rostec um satte 49 Prozent zu – was zeigt, wie sich die russische Wirtschaft in den vergangenen Jahren zunehmend auf den Krieg gegen die Ukraine ausgerichtet hat.
Naher Osten: Im Nahen Osten wurde die Rüstungsbranche 2023 sowohl durch den Ukraine-Krieg als auch durch den im Oktober vergangenen Jahres von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas mit ihrem Überfall auf Israel entfachten Gaza-Krieg angeschoben. Um im Schnitt 18 Prozent stiegen dem Bericht zufolge in dieser Region die Umsätze der größten Rüstungsproduzenten. Die drei israelischen Firmen in der Liste verzeichneten demnach Umsätze von zusammen 13,6 Milliarden Dollar, 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Asien: In Asien wiederum wurde der Trend zu einer neuen Aufrüstung laut Sipri unter anderem durch die starken Geschäftszuwächse der vier südkoreanischen Hersteller in der Liste ersichtlich. Deren Umsätze stiegen den Angaben zufolge um durchschnittlich 39 Prozent. Die fünf japanischen Unternehmen in der Liste hätten Umsatzzuwächse von im Schnitt 35 Prozent verzeichnet.
China: Hingegen nahmen die Verkäufe der neun chinesischen Unternehmen unter den 100 weltgrößten Rüstungsproduzenten dem Stockholmer Institut zufolge im Schnitt nur leicht um 0,7 Prozent zu. Gleichwohl erzielten sie einen Gesamtumsatz von 103 Milliarden Dollar.
Der jährlich erscheinende Sipri-Bericht zu den Militärausgaben in aller Welt gilt als weltweit umfassendste Datensammlung dieser Art. Die Friedensforscher zählen auch Aufwände für Personal, Militärhilfen sowie militärische Forschung und Entwicklung zu den Ausgaben.
Info: Was Verteidigung im Frieden kostet
Teure SicherheitDie Welt sei in ein „höchst unbeständiges Sicherheitsumfeld“ eingetreten, das anhalten werde, heißt es im Jahresbericht zum militärischen Gleichgewicht („The Military Balance 2024“) britischen Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS). In der Folge könnten die weltweiten Militärausgaben in diesem Jahr auf einen Rekordwert steigen.
NatoInsgesamt betrugen die Militärausgaben der Nato im Jahr 2022 rund 1,175 Billionen Dollar (1,09 Billionen Euro). Davon entfielen gut 822 Milliarden Dollar (762 Milliarden Euro) auf die USA und 353 Milliarden Dollar (327 Milliarden Euro) auf die übrigen 29 NATO-Staaten entfallen.
USA Der Verteidigungsetat der USA beträgt 2024 insgesamt 886 Milliarden Dollar (knapp 825 Milliarden Euro). Deutschland gibt 2024 rund 71 Milliarden Euro für Verteidigung aus.
Russland/ChinaRussland und China investieren den Experten zufolge mittlerweile mehr als 30 Prozent ihrer Staatsausgaben in die Verteidigung, während der Westen die Produktion von Raketen und Munition nur langsam erhöht.
KriegskostenWas kriegerische Konflikte generell kosten, haben Forscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel und der Universität Tübingen ermittelt. Dafür haben sie die Daten von mehr als 150 Kriege seit 1870 ausgewertet.
Betroffenes LandAm meisten zu leiden hat der Analyse zufolge das Land, in dem ein Waffengang ausgetragen wird. So würden enorme Sachwerte (der sogenannte volkswirtschaftliche Kapitalstock) zerstört, die Wirtschaftsleistung breche um durchschnittlich 30 Prozent ein, die Inflation steige um rund 15 Prozentpunkte über fünf Jahre.
NachbarländerAuch die Nachbar- sowie Drittländer zahlen laut „Kiel Policy Brief“ „The Price of War“ aufgrund höherer Inflation und niedrigeren Wachstums einen hohen Preis. Demnach fällt das Bruttoinlandprodukt (BIP: die gesamtwirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft) nach fünf Jahren durchschnittlich um zehn Prozent, während die Inflation um fünf Prozentpunkte steigt.
Entferntere LänderFür weiter entfernte Länder könnten die Effekte allerdings positiv sein: „Es gibt auch in der Weltwirtschaft Gewinner und Verlierer von Kriegen“. heißt es in der Analyse.
Zwischenstaatliche Kriege„Die Berechnungen beruhen auf den Kosten ‚typischer‘ zwischenstaatlicher Kriege in der Vergangenheit. Je nach Dauer und Intensität des Krieges sind weniger oder mehr schwerwiegende Szenarien denkbar“, erklärt Jonathan Federle vom IfW Kiel. „Die von uns berechneten Übertragungseffekte auf andere Länder berücksichtigen vor allem die durch geografische Nähe bedingten Handelsverflechtungen und die Größe der jeweiligen Volkswirtschaft, in der ein Krieg ausbricht.”