Stimmung in Feuerbach und Schwieberdingen

Ingenieur 29 Jahre bei Bosch – „Erkenne plötzlich meine Firma nicht mehr“

Bosch baut massiv Stellen im Bereich Forschung und Entwicklung ab, oder kürzt dort Arbeitszeit. Wie reagieren die Betroffenen? Antworten gibt es an den Standorten Schwieberdingen und Feuerbach.

Werkstorprotest in Schwieberdingen: die Sorge um den Job zieht sich mittlerweile durch alle Bosch-Bereiche.

© /Julian Rettig

Werkstorprotest in Schwieberdingen: die Sorge um den Job zieht sich mittlerweile durch alle Bosch-Bereiche.

Von Peter Stolterfoht

Wenn die IG Metall zu Protesten aufruft, dann fühlen sich zur Branche zählende Ingenieure und Software-Entwickler eigentlich nicht angesprochen. Doch das ändert sich gerade – speziell in der Automobilindustrie. Der Betriebsrat mobilisiert hier neuerdings auch Beschäftigte aus Berufsfeldern, die traditionell nicht viel mit der Gewerkschaft am Hut haben. Das zeigt sich bei Bosch ganz deutlich, wo die Sorge um den Arbeitsplatz mittlerweile so ziemlich alle Geschäftsfelder des Unternehmens in Deutschland erreicht hat.

Ein Beispiel dafür ist Schwieberdingen, wo der sogenannte XC-Geschäftsbereich (Softwareentwicklung für autonomes Fahren) zusammen mit dem Thema Assistenz- und Steuersysteme und die zuständigen Spezialisten den Bosch-Standort prägen. Wir haben uns dort umgehört.

Die Jobgarantie bei Bosch ist Vergangenheit

„Ich bin jetzt 29 Jahre bei Bosch und erkenne plötzlich meine Firma nicht mehr“, sagt ein Ingenieur. „Es gab eine Jobgarantie bis zur Rente, wie bei Beamten, da hat es sich verboten zu streiken“, meint der Mann Ende 50. Jetzt protestiert er zum ersten Mal gegen das Vorgehen der Geschäftsführung, zusammen mit etwas 1000 Kolleginnen und Kollegen vor dem Werkstor. Der Grund: 700 Stellen sollen in Schwieberdingen abgebaut werden. Außerdem ist geplant, 1300 Beschäftigte von den Bosch-Standorten Leonberg, Weilimdorf und Renningen nach Schwieberdingen zu versetzen.

Insgesamt stehen 4500 Jobs aus dem Bereich Software, Hardware und Fahrassistenz auf der Streichliste, viele davon in der Region Stuttgart. „Auch Werksschließungen können nicht mehr ausgeschlossen werden.“ Das sagt der Schwieberdinger Betriebsratschef Tobias Möhle und verweist darauf, dass es im Forschungs- und Entwicklungsbereich bei Bosch erst vor zweieinhalb Jahren 2500 Neueinstellungen gab.

Diese Beschäftigten seien teilweise auch betroffen von einer Arbeitszeitverkürzung, die nun ausnahmslos eine 35-Stunden-Woche bedeute. Individuelle Vereinbarungen über 38 oder 40 Stunden gelten nicht mehr, so der Betriebsratsvorsitzende Tobias Möhle: „Diese Gehaltseinbußen von bis zu 14 Prozent wiegen schwer, gerade wenn ein Haus oder eine Wohnung abbezahlt werden muss.“

Geschäftsführung von Bosch verweist auf Zukunftsfähigkeit

„Wir haben Verständnis, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorgen machen“, erwidert der Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch in einer Stellungnahme. „Aber die äußerst schwierige Lage fordert entsprechende Maßnahmen, um die Zukunftsfähigkeit von Bosch zu sichern.“ Grosch führt außerdem an, dass es an den deutschen Mobility-Standorten keine betriebsbedingten Kündigungen vor Ende 2027 beziehungsweise 2029 geben werde.

Von Schwieberdingen ins Bosch-Stammwerk nach Feuerbach: Ein Szenenwechsel, der aber ein ähnliches Stimmungsbild ergibt. Das beschreibt der dortige Betriebsratschef Axel Petruzzelli: „Von den Kolleginnen und Kollegen höre ich jetzt immer wieder, dass es nicht mehr der Realität entspricht, wenn weiter von der Boschfamilie gesprochen wird.“

Hunderte Mitarbeiter von Bosch treten in Gewerkschaft ein

Man trenne sich schließlich nicht von Familienmitgliedern, so Petruzzelli, der am größten Bosch-Standort rund 13 000 Beschäftigte aus den Bereichen Fertigung, Entwicklung, Ausbildung und IT vertritt. Er befürchtet eine verstärkte Verlagerung ins Ausland – mit der Folge, dass so bis 2030 in Feuerbach 2000 Stellen verloren gehen.

Als Beleg für eine immer weitere Kreise ziehende Jobangst und den Wunsch nach Hilfe können auch diese Zahlen gesehen werden: „In den vergangenen Monaten sind bei uns Hunderte neuer Mitgliedsanträge von Bosch-Beschäftigten aus der Region eingegangen“, sagt die Stellvertretende Geschäftsführerin der IG Metall Stuttgart, Liane Papaioannou. In diesem Fall könne man sich über Zulauf aber nicht richtig freuen.

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Erstellt:
11. Dezember 2024, 14:08 Uhr

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