Special Olympic World Games: Inklusion ist noch viel zu oft exklusiv

Serie Inklusion im Sport (Folge 5 und Schluss) Die beteiligten Vereine, Schulen und Organisationen sind sehr zufrieden, wie in Backnang die Special Olympic World Games genutzt wurden, um das Thema voranzubringen. Es gibt aber auch deutliche Kritik wegen fehlender Akzeptanz.

Laura Simo vom Kreisjugendring, Schulleiter Jochen Nossek, Lebenshilfe-Vorsitzender Michael Balzer und TSG-Vorstandsmitglied Claudia Krimmer (von links) waren begeistert, was sie beim Sporttag der Gemeinschaftsschule in der Taus erlebten. Selbst Biathlon war im Angebot. Alle betonen aber auch, dass sich in Sachen Inklusion noch mehr tun muss. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Laura Simo vom Kreisjugendring, Schulleiter Jochen Nossek, Lebenshilfe-Vorsitzender Michael Balzer und TSG-Vorstandsmitglied Claudia Krimmer (von links) waren begeistert, was sie beim Sporttag der Gemeinschaftsschule in der Taus erlebten. Selbst Biathlon war im Angebot. Alle betonen aber auch, dass sich in Sachen Inklusion noch mehr tun muss. Foto: Alexander Becher

Von Uwe Flegel

Ab morgen gibt es gut eine Woche lang die Special Olympic World Games in Berlin, von Montag bis Mittwoch gabs drei Tage lang bundesweit über 200 Host-Town-Programme. Wohl selten genoss und genießt Inklusion mithilfe des Sports so viel Aufmerksamkeit. Doch was ist, wenn die 190 Delegationen mit ihren 7000 Sportlerinnen und Sportlern wieder aus Berlin abgereist sind. Was bleibt von den vielen starken Aktionen für und mit Menschen mit geistiger Behinderung, nachdem das 35-köpfige Team der Bermudas das Murrtal wieder verlassen hat? Welche Wünsche und Hoffnungen haben Vereine, Schulen und Organisationen, die mit der Stadt Backnang in mehr als einjähriger Vorbereitungszeit einen inklusiven Sporttag und eine Host-Town-Welcome-Party auf dem Stiftshof organisiert haben?

Special Olympic World Games: Inklusion ist noch viel zu oft exklusiv

© privat

Jochen Nossek, Leiter der Gemeinschaftschule in der Taus: „Wir sind seit 2013 eine Gemeinschaftsschule und deshalb auch eine inklusive Schule. Meine Erfahrung ist, dass es nichts Exklusiveres gibt. Das muss sich ändern. Inklusion muss normal werden. Und: Inklusion ist nicht nur eine Sache von Behinderung oder Nichtbehinderung, sie ist auch Integration von bildungsbenachteiligten Kindern. Die Frage lautet doch deshalb: Wann sind alle Eltern sowie die Gesellschaft bereit, dies als normal zu betrachten? Wann sind Eltern bereit ihre Kinder auch in den Schulen zu belassen, in denen Kinder inklusiv und integrativ betreut werden? Bisher halten viele Eltern Inklusion und Integration nach außen für sehr wichtig, fürs eigene Kind ist es aber doch besser, wenns davon verschont bleibt. Man muss leider nicht sehr lange suchen, um Personen zu finden, die Integration und Inklusion ablehnen. Dabei geht es doch darum, allen die bestmöglichen Chancen fürs Leben nach der Schule zu geben. Wir brauchen Schüler und Lehrer und Eltern, die Vielfalt als Normalität ansehen. In meinem Kollegium ist das Gott sei dank der Fall. Und was ich mir wünsche, ist auch der Abbau der Bürokratie. Ich, meine Lehrerinnen und Lehrer sowie alle Helferinnen und Helfer müssen sich für ein Kind, das inklusiv oder integrativ betreut werden muss, die Zeit nehmen dürfen, die es eben braucht. Behördliche Vorgaben mit Planzahlen oder Nachweise ans Kultusministerium, warum sich wer, wann und wie lange um ein solches Kind gekümmert hat, helfen hier nicht. Es geht hier ums Tun und nicht ums Erfüllen einer aufgemachten 1:1-Rechnung.“

Claudia Krimmer, stellvertretende Vorsitzende der TSG Backnang 1846: „Wenn ich sehe, was die Gemeinschaftsschule in der Taus auf die Beine gestellt hat, dann bin ich begeistert. Grundsätzlich brauchen wir mehr Aufmerksamkeit für die Inklusion. Auch in den Vereinen. Wir müssen anstreben, dass es nichts Besonderes mehr ist, sondern Normalität. Von Vereinsseite wünsche ich mir, dass die Stadt einen Inklusionsmanager oder Inklusionsbeauftragten benennt. Gerade diejenigen, die anfangen wollen, brauchen einen festen Ansprechpartner und müssen wissen, wo das Thema in der Verwaltung verortet ist.“

„So soll es weitergehen, so muss es weitergehen“

Laura Simo, Projektreferentin beim Kreisjugendring: „Ich hoffe, dass diese Tage hier und in Berlin helfen, noch mehr Türen und Töpfe für die Sache der Inklusion zu öffnen. Wir müssen es schaffen, die vorhanden Netzwerke und Bündnisse nicht nur zu erhalten, sondern sie weiter auszubauen. Wenn ich solche Veranstaltungen wie diesen Sporttag in Backnang sehe, dann muss ich sagen, so klappt es. Das ist beispielhaft. Das ist Partnerschaft und Miteinander. Das ist einfach klasse, wie hier Mädchen und Jungen der Schule mit den Gästen von den Bermudas gemeinsame Teams bilden. Denn: Barrierenabbau heißt nicht nur, leichter irgendwo hinzukommen.“

Michael Balzer, Vorsitzender der Lebenshilfe Rems-Murr: „Wir sind ja ein Verein, der die Inklusion zum Ziel hat. Nicht umsonst machen wir seit 14 Jahren den Burgberg-Stäffeleslauf, an dem behinderte und nicht behinderte Menschen teil nehmen dürfen. Insgesamt müssen wir für das Thema noch offener werden und Inklusion muss vor Ort gelebt werden. Ich wünsche mir selbstverständlich, dass solche Aktionen wie hier an der Gemeinschaftsschule in der Taus oder die World Games helfen und nachhaltig wirken. Wobei ich auch sagen muss, dass ich mit unserem Thema bei unseren Ansprechpartnern beim Kreis oder bei der Stadt stets offene Ohren vorfinde.“

Birgit Kneiser, Vorsitzende des Vereins für inklusive Aktionen: „Mein Ziel ist, eine bessere Sichtbarkeit dessen, was bereits gemacht wird. Mit der wunderbaren Zusammenarbeit für den Host-Town-Tag wurde ein guter Weg beschritten. So soll es weitergehen, so muss es weitergehen. Zum Beispiel, wenn es demnächst eine gemeinsame Begehung der Stadt Backnang mit Oberbürgermeister Maximilian Friedrich gibt, bei der wir prüfen, wie gut ist die Stadt bereits in Sachen Barrierefreiheit und was muss bei dem Punkt noch besser werden.“

Kommentar
Dran bleiben, wenn das Licht aus ist

Von Uwe Flegel

Schön, bunt und fröhlich war der Sporttag der Gemeinschaftsschule in der Taus. Gelungen ist den Machern der Special Olympic World Games in Berlin, mithilfe bundesweiter Host-Town-Programme beste Werbung für die Inklusion zu machen. Was in Backnang von allen Beteiligten auf die Beine gestellt wurde, war ein Vorzeigeprojekt. Ob damit aber auch geschafft wurde, das Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen zu stärken, muss sich erst noch zeigen. Jochen Nossek mag pointiert darauf verweisen, dass die Bereitschaft zur Akzeptanz von Vielfalt jeglicher Art noch zu oft davon abhängt, inwieweit man sich persönlich darauf einlassen muss. Aber liegt er falsch? Auch Claudia Krimmer erwartet zurecht, dass Vereine und Organisationen wissen müssen, welches Amt und welche Person dort für Inklusion zuständig ist. Vor allem Einsteiger brauchen sofort Beratung und Unterstützung, nicht erst nach der vierten oder fünften Anfrage. Der Schwung der Host-Town-Tage muss auch in Backnang genutzt werden. Sonst war der Einsatz der vielen Scheinwerfer, mit denen die Sache der Inklusion ins richtige Licht gerückt wurde, nur ein unnützer Stromverbrauch.

u.flegel@bkz.de

Breitensport und möglichst viele Sieger stehen bei den Special Olympics im Mittelpunkt

Dabei sein ist alles Bei Special Olympics ist nicht der Spitzensport der Leitgedanke, sondern die Teilnahme. Daher können nicht nur die besten Athleten und Athletinnen teilnehmen. Bei jeder Veranstaltung gibt es mehrere Leistungsstufen, die die verschiedenen Grade der Behinderung, Fähigkeiten und Einschränkungen unabhängig voneinander berücksichtigen. Die Chance zu gewinnen, ist dank den Einteilung in homogene Leistungsgruppen unabhängig vom Grad der geistigen oder mehrfachen Behinderung. In jeder Disziplin gibt es daher viele Sieger. Eingeteilt wird nach Geschlecht, dann nach Alter und letztlich nach Leistungsniveau. Dabei sollen maximal 15 Prozent zwischen dem Stärksten und Schwächsten liegen. Zudem sollen in jeder Leistungskategorie höchstens acht Athleten um Gold, Silber, Bronze oder Kupfer (Plätze vier bis acht) kämpfen. Der Waiblinger Mika Burk zum Beispiel bestreitet in Berlin im 100-Meter-Lauf zunächst ein Viertelfinale. Danach wird er in ein Halbfinale eingeteilt, das seiner Leistungsfähigkeit entspricht. Diese Vorgehensweise gilt auch fürs Finale.

Sport und Inklusion Den Host-Town-Tag in Backnang und die Special Olympic World Games in Berlin hat unsere Zeitung zum Anlass genommen, das Thema Inklusion mithilfe des Sports zu beleuchten. Mit der fünften Folge heute geht die Serie zu Ende.

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Erstellt:
16. Juni 2023, 06:00 Uhr

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