Olympia

Irre Aufholjad: Handballer gewinnen Viertelfinal-Thriller

Das deutsche Team liegt gegen Frankreich schon deutlich zurück - und gewinnt dann heldenhaft in der Verlängerung.

Großer Jubel bei den deutschen Handballern über den Halbfinaleinzug.

© dpa/Aaron Favila

Großer Jubel bei den deutschen Handballern über den Halbfinaleinzug.

Von SID/Michael Bosch

Heldenhaft ins Halbfinale: Deutschlands Handballer greifen nach einer irren Aufholjagd und dramatischer Zugabe nach der ersehnten Olympia-Medaille. Die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason besiegte Tokio-Olympiasieger und Europameister Frankreich nach einer famosen Vorstellung mit 35:34 (29:29, 14:17) nach Verlängerung und zog erstmals seit dem Bronze-Coup von 2016 wieder in ein olympisches Halbfinale ein. Damit hat die DHB-Auswahl mindestens zwei weitere Spiele bei Olympia.

Im Halbfinale trifft das deutsche Team am Freitag (9. August) auf Spanien. Die Iberer bezwangen im zweiten Semifinale Ägypten mit 29:28. Die Partie beginnt um 16.30 Uhr. Bei einem weiteren Erfolg würde Deutschland am Sonntag, 11. August, das Finale bestreiten. Anwurf ist um 13.30 Uhr. Bei einer Niederlage winkt immerhin noch Bronze. Um den dritten Platz geht es am selben Tag – aber bereits ab 9 Uhr.

Deutschland liegt schon mit sechs Toren zurück

Mit einer wahren Galavorstellung ließ die junge DHB-Auswahl am Mittwoch den lange Zeit brodelnden Hexenkessel von Lille verstummen. Die rund 27.000 überwiegend französischen Fans im umgebauten Fußballstadion Stade Pierre-Mauroy sahen zunächst, wie Deutschland mit der Schlusssirene ausglich - und dann in der Verlängerung angeführt vom wie entfesselt spielenden Renars Uscins gewann. Kapitän Johannes Golla und Co. hatten den großen Favoriten tatsächlich gestürzt.

Nach dem Ausgleich der Franzosen 15 Sekunden vor Schluss wurden Uscins mit dem Siegtreffer vier Sekunden vor dem Ende und David Späth mit einer Glanzparade Augenblicke später zu Matchwinnern. „Wir haben ein überragendes Spiel gezeigt“, sagte Luca Witzke, Rune Dahmke bezeichnete den Thriller als „Wahnsinn“: „Das war so ein Hin und Her, ich glaube beide Seiten hatten zwischendurch schon dreimal aufgegeben und wieder dran geglaubt. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie das am Ende passiert ist.“

Dabei hatte die mit neun Olympia-Debütanten angetretene deutsche Mannschaft in der zweiten Halbzeit schon 14:20 hinten gelegen, ehe sie sich leidenschaftlich zurückkämpfte. Aus einem ganz starken Team ragte auch Torhüter David Späth mit seinen Paraden heraus, bester deutscher Werfer war der erst 22 Jahre alte Uscins mit 14 Treffern. Dass es nicht noch mehr wurden, dafür sorgte Frankreichs Torwart Vincent Gerard mit einem spektakulären Auftritt und insgesamt 23 Paraden. Durch den glanzvollen Erfolg vermieste Deutschland auch dem scheidenden Nikola Karabatic den Traum vom goldenen Karriereende.

Aufgeheizte Stimmung – auch in der Verlängerung

Während die DHB-Frauen nach einer Niederlage tags zuvor gegen Frankreich (23:26) die Segel streichen mussten, dürfen die Männer nach dem ersten Sieg gegen Frankreich in einem großen Turnier seit elf Jahren mehr denn je vom ersten Olympiasieg im Hallenhandball seit dem DDR-Erfolg von 1980 träumen.

Die Stimmung in der Mannschaft, hatte Gislason vor der Partie betont, sei „insgesamt positiv, sehr gut und sehr locker“. Dennoch war er sich sicher: „Wir müssen eines der besten Spiele der letzten Jahre – wenn nicht sogar das beste Spiel – zeigen.“ Wie es funktionieren kann, zeigte sich gleich in der Anfangsphase. Als Knorr und Heymann auf 4:2 stellten, kühlte die aufgeheizte Stimmung erstmal ab.

Dies änderte sich jedoch schnell wieder. Weil die Abwehr nun einige leichte Gegentore über den Kreis kassierte und Andreas Wolff keinen Ball zu fassen bekam, übernahm Frankreich nun das Kommando. Gislason justierte nach, brachte beim Stand von 7:9 nun Späth im Tor. Wirkung zeigte aber auch diese Maßnahme zunächst nicht. 

Zwar zeigte Späth direkt einige starke Paraden. Doch weil die deutschen Schützen schon in dieser Phase reihenweise am früheren Kieler Gerard im französischen Kasten scheiterten, enteilte Frankreich zwischenzeitlich bis auf 17:12. Späth brachte Deutschland mit tollen Reflexen bis zur Pause aber zurück ins Spiel.

Und auch vom Blitzstart der Franzosen in Durchgang zwei mit drei schnellen Treffern in Serie (14:20) ließ sich die DHB-Auswahl nicht beeindrucken. Knorr und Co. saugten sich binnen weniger Minuten wieder bis auf 19:21, gingen knapp zehn Minuten vor Schluss in Führung. Es entwickelte sich eine dramatische Endphase, Frankreich führte sechs Sekunden vor Schluss bei eigenem Ballbesitz, doch der bis dahin herausragende Dika Mem verlor den Ball - dann begann die Show von Renars Uscins.

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Erstellt:
7. August 2024, 16:24 Uhr
Aktualisiert:
9. August 2024, 07:55 Uhr

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