Medienschaffende in Gaza im Visier
Israelisches Militär tötet Journalisten
Vor etwa zwei Wochen hat die israelische Armee zugegeben, die palästinensischen Journalisten Hossam Shabat und Mohammed Mansour getötet zu haben. Jetzt sind zwei weitere Journalisten tot.

© dpa/Abed Rahim Khatib
Eine Weste mit der Aufschrift „Presse“ und ein Helm liegen auf dem Leichnam eines Journalisten, der bei israelischen Bombardements getötet wurde (Archivfoto).
Von Gülay Alparslan
Knapp zwei Wochen ist es her, dass die israelische Armee den 23-jährigen palästinensischen Journalisten Hossam Shabat im Norden des Gazastreifens bei einem gezielten Angriff getötet hat. Weniger als zwei Stunden vor seinem Tod hatte der 23-Jährige noch über den Tod seines Kollegen Mohammad Mansour berichtet.
Nun ist es erneut zu israelischen Angriffen auf Journalisten gekommen. Diesmal waren Journalistenzelte im südlichen Gazastreifen in der Nähe des Nasser-Krankenhauses in Khan Younis das Ziel.
Mindestens zwei Journalisten sollen bei dem Angriff auf der Stelle getötet worden sein, weitere wurden nach palästinensischen Angaben schwer verletzt. Auf Instagram kursierten kurz darauf Aufnahmen eines Mannes, der von Flammen umgeben war und bei lebendigem Leib verbrannte.
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Palästinensische Journalisten auf Terrorliste der Armee
Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich bei dem Mann um Ahmad Mansour, Korrespondent der lokalen Agentur „Palestine Today“. Mansur habe zunächst überlebt - einen Tag später aber sei der Journalist seinen schweren Verletzungen erlegen.
Im Falle von Hossam Shabat hatte die israelische Armee den 23-Jährigen und fünf weitere seiner Kollegen bereits Ende Oktober vergangenen Jahres beschuldigt, Hamas-Mitglieder zu sein und auf die Terrorliste gesetzt.
Over 6 months ago, Hossam Basel Abdul Karim Shabat’s role within the Hamas terrorist organization was exposed by us here on @X. He carried out all of his actions under the cover of an @AlJazeera journalist. Yesterday, he was eliminated by the IDF. Don’t let the press vest… https://t.co/5Y2x40DdnIpic.twitter.com/gVn5NVsOVa — Israel Defense Forces (@IDF) March 25, 2025
Auf dem offiziellen Twitter-Account schreibt die israelische Armee dazu: „Lassen Sie sich nicht von der Presseweste verwirren, Hossam war ein Terrorist“. Ein auf der Plattform gezeigtes Dokument soll Shabats Zugehörigkeit zur Hamas belegen. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben nicht. Völlig ausgeschlossen werden können diese Vorwürfe allerdings auch nicht. Denn auch die Angaben der Gegenseite können nicht unabhängig überprüft werden.
Fast 200 Journalisten in Gaza getötet
Nach den Genfer Konventionen genießen Journalisten in Kriegs- und Konfliktsituationen einen besonderen völkerrechtlichen Schutz und dürfen nicht gezielt angegriffen oder getötet werden. Das gilt auch, wenn sie in Kriegsgebieten ihrer Arbeit nachgehen.
Laut Reporter ohne Grenzen wurden seit dem 7. Oktober allein in Gaza fast 200 Medienschaffende von der israelischen Armee getötet. Die Organisation führt die Zahl der Journalisten, die während oder wegen der Ausübung ihrer Arbeit getötet wurden, gesondert auf. Nach aktuellem Stand liegt diese Zahl im Gazastreifen bei 43.
„Wir machen diese Unterscheidung deshalb, weil wir für unsere Strafanzeigen vor dem Internationalen Strafgerichtshof eine detaillierte Dokumentation der Verstöße brauchen“, erklärt Christopher Resch, Pressereferent von Reporter ohne Grenzen.
Morddrohungen gegen palästinensische Journalisten „im Sekundentakt“
Die Organisation hat sowohl gegen die israelische Führung als auch gegen die Hamas Klage beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Die genaue Dokumentation sei wichtig für die Beweisführung.
Zu den Anschuldigungen der israelischen Armee sagt Christopher Resch: „Wir sehen überhaupt keine glaubwürdigen Belege dafür, auch bei anderen Fällen nicht. Aber selbst wenn der Mann irgendwie mit der Hamas in Verbindung gestanden hätte, rechtfertigt das unserer Meinung nach keine direkte Tötung“.
Doch was passiert, wenn solche Anschuldigungen erst einmal im Raum stehen? Resch hat sich die Social-Media-Kanäle der Journalisten angesehen und festgestellt, dass dort Morddrohungen quasi „im Sekundentakt“ eingingen. „Die Leute werden diskreditiert, an den Pranger gestellt, sie werden zum Abschuss freigegeben“.
Belege der israelischen Armee nicht unabhängig überprüfbar
Die Beweislage für eine Zugehörigkeit zur Hamas sei sehr, sehr dünn. Wenn es überhaupt Dokumente gebe, seien sie oft voller Fehler. Vor allem sei eine unabhängige Überprüfung nicht möglich, „weil die israelische Seite die Dokumente nicht herausgibt“, so Resch.
Jeglichen Kontakt mit der Hamas zu vermeiden sei für die Journalisten ohnehin kaum möglich - allein schon deshalb, weil sie an den Vorgängen in den palästinensischen Gebieten dranbleiben müssten. „Das rechtfertigt jedoch keinesfalls, Menschen einfach zu töten“, betont Christopher Resch.
Problematisch ist nach Ansicht von Christopher Resch auch, dass durch eine einseitige westliche Berichterstattung palästinensische Journalisten in Gaza unter Generalverdacht stünden. „Bei manchen Menschen drängt sich dadurch der Gedanke auf, dass die Journalisten persönlich zu stark involviert sind und deshalb nicht objektiv berichten“, sagt der Medienaktivist.
„Gaza soll zu einer Art schwarzem medialen Loch werden“
Dabei handelt es sich bei den palästinensischen Journalisten um Menschen, die nicht nur aus dem Kriegsgebiet berichten, sondern das Leid, den Hunger und die Bombardierungen am eigenen Leib erfahren. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Israel internationale Medien nicht ins Land lasse, selbst Kriegspartei und damit nicht neutral sei.
Ziel der israelischen Regierung sei es, die Möglichkeiten der Berichterstattung systematisch einzuschränken. „Gaza soll zu einer Art schwarzem medialen Loch werden, damit die Armee den Krieg so führen kann, wie gewollt“. Genau das könnten Journalisten aber verhindern, indem sie dokumentierten und Kriegsverbrechen aufdeckten.
Reporter ohne Grenzen setzt sich vor allem für die weltweite Pressefreiheit ein. Sie kämpft gegen Zensur, schützt Journalisten vor Verfolgung und sorgt dafür, dass Verstöße gegen die Pressefreiheit international öffentlich gemacht werden. Inhalte von Berichterstattungen stehen eher weniger im Fokus.
Israel-Palästina-Berichterstattung: Einschränkung in der Medienvielfalt
Doch gerade in der Israel-Palästina-Berichterstattung sei in der deutschen Medienlandschaft ein „verengter Meinungskorridor“ und damit eine Einschränkung in der Medienvielfalt zu beobachten. „Es ist, als würde der Begriff der Staatsräson falsch verstanden, als dürfe man Israel nicht kritisieren und müsse es in allem, was es tut, aktiv unterstützen“, so Christopher Resch.
Die Medienlandschaft müsse sich wieder auf professionelle Standards besinnen und sich vom politischen Kurs distanzieren. „Mit ihrer jetzigen Haltung haben die deutschen Medien an Glaubwürdigkeit verloren“, sagt der Medienaktivist.
„Hört nicht auf, über Gaza zu reden“
This is Hossam’s team, and we are sharing his final message : “If you’re reading this, it means I have been killed—most likely targeted—by the Israeli occupation forces. When this all began, I was only 21 years old—a college student with dreams like anyone else. For past 18… pic.twitter.com/80aNO6wtfO — حسام شبات (@HossamShabat) March 24, 2025
Nach dem Tod von Hossam Shabat veröffentlichten Kollegen seine Abschiedsworte auf seinem X-Account: „In den vergangenen 18 Monaten habe ich jeden Augenblick meines Lebens meinem Volk gewidmet. Ich habe Minute für Minute die Schrecken im nördlichen Gazastreifen dokumentiert, entschlossen, der Welt die Wahrheit zu zeigen, die sie zu begraben versuchen. [...] Bei Gott, ich habe meine Pflicht als Journalist getan. Ich habe alles riskiert, um die Wahrheit zu berichten, und jetzt kann ich endlich zur Ruhe kommen - etwas, das ich in den letzten 18 Monaten nicht gekannt habe. [...] Ich bitte euch jetzt: Hört nicht auf, über Gaza zu reden. Lasst nicht zu, dass die Welt wegschaut.“