Archäologie im Mittelmeer

Jäger und Sammler paddelten schon vor 8500 Jahren nach Malta

Mit dem Einbaum, Floß oder anderem Gefährt nach Malta. Das ist Jägern und Sammlern bereits vor 8500 Jahren gelungen. Forscher aus Jena haben zudem entdeckt, wie sie auf der kleinen Insel überlebten.

Vor rund 8500 Jahren wagte  eine Gruppe von Jägern und Sammlern die gefährliche Überfahrt nach Malta:

© dpa/Daniel Clark/MPI GEA

Vor rund 8500 Jahren wagte eine Gruppe von Jägern und Sammlern die gefährliche Überfahrt nach Malta:

Von Simone Humml (dpa)/Markus Brauer

Lange Zeit glaubte man, die Besiedlung Maltas begann mit der Ankunft sesshafter Bauern. Nun fanden Archäologen Spuren einer Jäger- und Sammler-Gruppe, die die gefährliche Fahrt von Sizilien aus bereits tausend Jahre früher wagte – bei teils völliger Dunkelheit auf hoher See.

8500 Jahre alte Funde auf der Mittelmeerinsel

Lange vor den Griechen und Römern sind bereits Vertreter archaischer Kulturen nach Malta gelangt. Das schließt ein Forschungsteam aus der Analyse von rund 8500 Jahre alten Funden aus einer Höhle auf der Insel.

„Unsere Entdeckungen dokumentieren die längste bisher bekannte Seeüberquerung von Jägern und Sammlern im Mittelmeer“, schreibt das Team vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena im Fachjournal „Nature“.

A new study led by MPI GEA and the University of Malta reveals that hunter-gatherers traveled over 100 kilometers of open water to reach Malta 8,500 years ago, preceding farmers by a thousand years. Learn more here: https://t.co/5iLLwelpAL copyright: Daniel Clarke/ MPI GEA pic.twitter.com/C9zP5se6WT — MPI-GEA Jena (@MPI_GEA) April 9, 2025

Von Sizilien nach Malta im Einbaum oder auf Flößen

Der kürzeste Abstand zwischen Sizilien und Malta beträgt zwar nur 85 Kilometer. Die Forscher nehmen jedoch an, dass die Menschen damals eine Strecke von rund 100 Kilometern hinter sich bringen mussten. Die Seeleute seien auf die Oberflächenströmungen und Winde angewiesen gewesen.

Zur Navigation dienten ihnen unter anderem Landmarken und die Sterne. Selbst an den längsten Tagen mussten sie mehrere Stunden bei völliger Dunkelheit auf hoher See verbringen.

Die Seeleute im Mittelmeer könnten etwa ausgehöhlte Baumstämme – Einbäume, ein unter indigenen Völkern verbreiteter Bootstyp – oder Flöße aus Schilfrohr oder Tierhäuten für die lange Überfahrt genutzt haben.

Es sei ebenfalls möglich, dass die Menschen von Nordafrika kamen, jedoch unwahrscheinlich, schreibt Dylan Gaffney von der University of Oxford in einem „Nature“-Kommentar. Denn obwohl Inseln dazwischen als „Trittsteine“ gedient haben könnten, betrug die Meeresdistanz zwischen Tunesien und Malta zum Zeitpunkt der Überfahrt 250 bis 300 Kilometer.

Wie die ersten Siedler überlebten

Um sich zu ernähren, aßen die Jäger und Sammler vor allem Rotwild, schmähten aber auch Meeresfrüchte und Vögel nicht. Diese Anpassungsfähigkeit half ihnen wohl auf kleinen Inseln zu überleben.

In der Höhlen-Ausgrabungsstätte Latnija, im Norden der Insel Malta, entdeckte das Team Steinwerkzeuge, Feuerstellen und erhitzte Essensreste sowie hunderte Spuren vom Verzehr und Nutzung wilder Tiere. Die Jäger und Sammler verspeisten demnach Rothirsche, Vögel, Meeresschnecken und Muscheln. Aber auch Reptilien wie Meeres- und Landschildkröten sowie Fische, Krebstiere, Seeigel und Robben standen auf ihrem vielfältigen Speiseplan.

Was veranlasste die Menschen zu der gefährlichen Reise?

Die Motivation für so lange Seeüberquerungen ist weiterhin unklar. Die Forscher vermuten Ressourcenmangel oder soziale Ursachen. Mit dem Übergang zur Jungsteinzeit war auch der Beginn der Landwirtschaft verbunden. Es sei denkbar, dass daraufhin „demografische Schockwellen“ in der Jäger-Sammler-Gesellschaft des Mittelmeerraums gegeben habe.

Die längste, bislang bekannte Mittelmeer-Überfahrt von Jägern und Sammlern betrug etwa 50 Kilometer. Die nun nachgewiesene Fahrt sei nicht nur doppelt so lang gewesen, sondern habe auch Nachtstunden benötigt. Damit ist es derzeit das älteste, bekannte Beispiel für eine so weite Entfernung in der Geschichte der Seefahrt im Mittelmeer.

Wie lange dauerte die Erstbesiedlung?

Bislang wurde den Forschern zufolge angenommen, dass Malta mit seinen rund 300 Quadratkilometern und angesichts seines halbtrockenen Klimas zu klein und abgelegen war, um vor der Einführung von Landwirtschaft und fortschrittlicherer Seefahrtechnologie dauerhaft von Menschen besiedelt zu werden.

„Der allgemeine Konsens war, dass Jäger und Sammler nur zu Mittelmeerinseln reisten, die groß beziehungsweise leicht zu erreichen waren, etwa über Ketten von verbundenen Inseln, durch die Nähe zum Festland oder durch günstige Strömungen“, schreiben sie.

Die Ergebnisse zeigen indessen, dass die Besiedlung der Fundstelle vor etwa 8500 Jahren begann. Die Dauer der Jäger- und Sammlerkultur auf Malta sei schwieriger zu bestimmen. Sie scheint jedoch mit der Ankunft oder der Etablierung der ersten Bauern zu enden. Erste landwirtschaftliche Spuren aus der Jungsteinzeit seien auf Malta für die Zeit vor 7400 bis 7100 Jahren nachgewiesen worden.

Überfahrt setzte seefahrerisches Können voraus

„Mit diesen Erkenntnissen kann die Vorgeschichte Maltas um Tausend Jahre erweitert werden“, erklärt Scerri. „Gleichzeitig motivieren sie uns zu einer Neuüberlegung über das seefahrerische Können der letzten europäischen Jäger und Sammler und ihren Einfluss auf frühe Ökosysteme.“

Die Menschen vor 8500 Jahren haben wahrscheinlich von Malta gewusst, bevor sie losgefahren sind – trotz der Entfernung zu Sizilien und der Erdkrümmung. Denn an klaren Tagen kann man Malta von den Hügeln von Ragusa im Südosten Siziliens aus sehen.

Zum Artikel

Erstellt:
9. April 2025, 19:21 Uhr
Aktualisiert:
9. April 2025, 19:37 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!