Joachim Thoms begeistert mit seinem Improvisationskonzert

Der Berliner Konzertorganist ist beim Internationalen Orgelzyklus in der Murrhardter Stadtkirche zu Gast und schafft ungewöhnliche Verbindungen und Übergänge bekannter Werke.

Organist Joachim Thoms möchte die Menschen im Sinne der Musik abholen, beispielsweise auch mit Melodien, die sie kennen. Foto: Elisabeth Klaper

Organist Joachim Thoms möchte die Menschen im Sinne der Musik abholen, beispielsweise auch mit Melodien, die sie kennen. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Ein außergewöhnlich imposantes Hörerlebnis ist das jüngste Konzert des Internationalen Orgelzyklus. Der Berliner Konzertorganist Joachim Thoms präsentiert den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Stadtkirche ein ausgeklügeltes, stimmungsvolles Programm für den Frieden, das er unter dem Eindruck des grausamen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine konzipiert hat. Dazu verknüpft er Werke russischer Komponisten mit dazu passenden Tonschöpfungen von Komponisten anderer Nationen.

„Ich bin ein Kind der DDR“, stellt er fest. Darum habe er erst nach seiner Berufsausbildung „aus Langeweile“ Kirchenmusik studiert, erzählt Thoms beim „Ohrenöffner“, der kurzen Konzerteinführung. Das Notenspiel sei ihm schwergefallen, da er erst spät zu musizieren begann, insofern fand er in der Improvisation sein Metier. „Ich betrachte es als meine Aufgabe, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und ihnen mit Melodien, die sie kennen, die Orgel und geistliche Musik wieder näherzubringen“, betont der Organist. Er erweist sich als begnadeter Künstler und setzt die Königin der Instrumente wie ein Orchester ein. Virtuos kreiert er mithilfe der Register und Effekte der Mühleisen-Orgel überaus klangfacettenreiche, monumentale und sinfonische Improvisationen.

Joachim Thoms thematisiertauch den Krieg in der Ukraine

Zur Einstimmung gestaltet er eine Hommage an Johann Sebastian Bach aus dem Eingangschor von dessen Johannespassion mit dem Kontrast zwischen Gotteslob und dramatischen Klängen, die auf das Leiden Jesu Christi hinweisen. Hinzu kommen feierliche Präludien-, Rezitativ- und Fugenelemente mit charakteristischen Bach-Figurationen. Herzstück ist ein grandioser sinfonischer Satz aus dem klangfarbenprächtigen Werk „Das große Tor von Kiew“ von Modest Mussorgsky, das Joachim Thoms mit der ukrainischen Nationalhymne verbindet. Dramatisch aufgewühlte Figuren in hohem Tempo symbolisieren die Schrecken des Kriegs, dazu erklingen Motive, die an Hilfeschreie erinnern. Doch pompöse Akkordkaskaden, Modulationen und die triumphale Schlusskadenz vermitteln die Hoffnung, dass die Ukraine siegen wird.

Es folgen Fantasien, in denen Thoms verschiedene Werke mit vielschichtigen, klar unterscheidbaren Registrierungen darstellt und Improvisationen mit attraktiven melodischen und harmonischen Strukturen generiert. Spielerisch bringt er den starken Kontrast zur Entfaltung zwischen dem unruhig-temperamentvollen Thema des Klavierkonzerts Nr. 3 von Sergej Rachmaninow sowie dem langsamen Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur mit liedhafter Melodik und schwebender lyrischer Harmonik.

Viel Vergnügen macht die Symbiose aus dem „Hummelflug“ von Nikolai Rimski-Korsakow, der auf der Orgel prächtig und mächtig, aber eher nach größeren fliegenden Wesen klingt, und dem „Tanz der Ritter“ aus Sergej Prokofjews Ballett „Romeo und Julia“. Dessen zugleich prunkvolle und düstere Orgelimprovisation kommt so treffend zur Geltung, dass man sich geradezu die Mitglieder der verfeindeten Patrizierfamilien Montagu und Capulet vorstellen kann, wie sie bedrohlich und boshaft gegeneinander stolzieren. Dazu gestaltet der Organist chromatische Modulationen, improvisierte Klangspiele aus hohen Tönen und hohem Tempo sowie einen jazzartigen Rhythmus.

In seiner eigenen Fassung des berühmten „Libertango“ vom argentinischen Komponisten Astor Piazzolla gelingt es Thoms, den charakteristischen Klang des Bandoneons darzustellen, ebenso die Leidenschaft des Tangos. Untermalt von einer breit gefächerten Klangkulisse lässt er die Orgel ein ganzes Spektrum an Jazz- und Latinrhythmen in hohem Tempo tanzen.

„Peter und der Wolf“trifft auf die „Höhle des Bergkönigs“

Rasant und mit verschliffenen Tönen geht’s auch zur Sache im Rondo alla „Säbeltanz“. Darin verknüpft der Organist effektvoll improvisierend Aram Chatschaturjans Ballettstück mit dem spielerisch heiteren Thema der Hauptperson aus dem Musikmärchen „Peter und der Wolf“ von Sergej Prokofjew und der „Höhle des Bergkönigs“ aus Edvard Griegs Suite „Peer Gynt“.

Mit Bravorufen und Jubelapplaus bringt das Publikum seine Begeisterung über das mitreißende Konzert zum Ausdruck. Als Zugabe setzt Joachim Thoms noch den Jazzstandard „All of me“ von Gerald Marks und Seymour Simons drauf, verwandelt die Orgel gleichsam zur swingenden Bigband und singt sogar dazu.

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Erstellt:
19. September 2023, 06:00 Uhr

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