Kampfsportschule in Backnang: Mehr als nur Prügeln und Treten

Kampfsportschulen haben oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Viele Menschen glauben, dass sie Brutstätten für Gewalt sind und die Schüler zu gewalttätigen Menschen erzogen werden. Doch diese Sichtweise basiert auf Unwissenheit und Klischees, wie ein Besuch in Backnang zeigt.

Die Trainer Ismail Akkilic (rechts) und Artur Allerborn (im Hintergrund) wollen unter anderen Selbstvertrauen vermitteln. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Trainer Ismail Akkilic (rechts) und Artur Allerborn (im Hintergrund) wollen unter anderen Selbstvertrauen vermitteln. Foto: Alexander Becher

Von Andreas Ziegele

Es ist ein heißer Abend. Die Luft steht in den Trainingsräumen der Kampfsportschule Allerborn. Das hindert aber die rund 20 weiblichen und männlichen Sportler nicht daran, mit vollem Einsatz zu trainieren. Immer verfolgt von Artur Allerborns aufmerksamen Augen. Seine Kampfsportschule ist so etwas wie eine Institution in der Murr-Metropole. „Ich bin seit 50 Jahren Trainer und betreibe meine Kampfsportschule hier auch schon viele Jahre“, sagt Allerborn.

An sieben Tagen in der Woche sind hier über 200 angemeldete Mitglieder dabei, die vielfältige und faszinierende Sportart, die sowohl körperliche als auch geistige Fähigkeiten verlangt, zu erlernen beziehungsweise ihre Leistungen zu verbessern. „Es sind auch Athleten dabei, die kommen dreimal am Tag“, erzählt der Inhaber und Trainer.

Die wichtigste Regel der Kampfsportschule steht in Leuchtschrift an der Wand: „Die Gesundheit meines Partners hat absolute Priorität.“ Das sind für Artur Allerborn nicht nur Worte, sondern gelebte Realität. Als Beispiel nennt er hier den Kreuzbandriss, der in anderen Sportarten eine häufige Verletzung ist. „Ich habe in meiner ganzen Zeit hier nur einen Kreuzbandriss gehabt“, so der 63-jährige Artur Allerborn.

„Alles, was der Selbstverteidigung dient, dürfen die Sportler auch einsetzen, wenn sie außerhalb der Kampfsportschule angegriffen würden“, erläutert Allerborn. Ein Thema, das er nicht mag und das ihn regelrecht stört, denn „es geht hier nicht um Selbstverteidigung, sondern um Kampfsport, und der wird hier ausgeübt“ und nicht auf der Straße. Man merkt ihm an, dass er diese Diskussionen nicht führen möchte: „Niemand fragt einen Speerwerfer, ob er mit seinem Speer auf jemand einstechen würde, oder den Kugelstoßer, ob er mit der Kugel auf andere wirft.“ Wenn sich einer nicht an die Regeln hält, dann ist Artur Allerborn rigoros: „Dann gibt es einen Anpfiff und wenn es sich wiederholt, werfe ich ihn aus dem Training, und wenn es sein muss nicht nur für einen Abend.“

Die Sportler sollen auch neues Selbstvertrauen und Autorität erhalten

Allerborn hat genügend Beispiele, wie der Kampfsport Menschen verändern kann. „Wir haben eine ganze Menge Schulversager hier, die gelernt haben, dass, wenn man sich für etwas einsetzt, man auch eine ganze Menge erreichen kann“, sagt er und ergänzt: „Wir haben Leute hier, die in der Schule gemobbt wurden und die hier neues Selbstvertrauen und eigene Autorität gelernt haben.“ Immer wieder unterbricht er das Gespräch, wenn ihm beim Training das eine oder andere missfällt. „Nicht reingehen in ihn, nur kicken“ oder „Bein wieder zurückziehen in die Vorbereitungsposition“ oder „Führhand frei und los“.

Ständig wechseln die Sparringspartner untereinander. Immer angekündigt durch einen lauten Pfeifton und unter den aufmerksamen Augen des Experten. Die Einschätzungen von Allerborn zum Kampfsport teilen in den Gesprächen andere und berichten dabei von ihren Erfahrungen.

Mike Neulinger ist einer der erfolgreichen Sportler der Kampfsportschule. Obwohl er krankheitsbedingt an diesem Abend nicht trainieren kann, steht er den anderen mit Rat und Tat zur Verfügung. Der 19-Jährige vom Ungeheuerhof, der sein Fachabitur abgeschlossen hat, erinnert sich noch an sein erstes Training. „Es war an meinem 14. Geburtstag.“ Obwohl er auch andere Sportarten ausgeübt hat, ist der Kampfsport für ihn die erste Wahl. „Es macht mir Spaß und hat mir Selbstbewusstsein gegeben und es fühlt sich hier mehr nach Familie an als nach Verein“, sagt Neulinger. Dieses Gefühl gibt ihm Artur Allerborn.

Die Frage, wie streng der Trainer sein kann, beantwortet Neulinger mit einem Lächeln: „Wenn man lieb ist, ist er auch lieb.“ Seine sportlichen Ambitionen stehen fest: „Ich will Profi und einmal der Beste werden.“ Dafür investiert er jede Woche über 20 Trainingsstunden. Privat ist er noch nie in eine Situation gekommen, die es erforderlich gemacht hätte, seine Kampfsportfähigkeiten einzusetzen. „Wenn es mal passieren würde, dann werde ich versuchen, das mit Worten zu klären, und eher gehen.“

Ismail Akkilic ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Kampfsport aktiv. Im Jahr 2019 holte er sich den Titel des härtesten Weltergewichtlers Deutschlands. Obwohl der heute 42-Jährige seine aktive Karriere beendet hat, ist er der Kampfsportschule Allerborn als Trainer treu geblieben und gibt dabei seine Erfahrungen auch an die jungen Kämpfer weiter. „In meinen Augen sind wir eine der besten Kampfsportschulen Deutschlands. Es ist für mich was ganz Besonderes, dabei zu sein“, sagt er. „Ich bin vier- bis fünfmal die Woche hier, es ist hier nicht mein zweites Zuhause, sondern es ist mein Zuhause“, so der gebürtige Backnanger, der heute in Winnenden wohnt und nicht nur damit seine Dankbarkeit gegenüber Allerborn zum Ausdruck bringt.

Zum Image des Kampfsports in der Öffentlichkeit hat Akkilic eine klare Meinung: „Ein guter Kampfsportler auf der Straße ist wie eine Waffe.“ Aber für ihn ist das keine Option. „Ich gehe solchen Streitereien aus dem Weg. Vor Wochen wurde ich schwer beleidigt. Aber als intelligenter Mensch und Kampfsportler muss ich auf der Straße keinem etwas beweisen“, berichtet Akkilic und fügt an: „Wenn jemand sich mit mir messen möchte, kann er hierher in die Sportschule kommen und wir machen das nach allen Regeln der Fairness.“ Vehement wehrt er sich gegen Berichte, die den Kampfsport in eine Richtung drängen wollen. „Was teilweise geschrieben wird, ist falsch.“

Kevin Hartwich ist erst 15 Jahre alt und nach den Worten seines Trainers „eines meiner Talente“. Auch er ist, wie die anderen beiden, vom Fußball zum Kampfsport gekommen. Nach einem Probetraining vor über einem Jahr war für ihn klar, dass er Kampfsport machen will. „Ich habe davor schon viele Videos gesehen und da war für mich klar, ich möchte das auch machen“, sagt der Maubacher Schüler. Fast täglich ist er seitdem ein bis zu zwei Stunden in der Kampfsportschule von Artur Allerborn.

Was nimmt man als Gast für Erkenntnisse nach diesem Trainingsabend mit? Die Kampfsportschule Allerborn ist mehr als nur ein Ort, wo man lernt, wie man kämpft. Sie ist auch ein Ort, wo man lernt, wie man lebt. Kampfsport ist eine Sportart, die sowohl den Körper als auch den Geist fördert und fordert. Es ist eine Sportart, die Werte wie Respekt, Fairness und Disziplin vermittelt und Vorteile wie Fitness, Stressabbau und ein verbessertes Selbstvertrauen bietet. „Wenn man sich für etwas einsetzt, dann kann man eine ganze Menge erreichen“, fasst Allerborn zusammen. Eine Aussage, die nicht nur für den Kampfsport gilt.

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Erstellt:
15. August 2023, 06:00 Uhr

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