Kein Platz in der Sonne am Teehaus

Wirt darf auf Anordnung der Stadt im Freien keine Tische und Stühle aufstellen, weil der Konflikt mit dem Nachbarn auch nach einem Jahr bis zu diesem Saisonstart nicht gelöst wurde.

Unbestuhlte Freifläche am Teehaus in Stuttgart: Die Gäste sitzen auf Mäuerchen. 
         Unbestuhlte Freifläche am Teehaus in Stuttgart: Die Gäste sitzen auf Mäuerchen.

© Hechtel

Unbestuhlte Freifläche am Teehaus in Stuttgart: Die Gäste sitzen auf Mäuerchen. Unbestuhlte Freifläche am Teehaus in Stuttgart: Die Gäste sitzen auf Mäuerchen.

Von Heidemarie A. Hechtel

Stuttgart - Die Freiluft-Saison der Gastronomie ist in vollem Gange, die Innenstadt einladend möbliert. Eine herbe Enttäuschung erlebt dagegen, wer hinauf zum Teehaus im Weißenburger Park strebt und nicht fassen kann, was er antrifft: Gähnende Leere dort, wo seit Jahrzehnten verlässlich Tische und Stühle ein sonniges Plätzchen boten bei Kaffee, Kuchen oder was auch immer beliebt. Was ist hier los?

Der Wirt Tadija Zelenika lächelt auf solche Fragen nur gequält und zuckt mit den Schultern: „Anweisung von der Stadt.“ Kaum nahte der Start der Sommersaison, setzte man ihn von der Auflage in Kenntnis, es dürfe im Freien nicht aufgestuhlt werden. Das kann doch nicht sein, protestieren die Gäste. Soll das für den ganzen Sommer gelten? Ungewiss. Angeblich bis auf weiteres.

Mehr Informationen hat der Wirt auch nicht, er hängt in der Luft. Dafür weiß er vermutlich bis auf die letzte Kommastelle genau, welche Umsatzeinbußen ihm diese geschäftsschädigende Einschränkung bringt. Denn die meisten Gäste wollen weder drinnen im Pavillon noch im Schatten unter den Arkaden sitzen und ziehen wieder ab. Weil es der Stadt bisher nicht gelungen ist, einen Nachbarschaftskonflikt um eine der beliebtesten Stuttgarter Freiluftadressen zu lösen und die Gastronomie im Teehaus auf ein rechtssicheres Fundament zu stellen.

OB Frank Nopper will den Vorwurf nicht auf der Stadt sitzen lassen:„Die Stadt tut mit großem Engagement alles dafür, die Außenbewirtschaftung am Teehaus zu ermöglichen“, versichert er in einer persönlichen Stellungnahme. Er selbst engagiere sich mit drei Bürgermeistern in der Angelegenheit. Allerdings sei die Rechts- und Sachlage so komplex, dass man dafür im Moment noch keine einvernehmliche Lösung habe.

Wie mehrfach berichtet, traktiert ein Nachbar, der sein Haus oberhalb des Teehauses 2016 bezog, den Wirt seit Jahren mit Beschwerden über die angebliche Lärmbelästigung und macht auch keinen Hehl daraus, dass er nichts anderes anstrebt als das endgültige Aus für den gastlichen Betrieb. Nopper spricht von „schweren juristischen Geschützen“, die dieser Nachbar gegen die Außenbewirtschaftung auffahre. Als Grundlage dafür hatte er offenbar eine rechtliche Lücke entdeckt: Als im Teehaus 1961 anlässlich der Bundesgartenschau der Südmilchpavillon eingerichtet wurde, hatte es die Stadt, seit 1956 im Besitz des Weißenburger Parks und der Anwesen, versäumt, die Gastronomie baurechtlich abzusichern. Was als Defizit erst zum Problem wurde, als es diesen einen Nachbarn munitionierte. Die Stadt war im Zugzwang, Leidtragende sind der Förderverein Alt-Stuttgart als Pächter und Tadija Zelenika als Unterpächter. Ihm brachte der letzte Sommer schon erste Einschränkungen: Statt wie früher warme Sommernächte hier bis 23 Uhr genießen zu können, mussten die Gäste nun um 22 Uhr aufbrechen. „Um den Konflikt kurzzeitig zu mildern“, so die Erklärung dazu aus dem Rathaus vor einem Jahr. Als gelte die Auflage nur vorübergehend. Sie blieb aber gültig bis zum Ende der Saison.

Zufrieden ist der Nachbar damit nicht, wie nach einem Gespräch der Verwaltungsspitze mit OB Frank Nopper, Ordnungsbürgermeister Clemens Maier und Baubürgermeister Peter Pätzold im Sommer klar wurde: „Ziel war es, eine tragfähige Lösung für den weiteren Betrieb des Teehauses im Weißenburgpark zu finden, mit dem alle Beteiligten leben können“, hieß es damals auf Nachfrage. Und weiter: „Da sich jedoch beide Parteien nicht auf eine gemeinsame Lösung verständigen konnten, wird nun in einem baulichen Verfahren geklärt, was rechtlich zulässig ist und was nicht. Den Bauantrag wird die Betreiberseite stellen.“ Das hat der Förderverein Pro Alt-Stuttgart getan. Als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen sollten die Ergebnisse eines Lärmgutachtens dienen. Die liegen längst vor. In diese Entscheidung, ließ das Rathaus schon im Frühjahr 2024 verlauten, seien vier Ämter eingebunden. Neben dem Baurechts- und Ordnungsamt auch das Amt für Umweltschutz und das Garten-, Friedhofs- und Forstamt.

Die Hoffnung, dass das Thema zum Beginn der neuen Saison in trockenen Tüchern sei, hat getrogen. Stattdessen wurde der Betrieb wie noch nie auf ein Minimum reduziert. Die Gäste schütteln den Kopf: „Unbegreiflich“ und „typisch Bürokratie“ sind nur einige der Kommentare.

Wie lange soll dieser Zustand dauern? „Die Verwaltung arbeitet mit Hochdruck daran, möglichst in den nächsten Tagen einen vernünftigen Kompromiss zu erreichen.“ Auf keinen Fall wolle man dieses Juwel aufgeben, betont der OB: „Es ist der erklärte Wille der Stadt, dass der Weißenburger Park ein attraktiver Ort ist und bleibt.“ Er habe für das Lebensgefühl und den Freizeitwert der Stadt eine große Bedeutung. Dazu gehöre auch ein angemessenes gastronomisches Angebot unter freiem Himmel.

Man darf gespannt sein, wann und ob das Teehaus wieder Plätze in der Sonne anbieten darf. Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass dem gastronomischen Betrieb weitere Einschränkungen drohen. So massiver Natur, dass es kein Wunder wäre, wenn der Wirt die Lust am Teehaus verlieren würde.

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Erstellt:
30. März 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
31. März 2025, 21:59 Uhr

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