Provokante und blutige Oper in Stuttgart
Kirche kritisiert „Sancta“ scharf – Harald Schmidt reagiert mit Ironie
Opernbesuchern wurde schlecht - und in drei Fällen kam der Notarzt. Doch viele bejubelten die Oper „Sancta“ in Stuttgart. Die Kirche spricht von obszöner Verletzung religiöser Gefühle. Harald Schmidt reagiert mit Ironie.
Von red/kna
Wer in eine Oper mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren geht, kann sich auf drastische Darstellungen von Gewalt und Sexualität einstellen. Florentina Holzingers Opernperformance „Sancta“, die nach Schwerin und Wien nun auch in Stuttgart aufgeführt wird, bietet das alles - noch dazu Religionskritik inklusive nackter Nonnen. Es gab bisher zwei Aufführungen in Stuttgart, am vergangenen Samstag und Sonntag. Dabei gab es insgesamt 18 Erste-Hilfe-Einsätze für Besucher, wie Sebastian Ebling, Pressesprecher der Oper Stuttgart, am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bestätigte.
Zugleich schränkte er ein: „Das bedeutet aber nicht, dass 18 Leute umgekippt sind oder sich übergeben haben.“ Es habe 18 Einsätze des Besucherservice der Oper gegeben. „Leute sind rausgegangen, weil ihnen schlecht war. Und in drei Fällen musste tatsächlich der Notarzt gerufen werden.“ Was hier medizinisch vorlag, könne er nicht genauer sagen. Die „Bild“-Zeitung schrieb von „Schockzuständen“. Die Staatsoper selbst warnte etwa mit Blick auf die Altersfreigabe: „Im Zentrum des Abends stehen Spiritualität, Sexualität - aber auch Religionskritik und ein kritischer Blick auf religiöse und gesellschaftliche Gewalt. Auf der Bühne finden sexuelle Handlungen statt.“
Seitens der Kirche gab es bereits kritische Stimmen bei der Aufführung in Wien, die auf die Uraufführung in Schwerin gefolgt war. Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück kritisierte, das Stück reproduziere bekannte Klischees. Nonnen, die aus den klösterlichen Mauern ausbrechen, um sexuelle Befreiung zu erleben, das sei also „ein etwas schlichtes Narrativ“.
Stuttgarts katholischer Stadtdekan übt scharfe Kritik
Stuttgarts katholischer Stadtdekan Christian Hermes sagte am Donnerstag der KNA: „Ich wundere mich nicht, dass Zuschauer und Mitwirkende große Probleme mit dem Stück haben.“ Er habe zwar Respekt vor der künstlerischen Radikalität von Florentina Holzinger. „Sie legt schonungslos den Finger in die Wunde patriarchaler und klerikal-religiöser Herrschaft.“ Das sei „richtig und wichtig“, denn es gebe „eine schlimme Schuldgeschichte unserer Kirche“, so Hermes.
Doch das Stück zelebriere nicht nur „naive, um nicht zu sagen kitschige sexuell-spirituelle Erlösungsträume“. Bei ihm kämen seit der Premiere „wirklich beunruhigende Rückmeldungen“ an, berichtete der Stadtdekan. „Dass Mitarbeitende und Besucher brutal an und über die Grenzen des ästhetisch und psychisch Erträglichen geführt werden, religiöse Gefühle entgegen aller sonst gepflegten politischen Korrektheit obszön verletzt werden und ganz bewusst mit der mentalen Gesundheit der Menschen gespielt wird. Das scheint hier kein Unfall zu sein, sondern Teil des Konzepts.“
Natürlich gehe es auch um ein „Katholen-Bashing“, wie ein Kritiker gejubelt habe, sagte Hermes und fügte hinzu: „Da braucht mir auch niemand erzählen, man wolle keine religiösen Gefühle verletzen.“ Nun sorgten sich viele, auch im Rat der Religionen Stuttgart, was noch in der Oper Stuttgart komme: „Juden-Bashing“? „Muslimen-Bashing“?
Harald Schmidt kommentiert den Wirbel in bekannt ironischem Ton
Laut Opern-Pressesprecher Ebling hat es während der bisherigen beiden Aufführungen in Stuttgart „nur Zustimmung vom Publikum gegeben“. SWR Kultur berichtete von „Jubel ohne Ende“. In der knapp dreistündigen Performance gehe es darum, „jegliche Scham und Schuld, mit der das Christentum den Frauenkörper seit Jahrhunderten bestraft hat, abzulegen“, schrieb SWR Kultur (Donnerstag online).
TV-Entertainer und Kabarettist Harald Schmidt kommentierte den Wirbel in bekannt ironischem Ton. Schmidt, der im Schauspiel Stuttgart auftritt, sagte auf KNA-Anfrage, er wünsche „allen Betroffenen rasche Genesung“. Er habe den Abend in der Oper ja schon bei seinem Solo-Programm „Spielplananalyse“ am vergangenen Samstag im Schauspiel empfohlen. „Denn parallel fand in der Oper die Premiere von „Sancta“ statt, teilweise glaubte ich Stöhnen, Schreie und kleine Juchzer zu hören. Nicht ungewöhnlich für mich als Katholik.“
Opern-Pressesprecher Ebling bestätigte, dass seit Mittwochabend auf der Homepage der Stuttgarter Oper die „Sancta“-Seite nicht mehr zu erreichen ist - wohl wegen Überlastung. Nach der jüngsten Berichterstattung seien „alle Vorstellungen ausverkauft“.