Nach Schlüsselereignis 2016
„Konnte nicht alleine einkaufen gehen“ – Özdemir berichtet von Anfeindungen
2016 war Cem Özdemir einer der Initiatoren der Armenien-Resolution des Bundestages. Heute sagt der Bewerber für das Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg, das habe sein Leben in ein „Davor und Danach“ verändert.
Von Sebastian Winter/dpa
Bundeslandwirtschaftsminister und Bildungsminister Cem Özdemir sieht sich seit 2016 massiven Bedrohungen durch türkische Nationalisten ausgesetzt. Auslöser sei sein Einsatz für die Armenien-Resolution des Bundestages 2016 gewesen, in der das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs als „Völkermord“ bezeichnet wird.
Das sagte Özdemir, der bei der Landtagswahl 2026 als Spitzenkandidat für die Grünen in Baden-Württemberg ins Rennen gehen wird, im Podcast „Meine schwerste Entscheidung“ der Funke Mediengruppe. Die Resolution habe sein „Leben in ein Davor und ein Danach verändert“.
Cem Özdemir berichtet von Bedrängung türkischer Nationalisten
Ihm sei bewusst gewesen, dass dies einschneidende Konsequenzen haben werde - „bis eben zu der Frage, dass ich da lange Zeit eben bestimmte Teile der Gegend in Kreuzberg, in der ich wohne, meiden musste, eben nicht alleine einkaufen gehen konnte, im Taxi bedrängt wurde von Taxifahrern, die türkische Nationalisten sind“.
Türkische Nationalisten hätten Filme ausgestrahlt, in denen auch seine damalige Frau und seine Kinder erwähnt wurden, sagte Özdemir.
Cem Özdemir: War seit 2016 nicht mehr bei Familie in der Türkei
Bei seiner Familie in der Türkei sei er seit 2016 nicht mehr gewesen. „Ich konnte zum Beispiel zur Beerdigung meines Onkels nicht gehen, wäre ich natürlich sehr gern hingegangen, aber das Risiko in einem solchen Staat, wo man halt immer damit rechnen muss, dass die gleichgeschaltete Presse dann mobilisiert wird und es dann heißt, ach guck mal, das ist die Verwandtschaft von diesem Verräter, das wollte ich einfach vermeiden.“
Im Juni 2016 hatte der Bundestag beschlossen, die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als „Völkermord“ einzustufen. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs reagierte empört, Ankara zog zeitweise den Botschafter aus Berlin ab. Mit der Erklärung, die Resolution sei nicht rechtsverbindlich, entschärfte die Bundesregierung den Streit später.
Özdemir will auf Kretschmann in Baden-Württemberg folgen
Derweil will sich Cem Özdemir künftig aus der Bundespolitik zurückziehen und als Spitzenkandidat für die Grünen bei der Landtagswahl 2026 ins Rennen gehen. „Meine Entscheidung steht: Ich möchte Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, als Ministerpräsident von Baden-Württemberg dienen und alles für dieses Land geben“, gab er Ende Oktober bekannt. Damit will er in Baden-Württemberg auf Winfried Kretschmann folgen.