Konzert am Totensonntag: Todesdramatik und tänzerische Freude
Kammerchor, Kammerorchester und Vokalsolisten gestalten bei der traditionellen geistlichen Abendmusik zum Totensonntag drei facettenreiche Kantaten von Johann Sebastian Bach in der evangelischen Kirche in Kirchenkirnberg.
Von Elisabeth Klaper
Kirchenkirnberg. Ein zugleich beeindruckendes und besinnliches Hörerlebnis ist die traditionelle geistliche Abendmusik zum Ewigkeitssonntag. Souverän, empfindungsreich und klangschön gestalten vier Vokalsolisten, der Kammerchor und das Kammerorchester der evangelischen Kirchenmusik Kirchenkirnberg drei Kantaten von Johann Sebastian Bach vor vielen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Kirche.
Die Frage „Warum werden immer nur Werke von Bach aufgeführt?“ beantwortet Kirchenmusikleiter Uwe Matti mit zwei Gründen: Schon als Kind habe ihn das Bach-Fieber gepackt und nicht mehr losgelassen und „wir hören zu wenig Bach in den Kirchen“. Dessen Kantaten sollten im Gottesdienst aufgeführt werden, was aber mit hohem Aufwand verbunden und teuer ist. Deshalb „versuche ich gegen den Strom zu schwimmen“ in Form dieser Konzertreihe. Dabei werden ähnlich wie zu Lebzeiten Bachs die Werke in einer Probe einstudiert, nur der Chor trifft sich mehrfach.
Mit Bravour meistern die Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker die herausfordernden Werke mit vielen kunstvoll ausgearbeiteten und komplexen Passagen. Die Kantaten hat Bach zwar nicht für den Totensonntag komponiert, sie passen aber thematisch gut ans Ende des Kirchenjahrs mit dem Gedenken an die Verstorbenen. Ob ihrer starken Symbolik kann man sie als tiefgründige musikalische Predigten und Gebete betrachten, die tröstend wirken.
Zwei Kantaten zum Verschwinden des jungen Jesus im Tempel
Zum Auftakt interpretieren Sopranistin Jeanette Bühler und einige Instrumentalisten die 1714 erstaufgeführte Solokantate „Mein Herze schwimmt im Blut“ (Bach-Werke-Verzeichnis 199) in der arrangierten Leipziger Fassung. Darin bereut ein Zöllner seine Sünden, woraufhin er Vergebung und Versöhnung durch Gott erfährt.
Überzeugend bringen die Sopranistin und die Instrumentalisten die vielschichtigen Charakteristiken, Emotionen und kunstvollen Figurationen zur Entfaltung. Höhepunkte sind die abschließenden Stücke mit schönen Kantilenen und freudig-tänzerischen Rhythmen.
Die 1724 erstaufgeführte Kantate „Mein liebster Jesus ist verloren“ (BWV 154) erzählt die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel: Als er mit seinen Eltern nach Jerusalem geht, ist er plötzlich weg. Verzweifelt suchen sie ihn und sind froh, als sie ihn wiederfinden. Dies veranschaulicht Bach mit einer fast opernhaft wirkenden Dramatik, die zunächst Tenor Stefan Frieß mit aufgewühlter Darstellung ausdrucksstark vermittelt. Die Sehnsucht nach Jesus bringt der Chor gefühlvoll zum Ausdruck. Mahnend und energisch wirkt das Bass-Arioso, in dem Matthias Baur den erwachsenen Jesus darstellt. Es folgt ein beschwingtes Duett, in dem Altistin Henriette Schöwitz mit warmer Stimme und der strahlende Tenor von Stefan Frieß die Freude vermitteln, dass Jesus gefunden ist.
Der Schlusschoral leitet über zur 1725 erstaufgeführten Kantate „Meinen Jesum lass ich nicht“ (BWV 124). Darin erklärt Bach dieselbe Geschichte nochmals, aber mithilfe des bekannten Chorals, dessen Melodie den roten Faden des Werks bildet. Wie ein Menuett wirkt der stimmungsvolle Eingangschor, dann symbolisieren die Streicher mit fast perkussionistischen Figuren den Herzschlag, darüber schwebt gleichsam die Seele in Form einer Oboenkantilene. In scharfem Kontrast dazu steht ein plötzlich auftretender „Todesschlag“, der illustriert, wie groß die Todesnot sein kann.
Darin kommt auch der Umgang mit Leben und Tod in der Barockzeit zum Ausdruck, als viele Menschen an kleinen Verletzungen oder harmlosen Erkrankungen starben, weil die medizinische Versorgung völlig unzureichend war. Ein inniges Duett von Sopran und Alt verdeutlicht die Sehnsucht nach dem Himmel, also dem ewigen Leben. Mit starkem Applaus dankt das Publikum den Mitwirkenden, wobei die evangelische Kirchenmusik und die Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land kooperieren. Unter den Vokalsolisten, Chorsängern und Instrumentalisten sind ehemalige und aktuelle Musikschuleltern, Musikschüler und Lehrkräfte.