Ministerpräsident mit eindringlicher Rede
Kretschmann: „Irreguläre Migration begrenzen, dann ist AfD 2030 halbiert“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält eine eindringliche Rede beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach – und betont zwei Punkte, die Zuversicht machen in „diesen schweren Zeiten“.

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Rede in der Biberacher Stadthalle.
Von Florian Dürr
Die Halle erhebt sich, es gibt Standing Ovations und lang anhaltenden Applaus für Winfried Kretschmann nach seiner Rede beim politischen Aschermittwoch der Grünen. Der baden-württembergische Ministerpräsident ist der Mann, der bei allen 27 Treffen dieser Art dabei war. Zu Beginn seiner Rede erinnert er an die Amokfahrt in Mannheim am Rosenmontag und dankt dem pakistanischen Taxifahrer, der sich dem mutmaßlichen Täter mit seinem Wagen mutig in den Weg gestellt haben soll. „So ist unser Land in der Mehrheit“, sagt Kretschmann und kommt anschließend auf den Tatverdächtigen zu sprechen.
Kretschmann: „Müssen unsere Bürgerinnen und Bürger besser schützen“
Rund um den 40-jährigen Deutschen hatten sich kurz nach seiner Festnahme Gerüchte über dessen Herkunft verbreitet. Hatte er einen Migrationshintergrund? War es ein islamistischer Anschlag? „Das ist gefährlich“, warnt Kretschmann und stellt klar: „In einer zivilisierten Gesellschaft wartet man erst auf die Fakten, bevor man ein Urteil fällt.“ Denn, betont der Ministerpräsident in seiner gewohnt leidenschaftlichen Art: „Wenn man das umgekehrt macht, dann legt das nicht nur die Axt an die Demokratie, sondern an die Gesellschaft.“ Jenen Leuten, die solche Gerüchte verbreiteten, gehe es „nicht um Menschen oder um unser Land“, sagt der 76-Jährige.
Und doch sieht er nach solchen Taten auch die Verantwortung bei sich und den anderen politischen Verantwortlichen. „Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger besser schützen“, sagt Kretschmann. Nach jedem solcher Anschläge überprüfe man mögliche Schwachstellen, um „unser Land noch sicherer zu machen“.
„Ja wohin schiebt man einen Deutschen ab?“, ruft Cem Özdemir
Dazu gehöre ebenfalls das Thema Migration, weil immer wieder auch Flüchtlinge zu Tätern werden. „Wir müssen irreguläre Migration begrenzen“, fordert der Ministerpräsident eindringlich. Erzieher seien knapp, Therapeuten, Integrationskräfte – „alles isch knapp“, sagt Kretschmann und zitiert den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Humanität gebe es nur in der Ordnung, so Kretschmann.
„Wenn wir das machen“, gibt sich der Grünen-Politiker überzeugt, „dann wird die AfD 2030 halbiert sein.“ Auch der ihm nachfolgende Redner, der den 76-Jährigen im kommenden Jahr als Ministerpräsident ablösen will, nimmt Bezug auf die Tat in Mannheim: „Ja wohin schiebt man einen Deutschen ab?“, ruft Cem Özdemir die rhetorische Frage zum Tatverdächtigen in die Halle und richtet sich wie Kretschmann an den politischen Gegner von rechtsaußen: „Das zeigt, was die Radikalen der AfD da an vermeintlichen schnellen Lösungen vorgaukeln.“ Özdemir berichtet von Migranten, die bei jeder Tat zusammenzucken – aus Angst, der Täter könnte ebenfalls Migrationshintergrund haben, was wieder Pauschalisierungen nach sich folgen lasse. „Wir müssen sie alle bekämpfen“, ruft der Bundesminister: Rechtsradikale, Linksradikale, Islamisten.
Vorbild Kretschmann: „Miteinander schwätzen, voneinander lernen“
Und er stimmt seinem Vorredner zu: „Wir brauchen Ordnung, eine Begrenzung der irregulären Migration.“ Aber gleichzeitig auch eine „harte Hand gegen Rassismus und jede Art von Antisemitismus“. Özdemir bedauert: „Wir leben in schwierigen Zeiten, die Welt ist geradezu aus den Fugen.“ Was gibt da Zuversicht? Sein Vorredner liefert zwei Punkte: Die Verteidigung der „Herrschaft des Rechts“ auf der einen Seite und die „Kreativität des Menschen“ auf der anderen. Jeder Mensch sei ein Unikat und könne „denken, sagen, erfinden, was noch niemand davor getan hat“, so Kretschmann: „Daraus entsteht Zuversicht.“
Özdemir sieht in dessen Arbeit als Ministerpräsident in den vergangenen Jahren ein echtes Vorbild, er schließt seine Rede mit den Worten: „So wie es Winfried Kretschmann seit 14 Jahren vorlebt: miteinander schwätzen, voneinander lernen und mutig voraus.“ Dann erhält auch der Mann, der Kretschmanns Erbe nach der Landtagswahl 2026 im Visier hat, Standing Ovations und langen, lauten Applaus.

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Lange Warteschlange vor der Stadthalle: Nur wer angemeldet ist, kommt rein.

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Das Gebiet rund um die Stadthalle ist abgesperrt und wird von Polizisten gesichert.

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält eine eindringliche Rede beim politischen Aschermittwoch seiner Partei.

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Cem Özdemir ist einer der prominenten Gäste in der Biberacher Stadthalle: Der Bundesminister und Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl im kommenden Jahr.

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Die Grünen-Bundesvorsitzende Franziska Brantner in ihrer fiktiven Rolle als Tagesschau-Sprecherin.