Werkstattflair trifft Kunst und Musik

200 Jahre Paulinenpflege Winnenden: Beim Tag der offenen Tür zum Jubiläum in der Werkstatt Murrhardt erhalten die Gäste Einblicke in die verschiedenen Arbeitsbereiche. Dort sind auch Bilder von Jörg Tilmann Adickes ausgestellt.

Werkstattleiter Joachim Exner (Mitte) führt die Gäste durch die Arbeitsräume. Foto: Elisabeth Klaper

Werkstattleiter Joachim Exner (Mitte) führt die Gäste durch die Arbeitsräume. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Großes Interesse findet der Tag der offenen Tür in der seit 1989 bestehenden Werkstatt Murrhardt im Rahmen des Jubiläums 200 Jahre Paulinenpflege Winnenden. Am nördlichsten Standort der diakonischen Einrichtung sind zurzeit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, 115 Menschen mit Behinderungen sind dort beschäftigt oder werden betreut. 1823, als im Königreich Württemberg große Not und Armut herrschten, Folgen der Napoleonischen Kriege und von Missernten nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien, gründete Pfarrer Friedrich Jakob Philipp Heim die Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, erzählt Vorstand Carlo Noé. Daraus ging die nach Königin Pauline benannte Institution mit drei Tätigkeitsfeldern hervor: Berufsbildung für hör- und sprachbehinderte Menschen, Jugendhilfeverbund, Wohnangebote und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.

Paulinenpflege hat 3500 Plätze im Land

Heute hat die älteste selbstständige diakonische Einrichtung im Land 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 3500 Maßnahmenplätze, so der kaufmännische Geschäftsführer. In den Backnanger Werkstätten werden am Standort Murrhardt zurzeit 14 Personen im Berufsbildungsbereich für verschiedene Tätigkeiten ausgebildet, 78 Personen sind im Arbeitsbereich beschäftigt, und 17 Personen mit schweren Behinderungen in der Fördergruppe betreut, informiert Werkstättengeschäftsführer Gerhard Schmidt.

Auf einem Rundgang mit Werkstattleiter Joachim Exner erhalten die Gäste viele spannende Einblicke in die Werkstatt. Deren Arbeitsräume sind in den vergangenen zwei Jahren mit Investitionen von 1,2 Millionen Euro grundlegend umgebaut, saniert und renoviert worden, wobei die Beschäftigten eigene Ideen einbrachten. Dabei aktualisierte man den Brandschutz und optimierte die Raumstrukturen. Vorher waren die Räume ziemlich verschachtelt, nun gewann man viel Platz. Die Räume sind großzügig und freundlich hell, die Gestaltung wird noch vervollkommnet.

Die Beschäftigten arbeiten teilweise in multifunktionalen Gruppen: „Wir können viele verschiedene Arbeiten erledigen für unsere Auftraggeber, Industrieunternehmen der Region“, betont Exner. Das Leistungsangebot umfasst Metallbearbeitung, Kabelkonfektionierung und Laserbeschriftung von Objekten aller Art, zudem die Montage von Teilen für unterschiedliche Verwendungszwecke, beispielsweise Spülventile für die Wasseraufbereitung. Überdies läuft dort die Verpackung von kleinen und größeren Teilen, unter anderem für Solaranlagen oder Wohnmobile sowie für Mini-Halogen-Glühbirnen für Backofenbeleuchtungen.

„Wir können flexibel auf die Wünsche unserer Auftraggeber reagieren“: Zurzeit sei man dabei, neue Arbeits- und Tätigkeitsfelder sowie entsprechende Gruppen einzurichten. Dazu gelte es, die mechanische Fertigung in die große Halle und die Montage in den Hauptbau zu verlegen, erklärt der Werkstattleiter. Gemäß dem Paulinenpflege-Slogan „Weil das Leben bunt ist“ erstrahlen die beiden Speisesaalräume nun in fröhlichen Orangefarbtönen. Apropos Farbe: Eine große Attraktion ist die Ausstellung von Bildern des Künstlers Jörg Tilmann Adickes, die sich an verschiedenen Orten in den Werkstatträumen finden. Er hat bezaubernd schöne Aquarelle geschaffen, meist mit Bleistift- oder Tuschelinien, die Flächen mit vielfältigen Farbnuancen umranden, und Seidenmalereien. Zu sehen sind Selbstporträts und Bilder zu den Themen Wasser, Erde, Luft, christliche Spiritualität und Abstraktion. In ihnen gibt es eine Fülle an realistischen, surrealistischen und fantasievollen, gegenständlichen und abstrakten Details zu entdecken. Seine Inspirationsquellen waren chinesische und japanische Farbholzschnitte, asiatische Gebirgslandschaften mit Wasserfällen sowie Tiere und Pflanzen in verschiedenen Lebensräumen, erzählt der Künstler.

Sehr gut kommt auch das Rahmenprogramm mit musikalischen Darbietungen des Vokalensembles der Riebesam-Stiftung, das Sarah Rehberg leitet, an. Die Sängerinnen Melina Tosic, Charlotte Onnen, Annika Rühle und Emma Schmitz begeistern mit klangschönen Stimmen und schwungvoller Performance bekannter Melodien und eines afrikanischen Songs. Eine Kostprobe seiner Virtuosität gibt Stipendiat Hendrik Wagner am Klavier mit einem Satz aus einer Beethoven-Sonate.

Familien mit Kindern vergnügen sich am Glücksrad und beim Dosenwerfen, auf dem Spiele- und Rolliparcours, mit Kinderschminken und der Tombola. Viel Spaß machen Selina Pirito und Didi Werner Kurt, die „Stars“ der Werkstatt, mit augenzwinkernden Schlagerparodien. Für tolle Stimmung sorgt die inklusive Band The Cool Chickpeas aus Backnang mit fetzigen, poppig-rockigen Songs.

Adickes-Ausstellung bis Ende 2023

Öffnungszeiten Bis zum Jahresende kann die Ausstellung der Bilder von Jörg Tilmann Adickes während der Öffnungszeiten der Werkstatt besichtigt werden: montags bis freitags jeweils von 9 bis 15 Uhr. Die Werkstatt in Murrhardt befindet sich in der Chemnitzer Straße 19.

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Erstellt:
17. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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