Land profitiert von Ausnahme bei der Grundsteuer
Nachbarn in der Halbhöhe stöhnen unter happigen Aufschlägen durch die neue Grundsteuer und fragen sich: Was zahlt der Staat?

© Lichtgut//Ferdinando Iannone
Bestlage, aber kaum Grundsteuer: Villa Reitzenstein, hier bei einer Publikumsveranstaltung Bestlage, aber kaum Grundsteuer: Villa Reitzenstein, hier bei einer Publikumsveranstaltung.
Von Konstantin Schwarz
Stuttgart - Auch drei Monate nach der Einführung der neuen Grundsteuer im Land stellen sich für viele Eigentümer Fragen. Beim Haus- und Grundeigentümerverein Stuttgart „stehen die Telefone nicht still und die Postfächer laufen über“, sagt der Sprecher Marius Livschütz. Nach wie vor seien Hausbesitzer unsicher, wie sie auf eine häufig unerwartete Vervielfachung der Steuerlast reagieren können. Dabei muss man auch an Fristen denken (siehe unten).
Angesichts heftiger Aufschläge in guten Wohnlagen mit großen Gärten blickt manch Eigentümer neugierig über den Nachbarszaun – und fragt sich, mit welchen Beträgen zum Beispiel Villen in Halbhöhe künftig belastet werden. Konkret: die Villa Reitzenstein, Dienstsitz des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Der befand auf Anfrage, dass „jemand, der künftig mehr bezahlen muss, bisher zu wenig bezahlt hat“. Das ist wohl möglich, führte bei den Lobbyisten aber zu gestiegenem Blutdruck, schließlich habe der Gesetzgeber selbst eine Anpassung, die alle sechs Jahre vorgeschrieben gewesen sei, über Jahrzehnte versäumt. „Schuldzuweisungen an die Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Situation fehl am Platz“, so Sebastian Nothacker und Thomas Haller, die Vorstände von Haus und Grund Württemberg und Baden, zu Kretschmann.
Natürlich ist der Ministerpräsident, der von seinem Dienstsitz an der Richard-Wagner-Straße auf 16 000 Quadratmeter Park blickt, nicht persönlich von der Grundsteuer betroffen. Was das Land für die Villa Reitzenstein aktuell bezahlt? Wohnbaufläche war in dieser Lage zum Stichtag 2022 mit 2630 Euro pro Quadratmeter bewertet worden. Das für Liegenschaften zuständige Finanzministerium muss bei der Frage passen. Die „finale Höhe“ der neuen Grundsteuer nach der Reform sei „in diesem Fall nicht bekannt“.
Die alte schon: 9140 Euro pro Jahr überwies man an die Stadt. Allerdings nur für einen Bruchteil der Fläche, denn nach Paragraf 4 des Landesgrundsteuergesetzes sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Steuer befreit – soweit der Besitz für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird. Auf dem Areal des Staatsministeriums muss daher für Häuser Nummer 13, 15 (Villa), 17 und 19 nichts bezahlt werden. Steuer müsse für die Kantine im Haus 13 und die Tiefgarage entrichtet werden. Die Befreiung habe auch schon in der alten Rechtslage bestanden, so das Finanzministerium.
Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren absoluten Toplage des Landes. Für Neues Schloss, Kunstgebäude, Schauspielhaus, Oper, Kulissengebäude und Landtag samt Bürger- und Medienzentrum wird keine oder kaum Grundsteuer fällig, denn die Gemäuer werden ganz überwiegend dienstlich genutzt. Nur für den Weißen Saal im Neuen Schloss, erste Adresse für repräsentative Empfänge, wird Steuer fällig, denn dieser kann beim Amt Vermögen und Bau Baden-Württemberg gemietet werden. Vor der Reform zahlte das Land daher für den Schlossplatz 4 (Neues Schloss) 10 060 Euro Grundsteuer im Jahr. Auch hier sei die neue Summe nach der Reform noch nicht bekannt, so ein Sprecher des Finanzministeriums.
Für den baden-württembergischen Landtag kann die Auswirkung des neuen Gesetzes dagegen beziffert werden. Der Obolus ist hier für Gastronomie und Tiefgarage fällig. Bisher waren es 19 860 Euro im Jahr, nun weist der städtische Bescheid 4270 Euro aus, der Abschlag beträgt 78 Prozent. Im Bodenrichtwert-Informationssystem des Landes wird für diese Sonderbaufläche gar kein Wert ausgewiesen.
Weit bekannt und ein für die Bürgerschaft ein weit stärkerer Magnet als der Landtag ist eine Landesliegenschaft im Rotwildpark. Das Bärenschlössle, an einen Gastrobetreiber verpachtet und bei gutem Wetter stark frequentiert, belastete diesen bisher mit 375 Euro Grundsteuer im Jahr. Der Bodenrichtwert am Bärensee ist mit aktuell 1,50 Euro pro Quadratmeter (Forstfläche) nicht der Rede wert. Die neue Steuerhöhe sei dem Land auch hier noch nicht bekannt.
Grundsteuer-Seminar Der Verein Haus und Grund will mit einem Onlineseminar am Mittwoch, 19. März, Hilfestellung geben. Der Kurs, zu dem man sich unter www.hausbesitzerverlag.de/seminare anmelden muss, beginnt um 17.30 Uhr, die Teilnahme kostet 30 Euro.