Michi Beck von den Fantastischen Vier

Letztes Album der Fantas?

Die Fantastischen Vier lieben es, Musik zu machen, Songs zu schreiben, aufzutreten – trotzdem könnte das neue Album „Long Player“ das an diesem Freitag erscheint, das letzte sein. Meint zumindest Michi Beck – ernsthaft?

Michi Beck

© Moritz "Mumpi" Künster / Monsterpics

Michi Beck

Von Steffen Rüth

Smudo, Thomas D, Michi Beck und And. Ypsilon sind nicht nur eine Institution in der hiesigen Poplandschaft. Sie zeigen auf ihrem famosen neuen Album „Long Player“ auch 35 Jahre nach ihrer Gründung und Hits wie „Die da?!“ oder zuletzt „Zusammen“, was diese Band nach wie vor so einzigartig macht – oder, Michi Beck?

Auf „Long Player“ gibt es für jedes Alter viel zu entdecken. Die neuen Songs klingen frisch und doch gleichzeitig ein bisschen Oldschool. Was war der Plan?

Unser Ziel war es, einfach ‚real‘ zu sein, also echt und glaubwürdig. Wir wollten ein Album machen, das in erster Linie uns gefällt und in dem wir uns wiederfinden. Natürlich in der Hoffnung, damit Gleichgesinnte zu finden. Es sind also natürlich Elemente aus dem zeitgenössischen Hip-Hop und der modernen Popmusik drin, trotzdem steht „Long Player“ den Sounds der neunziger Jahre näher als dem, was aktuell so im Rap passiert.

Seit dem letzten Fanta-Album sind sechs Jahre vergangen. Wie schwer fällt es denn, den Fantas noch neue, musikalische Facetten hinzuzufügen?

„Long Player“ ist das Ergebnis einer sehr langen Schwangerschaft und einer komplizierten Geburt. Auch dieses Mal haben wir wieder mit ersten Fragmenten und Ideen angefangen, die so ein bisschen den Beginn einer neuen Produktion kennzeichnen. Aber das fühlte sich noch nicht so an wie „Wir machen ein neues Album“. Mit der gezielten Arbeit an der Platte haben wir vor ungefähr drei Jahren losgelegt. Eines der ersten Stücke war „Wiedersehen“, das schon während der Corona-Pandemie entstand und sich mit Angstzuständen befasst. Vor einem halben Jahr haben wir die Strophen, die während der Lockdown-Zeit entstanden, komplett überarbeitet und den Refrain über Bord geworfen, den nun unser Freund Seven aus der Schweiz singt.

Wie muss man sich diese Angstzustände vorstellen?

Kurz bevor es mit Corona losging, haben wir Ende 2019 mit der ganzen Familie ein Sabbatical in Spanien gestartet. Dort war der Lockdown viel krasser als in Deutschland. Die Kinder durften praktisch das Grundstück gar nicht mehr verlassen. Da beschäftigt man sich natürlich mit Ungewissheiten und Ängsten. Auch „Weekendfeeling“, das sich mit dem Bedürfnis beschäftigt, wieder feiern zu gehen, ist in dieser Zeit entstanden. Mehr aber auch nicht. Wir haben gemerkt, dass wir nicht die Band sind, die ein Album über Beklemmungen schreiben wollte. Wir sind einfach keine introvertierten Künstlertypen, die sich ein halbes Jahr wegschließen und mit was Tollem wieder rauskommen. Wir müssen rausgehen, das Leben leben, um darüber schreiben zu können.

„Runter von der Couch, wir bauen für die Kinder was auf“, heißt es in „Weekendfeeling“. Auch „44 Tausend“ handelt von der Euphorie, die ein Konzert in den Fantas auslöst. Und tatsächlich waren die Fantas in den vergangenen Jahren oft auf Tour, und bald geht es wieder los. Sind die Fantas livespielsüchtig?

Um ehrlich zu sein: Ja. Die Freude, live auf der Bühne zu stehen, ist einfach extrem greifbar und mit nichts zu vergleichen. Allerdings könnten wir es uns nicht vorstellen, eine reine Tingelband zu sein, die nur noch mit den größten Hits auf Tour geht. Es treibt uns schon an, auch neue Lieder live zu spielen. Das ist das Allerschönste. Und es dient auch unserem Broterwerb. So viele Streams, um mit neuer Musik signifikant Geld zu verdienen, werden wir wohl nie erreichen.

Die Fantas gibt es 35 Jahre, und es fällt auf, dass textlich in der Zeit zurückgereist wird. In „44 Tausend“ geht es ins Jahr 1991, in „5 Zimmer mit Bad“ sogar noch drei Jahre weiter zurück.

Ja, wir beschäftigen uns mehr mit der Vergänglichkeit und dem Faktor Zeit als früher. Deswegen haben wir die Platte ja auch „Long Player“ genannt. Es geht um das Bewusstsein, dass wir das schon über 35 Jahre lang machen, in derselben Besetzung. Und bei „44 Tausend“ vor allem darum, dass uns so viele Leute schon so lange begleiten.

Erreichen die Fantas noch neue Leute?

Bei unseren Shows im Sommer haben wir vor „Troy“ immer gefragt, wer uns zum ersten Mal sieht. Da waren jedes Mal rund die Hälfte der Arme oben, was uns positiv schockiert hat. Wir fragten uns „Wie kann uns jemand nach so langer Zeit zum ersten Mal sehen?“.

Und?

Ich denke, dass viele Kids durch „The Voice Of Germany“ zu uns gestoßen sind, wo Smudo und ich schon ziemlich lange in der Jury sitzen. Aber es waren tatsächlich auch viele Leute jenseits der vierzig das erste Mal da. Das hat uns motiviert, unsere Geschichte in „5 Zimmer mit Bad“ auf Tonträger festzuhalten. Weil wir auch wirklich stolz darauf sind, wie lange wir das schon machen.

Wie lange gibt es die Fantas noch?

Mit jeder Platte kommen wir der Möglichkeit näher, dass es unsere letzte ist. Man muss vorsichtig sein mit solchen Aussagen und wir sind nicht so drauf wie Howard Carpendale, der vier Abschiedstourneen nacheinander macht. Wenn wir so etwas entscheiden sollten, dann wollen wir uns hundertprozentig sicher sein.

Was heißt das konkret?

Es könnte sehr gut sein, dass „Long Player“ unser letztes Album sein wird.

Sicher?

Nein. Ich habe auch vor 28 Jahren gesagt, dass ich mit 30 nicht mehr auf der Bühne stehen werde. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich behaupten will, ich werde mit über 60 nicht mehr auf der Bühne stehen. Ich werde im Dezember 57 und ich will mich nicht später Lügen strafen lassen.

Ist man irgendwann zu alt, um aufzuhören?

(lacht): Ja, so ist es. Irgendwann ist es zu spät. Die Alternativen werden halt auch weniger.

Was auf „Long Player“ ausgeklammert wird, ist die Politik. Weshalb?

Wir hatten auf dem letzten Album schon fast vorausschauend den Titel „Endzeitstimmung“ gemacht. Obwohl die Lage damals noch gar nicht so schlimm war, wie sie unserer Meinung nach jetzt ist. Was die globalen Kriegssituationen, den Klimawandel, die wirtschaftliche Verfassung Deutschlands oder das Migrationsthema angeht, ist es im Vergleich zu 2018 ja noch deutlich brisanter geworden. Wenn wir wollten, hätten wir eine rein politische Platte machen können. Aber das sind wir nicht. Dafür haben Songs wie „Gebt uns ruhig die Schuld“ oder „Endzeitstimmung“ mehr Gültigkeit denn je.

Unpolitisch sind die Fantas aber nicht.

Nein, wir sind schon auch eine politische Band. Wir unterstützen seit zwanzig Jahren „Laut gegen Nazis“, wir haben kürzlich in Jamel bei „Rock den Förster“, einem Festival für Demokratie und Toleranz, gespielt. Wir finden das alles extrem wichtig. Aber momentan geht es uns in unserem Schaffen mehr darum, dass wir so ziemlich das einzige Sprachrohr unserer Generation sind. Die Babyboomer wie Grönemeyer, Westernhagen, Lindenberg sind zehn bis zwanzig Jahre älter, auch die Hosen oder die Ärzte sind schon über sechzig. Uns ist es wichtig, das Lebensgefühl der Mitte 40- bis Mitte 50-Jährigen musikalisch abzubilden und in Worte zu fassen. Das ist unser roter Faden.

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Erstellt:
3. Oktober 2024, 20:13 Uhr

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