Bundestagswahlkampf
Linke startet die „Mission Silberlocke“
Die alten Haudegen Gregor Gysi (76), Bodo Ramelow (68) und Dietmar Bartsch (66) sollen die für den Wiedereinzug in den Bundestag dringend benötigten Direktmandate holen.
Von Norbert Wallet
Von Angela Merkel lernen, heißt siegen lernen. Offenbar ist Dietmar Bartsch zu dieser für einen Linken-Politiker doch durchaus erstaunlichen Einsicht gelangt. Jedenfalls sitzt er zusammen mit den Parteifreunden Gregor Gysi und Bodo Ramelow am Mittwoch auf dem Podium der Bundespressekonferenz und fasst seine Zuversicht, was den Wiedereinzug seiner arg geschwächten Partei in den Bundestag angeht, in die bekannte Merkel-Formel „Wir schaffen das!“
Weil aber die CDU-Kanzlerin für einen aufrechten Linken dann vielleicht doch keine restlos verlässliche Referenzgröße ist, wechselt Bartsch das Spielfeld von der Politik zum Sport. Friedhelm Funkel sei aus dem Ruhestand zurückgekommen und habe die Zweitligakicker aus Kaiserslautern ins DFB-Pokalfinale geführt, sagt er. Merke: Alte Haudegen können mit ihrer Erfahrung in Notlagen noch immer sehr hilfreich sein.
Linke setzt in sechs Wahlkreisen auf Sieg
Die Linke hat diese Sicht der Dinge so sehr überzeugt, dass sie nun die „Mission Silberlocke“ ausruft. Die drei Parteisenioren Gysi (76), Ramelow (68) und Bartsch (66) sollen es richten. Die Partei möchte bei der kommenden Bundestagswahl mit diesen prominenten Köpfen drei Direktmandate erringen. Das wäre für die Linke extrem wichtig, denn damit wäre der Wiedereinzug in den Bundestag auch dann gesichert, wenn sie bundesweit unter der 5-Prozent-Marke verharren würde. Gysi bewirbt sich in Berlin (Treptow-Köpenick) um das Mandat, Dietmar Bartsch in Rostock und Bodo Ramelow im Wahlkreis Weimar-Erfurt.
Die drei Oldies sind die bekanntesten Köpfe des Projektes. Insgesamt möchte sich die Partei sechs Wahlkreise herauspicken, in denen sie ganz auf Platz eins setzt. Sören Pellmann hat bereits zweimal den Wahlkreis Leipzig II direkt geholt. Die Co-Parteichefin Ines Schwerdtner soll in Berlin-Lichtenberg besonders unterstützt werden, und ein sechster aussichtsreicher Bewerber soll noch ermittelt werden.
Das Trio soll die Linke auch bundesweit über 5 Prozent hieven
Die Parteiführung erhofft sich dadurch einen zweifachen Effekt. Ines Schwerdtner spricht von einer „Doppelstrategie“: Wenn die Wähler einigermaßen sicher erwarten können, dass die Linke die drei Mandate direkt holt, können sie auch in anderen Regionen leichteren Herzens ihre Stimme für Linke abgeben. Sie wäre nicht verloren, weil die drei Mandate den Einzug ins Parlament mit praktisch jedem Stimmergebnis sichern würden. Die „Silberlocken“ sollen auf diese Weise also auch helfen, das Wahlergebnis insgesamt respektabel zu machen.
Medial ist die „Mission Silberlocke“ ein geschickter Schachzug. Das Seniorentrio wird bestimmt einige Aufmerksamkeit generieren. Die soll genutzt werden, um eine zentrale Botschaft zu platzieren, die Gysi so formuliert: „Wenn wir den Wiedereinzug nicht schaffen, dann kommen linke Argumente im Bundestag und in der gesellschaftlichen Debatte nicht vor.“ Bartsch fasst es in andere Worte: „Gerade unter einem Kanzler Friedrich Merz wird es wichtig sein, dass es eine Stimme gibt, die sich um die kümmert, die geringes Einkommen haben.“
Die Parteiführung spricht euphorisch von einem „Garantiebrief“
Das soll auch im Wahlkampf die zentrale Rolle spielen: „Fragen zum Gegensatz von Arm und Reich, die Forderung nach beitragsfreier Bildung, einer Kindergrundsicherung für jedes Kind und die Angst vor Altersarmut“ zählt Ramelow zu den Kernelementen der linken Kampagne.
Die Parteispitze nennt die „Mission Silberlocke“ euphorisch einen „Garantiebrief“ für die Bundestagswahl. Tatsächlich dürften Gregor Gysi und Bodo Ramelow sehr gute Chancen auf das Direktmandat haben. Dietmar Bartsch wird kämpfen müssen. 2021 landete er deutlich hinter der SPD-Konkurrentin. Gut möglich, dass mit dem 47-jährigen Sören Pellmann in Leipzig doch ein Vertreter der jüngeren Generation die Linke über die Ziellinie tragen muss.