Synchronschwimmen bei Olympia

Männer ausdrücklich erlaubt, aber nicht nominiert

Eigentlich dürften Männer an den Wettbewerben im Synchronschwimmen bei Olympia teilnehmen. Doch keine Nation hat in Paris einen Mann nominiert. Das hat gute Gründe.

Synchronschwimmen ist ein Sport der spektakulären Bilder – auch unter Wasser.

© IMAGO/Xinhua/IMAGO/Xia Yifang

Synchronschwimmen ist ein Sport der spektakulären Bilder – auch unter Wasser.

Von Michael Bosch/dpa

Flexibilität, Kraft, Ausdauer, Liebe zum Detail, Teamgeist und Koordination. Beim Synchronschwimmen sind alle diese Fähigkeiten gefordert. Lange Zeit wurde die Sportart, die seit den Spielen 1984 in Los Angeles zum olympischen Programm gehört, belächelt. Dabei haben die Teilnehmerinnen den Vergleich mit den Zehnkämpfern – den Königen der Athleten – durchaus verdient. Sie sind Leichtathletinnen, Schwimmerinnen und Sportgymnastinnen zugleich.

In den vergangenen Jahrzehnten war der Sport eine reine Frauendomäne. Aber das soll sich ändern. Bei den Spielen in Paris sind erstmals Männer zugelassen. Zwei von acht Teilnehmern beim Synchronschwimmen dürfen männlich sein, besagt das Regularium. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verkaufte die Regeländerung zwar als „bahnbrechende Neuerung“, im Grunde ist es das aber nicht. Seit 2015 dürfen Männer an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Und: Der Sport, der einst auch als Kunstschwimmen oder Wasserballett bezeichnet wurde, war zu Anfang ein rein männlicher. Erst ab den 50er-Jahren nahmen auch Frauen an Wettkämpfen teil. Die Entwicklung zum reinen Frauensport hat IOC nun zurückgedreht – zumindest versucht es das.

Synchronschwimmen: Warum sind keine Männer in Paris dabei?

Allerdings hat sich in Paris keine der zehn Nationen getraut, einen Mann zu nominieren. Das deutsche Team hat sich zwar nicht für die Sommerspiele qualifiziert, aber bei den Europaspielen im vergangenen Jahr nicht nur eine Silbermedaille erkämpft – das erste Edelmetall seit 40 Jahren –, mit dem ehemaligen Wasserspringer Frithjof Seidel war auch ein Mann dabei. Er gehörte auch zum Team, das in diesem Jahr in Belgrad EM-Gold holte.

Der 27-Jährige bedauert es, dass in Paris keine männlichen Athleten in seiner Sportart am Start sind. „Es ist schade, dass keine Nation die Chance wahrnimmt. Es wäre ein schönes Zeichen gewesen, wenn der ein oder andere Mann eingesetzt werden würde“, sagte der Berliner der Deutschen Presse-Agentur. Bei der neuen Teildisziplin „Acrobatic Routine“ könnte ein Mann durch etwa bessere Hebefiguren durchaus ein Gewinn sein. Dabei liegt der Fokus- wie der Name erahnen lässt – auf den akrobatischen Elementen. Die Teams müssen eine vorgeschriebene Anzahl an Hebe-, Sprung- und Balance-Elementen aus vorgegebenen Kategorien zeigen. In der technischen Kür und freien Kür ist jedoch (noch) das Gegenteil der Fall. Da ein Wechsel im Team in den Disziplinen nur bei einem Krankheitsfall möglich ist, wollten die Verbände dieses Risiko nicht eingehen. 

Wenn ein einzelner Mann im Team ins Wasser steigt, würden auch die Wertungsrichter vor allem auf ihn schauen, erklärte Bundeshonorartrainerin Stephanie Marx im Verbandsmagazin „Swim & More“: „Und wenn er erst mal einen Fehler macht, bleiben die Blicke erst recht bei ihm.“ Dies erhöhe die Gefahr des Punktabzugs, da selbst die besten männlichen Synchronschwimmer noch nicht die Qualität ihrer weiblichen Kollegen hätten. „Viele sind Quereinsteiger, die den Sport aus Leidenschaft und oft mit Eigenfinanzierung betreiben.“ 

Deswegen verzichteten auch Italien und die USA auf eine Olympia-Nominierung für ihre guten Synchronschwimmer Giorgio Minisini beziehungsweise Bill May. Die Französin Christina Marmet sagte diesbezüglich bei „Inside Synchro“: „Schämen wir uns nicht ein bisschen?“ Und auch Seidel, der schon bei einer WM dabei war und bei der EM in diesem Jahr Gold mit dem deutschen Team in der Acrobatic Routine gewann, meinte: „Das IOC wollte einen Kompromiss, aber das ist nicht optimal gelaufen.“

Synchronschwimmen: Das Wichtigste im Überblick

  • Olympisch seit 1984
  • Disziplinen: Duo und Mannschaftswettbewerb (jeweils mit freier Kür technischer Kür)
  • Becken: 25 mal 20 Meter, 3 Meter tief
  • Regeln: zehn Punktrichterinnen und -richter bewerten die Ausführung und Synchronität der Athletinnen und Athleten sowie den Schwierigkeitsgrad, die Choreografie und die Bewegungen zur Musik. Der Boden des Beckens darf bei der Übung nicht berührt werden.

Sind 2028 männliche Synchronschwimmer dabei?

Ob bei den kommenden Spielen (2028 in Los Angeles) männliche Synchronschwimmer starten? Zumindest gibt es Lösungsansätze, die das wahrscheinlicher machen. Den Tausch von einer Athletin gegen einen Mann für die Teildisziplin Acrobatic Routine zuzulassen, wäre einer. Den Einsatz von mindestens einem Mann für alle verpflichtend zu machen, ein anderer. „Ich vergleiche das gerne mit Frauenquoten für Führungspositionen von Unternehmen“, sagte Marx dazu. Seidel hofft dagegen eher auf die Zulassung des Mixed-Duetts durch das IOC. Für die olympischen Wettbewerbe in Paris haben sich keine deutschen Synchronschwimmerinnen qualifiziert.

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Erstellt:
7. August 2024, 11:54 Uhr
Aktualisiert:
7. August 2024, 13:14 Uhr

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