Neu im Kino: „Hagen – Im Tal der Nibelungen“
Männer, Waffen, dunkle Ränke
Die interessante Version der alten Sage, „Hagen – Im Tal der Nibelungen“, setzt zu sehr auf den Fantasy-Hype um Serien wie „Game of Thrones“.
Von Kathrin Horster
König Dankrat ist tot, es lebe König Gunter (der sich auf der Besetzungsliste des Films im Gegensatz zur Sage ohne ‚h’ schreibt)! Beiden hat der Waffenmeister Hagen von Tronje (Gijs Naber) Treue geschworen. Als der berüchtigte Drachentöter Siegfried von Xanten (Jannis Niewöhner) dem noch unerfahrenen Feldherrn Gunter (Dominic Marcus Singer) Hilfe im Kampf gegen seine Feinde anbietet, ist Hagen im Gegensatz zu seinem Herrn wenig begeistert. Auch, weil der großmäulige Siegfried Gunters Schwester Kriemhild (Lilja van der Zwaag) zur Frau will. Hagen ist nämlich in Kriemhild verliebt, unterdrückt seine Gefühle aber aus Loyalität zu Gunter. Siegfried dagegen ist der magisch begabten Walküre Brunhild (Rosalinde Mynster) verfallen, die Gunter wiederum für sich erobern will.
Die Grundzüge des Fantasy-Abenteuers „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ vom an der Filmakademie in Ludwigsburg ausgebildeten Filmemacher-Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert sind sattsam bekannt. Allerdings verfilmen Boss und Stennert nicht das hochmittelalterliche Nibelungenlied, sondern die eigenwillige, moderne Version des Fantasy-Schriftstellers Wolfgang Hohlbein aus dem Jahr 1986.
Ungebrochener Fantasy-Hype
Hagen, Mörder des Drachenbezwingers Siegfried, ist auch bei Hohlbein eine schillernde Figur, als Helden fürs Rampenlicht wie er wollte ihn zuvor jedoch kaum jemand sehen. Richard Wagner, Autor der vierteiligen Mega-Oper „Der Ring des Nibelungen“, zeichnete ihn als tragischen Schurken, der nach der Ermordung Siegfrieds und seines Halbbruders Gunther aus Gier nach dem Ring in den Fluten des Rheins stirbt. Im deutschen Faschismus musste Hagens sogenannte „Nibelungentreue“ zu Gunther als Synonym für die Loyalität zu Adolf Hitler herhalten. In der Adaption von Cyrill Boss und Philipp Stennert spielen ältere Bedeutungsschichten und Problemkomplexe keine Rolle. Stattdessen versucht das Duo, an den ungebrochenen Fantasy-Hype um Serien wie „Game of Thrones“ oder „Das Rad der Zeit“ anzudocken – nach der Kino-Auswertung ist „Hagen – im Tal der Nibelungen“ noch als RTL+-Serie zu sehen.
Der Ansatz, die alte Sage aus Hagens Perspektive zu erschließen, ist durchaus interessant. Vor allem, weil der blonde Siegfried hier nicht als lupenreiner Held durchgeht und damit auch Hagens Taten in anderem Licht erscheinen. Doch Boss und Stennert sind zu sehr auf die Schauwerte der fantastisch überformten Spätantike fixiert, viel zu wenig achten sie auf Charaktere und Dialoge. Zäh schleppt sich die Handlung, einsilbig, mit düsterem Blick und sorgenzerfurchter Stirn raunt das Personal. Die Bilder in Asche-Grau verhindern, dass man tiefer einsteigen will in diese Welt, in der Frauen wenig gelten und Männer neben ihren Waffen bloß Ränke schmieden.
Ein bisschen Zug in die Geschichte kommt erst mit dem Aufritt Brunhilds. Den Kampf der Geschlechter und die Eitelkeit der Männer, partout als Sieger daraus hervor gehen zu müssen, hätten Boss und Stennert mit mehr Humor darstellen können. So ist deren Adaption nicht viel mehr als eine langweilig altmodische Jungsfantasie.
Hagen – Im Tal der Nibelungen. Deutschland 2024. Regie: Cyrill Boss, Philipp Stennert. Mit Gijs Naber, Rosalinde Mynster. 135 Minuten. Ab 12 Jahren