Zweiter tödlicher Angriff nach Mord an Rouven Laur

Mannheimer sind schockiert: „Das muss aufhören!“

Am Rosenmontag rast ein Mann in der Mannheimer Innenstadt in eine Menschenmenge. Es gibt zwei Tote und mehrere Verletzte. Die Tat soll nicht politisch oder religiös motiviert gewesen sein, es gibt Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Tatverdächtigen.

Die Ermittlungen nach der Todesfahrt in Mannheim dauern an.

© AFP/THOMAS LOHNES

Die Ermittlungen nach der Todesfahrt in Mannheim dauern an.

Von Florian Dürr

Dieses Geräusch war „kein Alltägliches“, sagt Enes Yildiz, wenn er über das spricht, was sich unmittelbar in der Nähe seines Büros in der Mannheimer Innenstadt am Rosenmontag abgespielt hat. „Ich habe einen Aufprall gehört, aber keinen mit 10 km/h, sondern locker 80 km/h“, sagt der 24-Jährige, der in einer Steuerkanzlei arbeitet. Mit seinen Kollegen ist er sofort ans Fenster gerannt, dann hätten sie nur noch Schreie gehört. Yildiz hat früher mal als Polizist gearbeitet, wusste, was in so einer Situation zu tun ist. Doch auch er hat mit den Bildern, die ihn unten auf der Straße erwarten, zu kämpfen. „Da lag eines der Todesopfer, sein Körper war so verformt, da war der rechte Arm gefühlt auf der linken Seite“, erzählt der 24-Jährige.

Was war das Motiv?

Das Opfer, von dem Yildiz erzählt, ist vermutlich eines von zwei, die bei der Tat in der Mannheimer Innenstadt am Montag ums Leben kamen: Ein 54-jähriger Mann und eine 83-jährige Frau. Ein Mann ist zuvor mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren. Elf Menschen werden verletzt. Beim mutmaßlichen Täter soll es sich um einen 40-jährigen Deutschen aus Rheinland-Pfalz handeln. Er soll laut Polizeibehörden als Einzeltäter gehandelt haben. Die Tat soll nicht politisch oder religiös motiviert gewesen sein, es gibt Hinweise auf eine psychische Erkrankung.

Wie Augenzeugen berichten, soll der Tatverdächtige mit seinem Wagen vom Friedrichsring kommend in die mehrere Hundert Meter langen Planken, die Haupteinkaufsstraße, gerast sein und auf Höhe des Paradeplatzes mehrere Passanten an- oder umgefahren haben. Auf den Planken und rund um den Wasserturm fand am Rosenmontag ein Fasnachtsmarkt mit Dutzenden Imbissbuden und Fahrgeschäften statt. Der mutmaßliche Fahrer wurde später von der Polizei festgenommen und liegt derzeit verletzt in einer Klinik. Die Polizei bestätigte am Abend, dass sich der Mann bei seiner Festnahme mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen habe.

„Massenunfall“ für die Klinik

Die Uniklinik bereitete sich nach der Tat auf einen „Massenunfall“ vor. Im Klinikum sei sofort der Katastrophen- und Einsatzplan umgesetzt worden, mit dem die Versorgung von Verletzen vorbereitet wird, hieß es. Es seien insgesamt acht Traumateams bereitgestellt worden, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder.

Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer berichtete bei einer Pressekonferenz am Abend, dass der Autofahrer gezielt in die Menschenmenge gefahren sei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die „furchtbare Gewalttat“ und sprach von einem „Horror in der Mittagspause“. Ihre Gedanken seien bei den Angehörigen der Getöteten. Sie wünsche allen Verletzten baldige und vollständige Genesung. Der Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (CDU), sagte, die Tat reihe sich in einer Reihe von Straftaten ein, in der ein „Auto als Waffe missbraucht“ worden sei. Motivation und Hintergründe der Tat müssten jetzt schnell möglichst aufgeklärt werden, forderte Strobl.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach den Angehörigen der Getöteten, den Verletzten und der Bürgerschaft von Mannheim seine Anteilnahme aus. „Wir können nur traurig sein und Anteil nehmen“, so Kretschmann. Einen hundertprozentigen Schutz könne es „leider nicht geben“. Es sei „tragisch“, dass in Mannheim wieder eine so schlimme Tat passiert sei.

Erst vor zweieinhalb Wochen war in München ein Mann aus Afghanistan mit einem Auto in eine Verdi-Demonstration gerast, dort gab es zwei Tote. In Magdeburg war am 20. Dezember ein Mann aus Saudi-Arabien mit seinem Auto auf dem dortigen Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge gefahren, sechs Menschen starben.

Mannheim war zuletzt im Mai 2024 bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Damals, am 31. Mai, hatte der Afghane Sulaiman A. auf dem Mannheimer Marktplatz fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Beamte Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen.

Ferry Overdevest, ein Blumenverkäufer aus den Niederlanden, erinnert sich an den mutmaßlich islamistischen Anschlag. Viele hätten danach bei ihm Blumen gekauft, um sie am Mannheimer Marktplatz in Gedenken an den getöteten Polizisten niederzulegen. „Erst dort, jetzt hier“, sagt der 33-Jährige und zeigt in Richtung Paradeplatz, wo Polizisten am Montag nach der weiteren tödlichen Tat Spuren sichern. „Das muss aufhören“, fordert Overdevest. Dass jetzt in den nächsten Tagen wieder viele Menschen zu ihm in seinen Laden „Oranje Blumen“ kommen, darauf würde er gerne verzichten. „Das ist der falsche Grund, um Blumen zu verkaufen, ich möchte das bei schönen Anlässen“, sagt er. Auch Yildiz erinnert sich an den 31. Mai des vergangenen Jahres. Für den 24-Jährigen ist der Arbeitstag am Montagmittag beendet. „Nach so einer Tat kann man nicht mehr weiter arbeiten.“

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Erstellt:
3. März 2025, 21:26 Uhr

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