Tierquäler in Baden-Württemberg

Mehr gewalttätige Übergriffe auf Pferde

In Baden-Württemberg werden immer öfter Pferde auf grausame Weise verletzt oder getötet. Die Täter, auch „Pferderipper“ genannt, agieren meist in der Nacht und hinterlassen verstörende Spuren.

Pferde, die alleine auf eine Weide stehen, können schnell Opfer von Angriffen werden.

© dpa/Uwe Anspach

Pferde, die alleine auf eine Weide stehen, können schnell Opfer von Angriffen werden.

Von René Wolff

Für Pferdebesitzer ist es ein Albtraum: Sie kommen zur Weide und finden ihr Pferd verletzt vor, das Blut auf den Feldern verteilt, oder das Tier liegt gar tot auf der Wiese. Immer wieder werden Pferde Opfer von schweren Gewalttaten. Die Täter, umgangssprachlich auch als „Pferderipper“ bezeichnet, verstümmeln, quälen und töten die Pferde oft auf grausame Weise.

In Baden-Württemberg wurden in diesem Jahr bereits mindestens zehn Pferde, mutmaßlich zum Opfer solcher mutwilligen Übergriffe, wie eine Anfrage unserer Redaktion an die zuständigen Behörden zeigte. Die Tiere erlitten Schnittwunden, wurden vergiftet oder ihnen wurde der Schweif abgetrennt, ohne das Tier direkt zu verletzen.

Täter sind schwer zu ermitteln

In Balingen im Zollernalbkreis wurde kürzlich ein Pferd mit mehreren Schnitten verletzt – nicht zum ersten Mal in diesem Jahr, da dasselbe Pferd bereits im Juni attackiert wurde. Ein weiteres Pferd auf demselben Gelände wurde im Mai mit Schnitten verletzt. In Ettenheim im Ortenaukreis wurden zwischen Mai und Juni zwei Pferde vergiftet, und in Riedlingen-Pflummern (Kreis Biberach) wurde ein Pony mit einem scharfkantigen Gegenstand so sehr verletzt, dass es eingeschläfert werden musste. (Weitere Fälle zeigt die Karte)

Besonders betroffen sind frei laufende Pferde auf Koppeln. Die Berichte von Vorfällen dieser Art sind mitunter erschreckend. Manche Tiere werden so stark verletzt, dass sie qualvoll verenden oder eingeschläfert werden müssen. Das Ermitteln der Täter gestaltet sich oftmals schwer oder sie werden teilweise gar nicht gefasst. „Wenn es keine Zeugen oder objektive Beweismittel gibt, wird es extrem schwierig solche Fälle aufzuklären“, erklärt Jürgen Glodek, Pressesprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg.

Macht und perfide Neigungen als Motiv

In manchen Fällen setzt die Tierschutzorganisation PETA sogar eine Belohnung für Hinweise aus, die zur Überführung der Täter führen. Doch nicht jede Schnittverletzung bei Pferden ist das Werk eines Tierquälers oder „Pferderippers“. In einem Fall in Blumberg (Schwarzwald-Baar-Kreis) ging man zunächst von einem Angriff aus, bis die Polizei durch Videoaufnahmen feststellte, dass ein Pferd ein anderes getreten hatte und es sich dann an einem Blech im Stall schnitt. Dennoch handelt es sich in einigen Fällen um Tierquälerei, den Pferden wird bewusst Leid zugefügt.

Die Motive solcher Taten sind oft unterschiedlich und reichen von persönlicher Rache über Hass auf Pferde, bis hin zu sadistischen Neigungen. Den Tätern drohen dabei Strafen von bis zu drei Jahren Haft. „Im Zentrum der Taten stehen meist das Ausüben von Macht und Kontrolle über ein anderes, meist wehrloses Lebewesen. Pferde gelten in der Gesellschaft als besonders kraftvoll, edel und schön und nehmen dadurch auch für die Täter besonderen Symbolcharakter an“, erklärt Jana Hoger, Fachreferentin bei PETA.

Tierquälerei in der Spirale der Gewaltkriminalität

Dass dieses Verhalten auch über das Quälen von Tieren hinausgehen kann, beschreibt Volker Mariak, Kriminologe und Soziologe in seinem Buch „Die Spirale der Gewaltkriminalität“ in dem das Thema kriminologisch untersucht wird: „Da zweifelsfrei von der Relation Gewalt gegen Tiere – Gewalt gegen Menschen auszugehen ist, besteht nicht nur aus ethischer Sicht die gesellschaftliche Pflicht zu präventivem Handeln“, außerdem sei Tierquälerei ein Hinweis auf gravierende Persönlichkeitsstörungen und ein Warnsignal vor möglichen Gewaltdelikten an Menschen.

Der Tübinger Professor und Psychologe Michael Schönenberg, der zu Persönlichkeitsstörungen forscht, erklärte hierzu: „Eines der Leitsymptome der Störung des Sozialverhaltens beinhaltet ‚Grausamkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren’. In (Gewalt)-Täterbiografien finden sich solche Delikte auch im Rückblick.“

Bundesweit hunderte Pferde verletzt oder getötet

Ein behördliches Register, in welchem die Fälle dokumentiert und verfolgt werden, gibt es nach Angaben der Tierschutzorganisation nicht, obwohl sie diese seit Jahren fordere; auch vor dem Hintergrund, dass solche Taten ein Indikator für schwerere Sexual- oder Gewaltdelikte sein können.

In der Region um Stuttgart wurden 2024 laut Polizeipräsidium noch keine Fälle verzeichnet. Dennoch gab es auch hier in den vergangenen Jahren einige Vorfälle. In Leinfelden-Echterdingen wurde 2022 ein Pferd aufgeschlitzt und kurze Zeit später wurden in Ludwigsburg zehn Pferde in einer Nacht mit Schnitten und Stichen verletzt. Bundesweit sind in den vergangenen Jahren hunderte Pferde von Tierquälern und „Pferderipper“ verletzt oder getötet geworden.

Schutz und Beobachtungen

PräventionZum Schutz der Pferde vor möglichen Tätern empfiehlt die Tierschutzorganisation PETA, Koppeln und Ställe mit Videoüberwachung zu sichern und die Pferde nachts in abschließbare Ställe zu bringen. Kontrollgänge zu unregelmäßigen Zeiten seien ebenso wie die Installation von Bewegungsmeldern empfehlenswert. Auch das Vernetzen mit anderen Pferdehaltern kann helfen, die Sicherheit zu erhöhen. Beobachtungen sollten zudem der zuständigen Behörde gemeldet werden.

Zeugenaufruf Wenn sich Personen verdächtig an Koppeln beziehungsweise Pferdeställen zu schaffen machen, oder zu den oben genannten Fällen, Beobachtungen gemacht wurden, können sich Zeugen jederzeit bei der örtlichen Polizeidienststelle melden.

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Erstellt:
2. August 2024, 16:12 Uhr

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