Verkehr
Unfallrisiko E-Scooter: Zahl der Toten verdoppelt sich
Die Zahl der Todesopfer und Verletzten bei E-Scooter-Unfällen ist 2023 gestiegen. Experten sehen bei der Benutzung ein Risiko. Insbesondere Alter und Ort sind bei den Unfällen wichtige Faktoren.
Von Von Lukas Fortkord, dpa
Wiesbaden - Die Zahl der Toten bei E-Scooter-Unfällen hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. 22 Menschen starben auf Deutschlands Straßen, 2022 waren es elf Tote gewesen. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Insgesamt registrierte die Polizei im Jahr 2023 im Bundesgebiet 9.425 E-Scooter-Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Das waren 14,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor (8.260 Unfälle).
Immer mehr Schädel-Hirn-Traumata
1.220 Menschen wurden 2023 schwer verletzt und 8.911 leicht. Die überwiegende Mehrheit (83 Prozent) der Verunglückten war selbst mit dem E-Scooter unterwegs, darunter auch 21 der 22 Todesopfer.
"Wir sehen zunehmend schwere Schädel-Hirn-Traumata", sagte der Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universitätsmedizin Göttingen, Christopher Spering. Das könne mit der Nutzung der Scooter zusammenhängen, sagte er. So würden die Geräte oftmals in den Abendstunden und alkoholisiert gefahren werden - "das ist natürlich eine Kombination, die eher dazu führt, dass eher schwerere Verletzungen auftreten, weil die Reaktionsfähigkeit natürlich deutlich verlangsamt ist."
Fehlverhalten der Fahrer ist oft Unfallursache
Diese Auffassung deckt sich mit den Daten der Statistiker: Als häufigste Gründe für die Zwischenfälle nannte das Bundesamt die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege. Die E-Scooter-Nutzer müssen, so weit vorhanden, Fahrradwege oder Schutzstreifen nutzen. Ansonsten sollen sie auf Fahrbahnen oder Seitenstreifen ausweichen, das Fahren auf Gehwegen ist verboten.
Fast genauso häufig war das Fahren unter Alkoholeinfluss Grund für den Unfall, wie es vom Bundesamt hieß. Dritthäufigste Unfallursache: Viele der Fahrer waren demnach zu schnell unterwegs, danach folgte die Missachtung der Vorfahrt.
Ein Großstadt-Problem
Junge Menschen und Großstädte: Das sind zwei der Faktoren, die bei Unfällen mit E-Scootern eine große Rolle spielen. Den Zahlen zufolge waren rund 42 Prozent der verunglückten E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer im vergangenen Jahr jünger als 25 Jahre. Rund 80 Prozent der Unfallopfer waren demnach jünger als 45 Jahre.
Besonders viele Unfälle passieren laut den Statistikern in Großstädten - rund 60 Prozent aller E-Scooter-Vorfälle wurden in Städten mit mindestens 100.000 Einwohnern registriert. Mehr als ein Drittel der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden spielte sich in Städten mit mindestens einer halben Million Einwohnerinnen und Einwohnern ab. Bei Unfällen mit Pedelecs war dieser Anteil mit 12,3 Prozent und bei Fahrrädern ohne Motor mit 26,3 Prozent dagegen deutlich geringer.
Mediziner: Mit 14 ist man noch nicht reif
Nach Ansicht von Unfallchirurg Spering besteht ein Problem bereits in der Zulassung ab 14 Jahren. Jugendliche, die noch bis zu vier Jahre entfernt davon sind, einen Führerschein zu machen, seien oftmals nicht in der Lage, die Perspektive von Auto- oder Lkw-Fahrern einzunehmen. "Das heißt, sie können viel schlechter beurteilen, wie man sich verhält, damit Fahrer einen überhaupt wahrnehmen oder sehen. Und das ist eine große Herausforderung", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Die Scooter seien allerdings an sich schon eine Gefahrenquelle. "Die Räder sind enorm klein, wir haben einen langen Lenker, der allerdings in der Breite relativ schmal ist. Und hinzu kommt, dass ich Fahrtrichtungswechsel nicht gut anzeigen kann, weil einhändig Fahren super gefährlich ist", sagte Spering.
Auch fehlende Helme seien ein Problem: An Leih-E-Scootern hingen nicht "irgendwie Helme mit am Lenker, und ich trage selten einen Helm mit, wenn ich in eine Stadt erkunden will". Der Unfallchirurg schlussfolgert: "Das Fahrzeug als solches birgt schon Potenzial an Gefahren, und deswegen wundert es mich nicht, dass Verletzungszahlen und auch Todeszahlen hochgehen."
Oft sind es Zusammenstöße
Von den mehr als 9.000 E-Scooter-Unfällen waren gut ein Drittel Alleinunfälle – das heißt, es gab keine anderen Beteiligten. 12 der 21 auf E-Scootern Getöteten kamen bei Alleinunfällen ums Leben.
An knapp zwei Dritteln (6.115) der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden war eine zweite Verkehrsteilnehmerin oder ein zweiter Verkehrsteilnehmer beteiligt, meist war dies eine Autofahrerin oder ein Autofahrer (3.930 Unfälle). Zum Vergleich: Nur an 913 Zwischenfällen waren Radfahrer beteiligt.
Nicht registriert wurden bei den Unfallzahlen die Vorfälle, die durch unachtsam abgestellte E-Scooter verursacht wurden. In manchen Städten ist das Abstellen mittlerweile nur noch auf Sammelparkplätzen erlaubt.