Umgang mit der AfD

Merkels Rüffel für Merz – und was alle daraus lernen sollten

Angela Merkel nennt es „falsch“, dass Union und AfD im Bundestag einem Antrag gemeinsam zur Mehrheit verholfen haben. Friedrich Merz sollte genau hinhören, was die Altkanzlerin zu sagen hat – aber nicht nur er, kommentiert unser Redakteur Tobias Peter.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz spricht im Bundestag.

© dpa/Michael Kappeler

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz spricht im Bundestag.

Von Tobias Peter

Angela Merkel war 16 Jahre lang Kanzlerin. Sie hat für die CDU vier Mal Ergebnisse zwischen knapp 33 und mehr als 41 Prozent geholt. Sie hat, wenn man zum Beispiel an ihre Russlandpolitik denkt, nicht alles richtig gemacht. Insgesamt hat Merkel aber ein gutes Gespür dafür bewiesen, was gut für die CDU ist – und auch was gut ist für das Land.

Für CDU-Chef Friedrich Merz ist es die Höchststrafe, dass Merkel sein Verhalten im Umgang mit der AfD nun als falsch kritisiert. Merz hat, wie die Altkanzlerin es zutreffend beschreibt, „sehenden Auges“ bei der Abstimmung über einen Unionsantrag zur Migrationspolitik eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD in Kauf genommen – obwohl er noch im November versichert hatte, genau dies auf jeden Fall verhindern zu wollen.

Sind die Schuhe zu groß?

Wenn die einzige noch lebende CDU-Kanzlerin, eine der wichtigsten und erfolgreichsten Personen in der Geschichte der Partei, so etwas keine vier Wochen vor einer Bundestagswahl sagt, ist damit eine Botschaft verbunden. Merkel ist entsetzt über Merz‘ Verhalten in Sachen Bundestag und AfD. Auch wenn sie es nicht sagt, liegt der Eindruck nahe: Sie hat Zweifel an Merz‘ Eignung für das Kanzleramt, sie fürchtet, die Schuhe könnten zu groß für ihn sein.

Der Unionskanzlerkandidat, aber auch die SPD hören hoffentlich genau hin, was Merkel zum Thema Kompromisse mitzuteilen hat. Sie fordert, „dass alle demokratischen Parteien gemeinsam „in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts“ alles tun sollten, um schreckliche Gewalttaten wie in Magdeburg und Aschaffenburg zu verhindern.

Merz hat nach der Methode „Friss oder stirb“ SPD und Grüne vor die Wahl gestellt, seinen Vorschlägen zuzustimmen – oder sie seien eben verantwortlich für eine Mehrheit mit der AfD. Demokratie ist kein Pizzaservice, bei dem man genau bekommt, was man bestellt. Genau das versuchen Abgeordnete den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder zu vermitteln. In der föderalen, auf Ausgleich und gegenseitige Kontrolle angelegten deutschen Verfassung gilt das auch für den Bundeskanzler. Wer diese Erkenntnis nicht verinnerlicht, kann als Regierungschef nicht erfolgreich sein.

Reicht die SPD-Strategie aus?

Olaf Scholz wiederum meint, mit der Warnung vor einem schwarz-blauen Bündnis aus Union und AfD nun ein Erfolg versprechendes Wahlkampfthema gefunden zu haben. Das hat sich Merz, der ein solches Bündnis ausdrücklich ausschließt, mit seinem Manöver im Bundestag selbst zuzuschreiben. Der Kanzler und die SPD sollten sich allerdings fragen, ob es wirklich ausreicht, jetzt auf den frontalen Angriff gegen Merz zu setzen. Dass es mehr Ordnung beim Thema Migration braucht, sehen die meisten Menschen so. Was wäre es für ein starkes Zeichen, wenn Scholz noch einmal mit ernst gemeinten Vorschlägen auf Merz und die Union zuginge? Mit solchen, die über das hinausgehen, was SPD und Grüne ohnehin planen?

Durch die Berliner Republik weht derzeit nicht nur ein Hauch von Weimar. Es ist eine steife Brise. Das gilt zum einen, weil auch durch das punktuelle Zusammenwirken mit der in Teilen rechtsextremen AfD grundsätzlich etwas ins Rutschen geraten kann. Wie gefährlich das sein kann, zeigt auch ein Blick in europäische Nachbarländer.

Gleichzeitig stellt sich angesichts der unversöhnlichen Verhärtung zwischen den demokratischen Parteien zunehmend die Frage, wie es nach der Bundestagswahl überhaupt noch zu einer Regierungsbildung und einer erfolgreichen Zusammenarbeit kommen soll. Wenn sich am Ende nicht alle einen großen Ruck geben, wird man sich im Nachhinein womöglich noch an die Ampelkoalition als eine Phase der Stabilität erinnern.

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Erstellt:
30. Januar 2025, 16:42 Uhr
Aktualisiert:
30. Januar 2025, 17:52 Uhr

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