Finanzen
Merz unter Zeitdruck: Kommt jetzt die Blitz-Reform der Schuldenbremse?
Viele Parteien fordern mehr Geld für die Verteidigungspolitik. Nun gibt es die Idee, mit den Mehrheiten des alten Bundestags ein neues Bundeswehr-Sondervermögen umzusetzen – oder sogar die Schuldenbremse zu reformieren. Ein umstrittener Vorschlag.
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© dpa/Christoph Soeder
CDU-Chef Friedrich Merz steht eine schwierige Regierungsbildung bevor.
Von Tobias Heimbach
Im kommenden Bundestag haben Linke und AfD gemeinsam eine Sperrminorität. Das bedeutet, sie können eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr verhindern. Deswegen wird unter Union, SPD und Grünen diskutiert, ob man ein solches Projekt noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags umsetzen könnte. Warum das Manöver umstritten ist – und welche Optionen es noch gibt: ein Überblick.
Was steht zur Debatte?
Alle Parteien der Mitte sind sich einig: Die Herausforderungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind enorm. Russland führt weiter Krieg gegen die Ukraine und viele befürchten, dass Wladimir Putin schon bald die Nato angreifen könnte. Dass die USA unter Donald Trump den Europäern in einem solchen Fall beistehen würden, wird aktuell bezweifelt. Daher fordern viele Parteien, dass Deutschland mehr für Verteidigung ausgeben soll. Die Frage ist nun, woher das Geld kommen soll.
Was hat CDU-Chef Merz vorgeschlagen?
Friedrich Merz hatte am Montag eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen vorgeschlagen. Letzteres scheint sich nun als favorisierte Variante herauszukristallisieren. „Es ist in der nahe liegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren“, sagte Merz am Dienstag. Für ein neues Sondervermögen geisterte am Dienstag die Summe von 200 Milliarden Euro durch Berlin. Die Zahl wurde weder bestätigt noch dementiert. Merz bestätigte jedoch, dass es Gespräche darüber gebe. Derzeit sei es aber „viel zu früh, um etwas zu sagen“.
Reform der Schuldenbremse oder neues Sondervermögen: Wo ist der Unterschied?
Für Beides ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig. Ein Sondervermögen wäre eine einmalige Summe, mit dem Rüstungsprojekte finanziert werden können. Ein solches Sondervermögen verabschiedete die Ampel-Koalition mit Stimmen der Union im Jahr 2022, nachdem Russland den Angriff auf die gesamte Ukraine begonnen hatte. Die damals aufgenommenen 100 Milliarden Euro sind inzwischen fast vollständig in Verträgen gebunden – und der Bedarf weiter groß.
Zwar bedeutet ein Sondervermögen für eine gewisse Zeit Planungssicherheit, doch es hat auch Nachteile. Weil man das Geld auf einmal aufnimmt, mindert die Inflation die Kaufkraft. Zudem werden Zinsen fällig.
Die Reform der Schuldenbremse würde eine viel grundlegendere Veränderung bedeuten. Insbesondere SPD und Grüne wollen erreichen, dass nicht nur Investitionen in die Verteidigung ausgenommen werden, sondern auch in Infrastruktur, Sicherheit, die Modernisierung der Wirtschaft oder Bildung. Gegner befürchten, dass dies die Verschuldung Deutschlands in die Höhe treiben würde.
Darf der Bundestag mit der alten Mehrheit noch entscheiden?
Rechtlich ist das erlaubt, der neue Bundestag konstituiert sich erst Ende März, bis dahin kann der alte noch entscheiden. Politisch ist das Vorhaben aber trotzdem umstritten Schließlich haben die Deutschen erst am Sonntag ein neues Parlament gewählt.
Wie könnte man die Reform der Schuldenbremse oder das Sondervermögen umsetzen?
Fachleute sagen, dass die Umsetzung in beiden Fällen nicht kompliziert wäre. Es wird kein vielseitiger Gesetzestext benötigt, sondern nur recht kurze Passagen für eine Änderung des Grundgesetzes. Das Sondervermögen von 2022 wurde mit genau drei Sätzen im Artikel 87a im Grundgesetz eingeführt. Doch die Voraussetzung dafür ist ungleich schwieriger: eine politische Einigung. Erschwerend kommt hinzu: Es bleibt nur knapp ein Monat Zeit.
Wären Merz‘ Pläne auch mit dem neuen Bundestag denkbar?
Im neuen Bundestag haben Union und SPD eine Mehrheit, Verhandlungen über eine gemeinsame Koalition dürften in den kommenden Tagen beginnen. Mit dieser Mehrheit könnten sie künftig eine „haushaltpolitische Notlage“ erklären und damit eine höhere Schuldenaufnahme rechtfertigen. Das wäre aber keine langfristige Lösung des Problems – und zudem riskant. Es bliebe die Gefahr, dass das Verfassungsgericht so ein Vorgehen untersagt. Auf Stimmen der AfD wollen weder Union noch SPD angewiesen sein. Die Linke würde keinem Sondervermögen für die Bundeswehr zustimmen.