Diversität im Bundestag

Migrantische Abgeordnete bleiben unterrepräsentiert

Eine neue Studie zeigt: Zum ersten Mal seit 1994 stagniert der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Bundestag. Das liegt vor allem an zwei Parteien.

Nur 73 der 630 Mitglieder des neuen Bundestags haben einen Migrationshintergrund.

© dpa/Michael Kappeler

Nur 73 der 630 Mitglieder des neuen Bundestags haben einen Migrationshintergrund.

Von Maximilian Kroh

Kassem Taher Saleh ist einer von fünf. Neben dem sächsischen Grünen-Politiker gibt es im neu gewählten Bundestag nur noch vier weitere Abgeordnete, die einen Migrationshintergrund haben und aus Wahlkreisen in Ostdeutschland ins Parlament eingezogen sind. Taher Saleh ist 1993 im Irak geboren und kam 2003 nach Deutschland. Dort ging er in Plauen zur Schule, studierte in Dresden und arbeitete als Bauingenieur, bevor er 2021 über die sächsische Landesliste in den Bundestag einzog. In diesem Jahr schaffte er es auf Landeslistenplatz zwei erneut ins Parlament.

Gleichzeitig ist Taher Saleh aber auch einer von 73 – so viele Abgeordnete mit Einwanderungsgeschichte hat der neue Bundestag insgesamt. 73 von 630, das entspricht einer Quote von 11,6 Prozent. Damit ist der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Vergleich zur vorherigen Wahlperiode erstmals nicht gestiegen.

Überraschend ist das nicht. Schließlich sind es vor allem die Unionsparteien und die AfD, die bei der Bundestagswahl ihren Stimmanteil vergrößert hatten. Beide Parteien hatten schon 2021 den geringsten Anteil der Abgeordneten mit Einwanderungsgeschichte in ihren Reihen. 13 von 208 oder 6,3 Prozent der Abgeordneten sind es bei CDU/CSU im neuen Bundestag, die AfD kommt auf 9 von 152 oder 5,9 Prozent der Abgeordneten mit Einwanderungsgeschichte.

Bei den Grünen ist der Anteil von allen Fraktionen am größten. 17 ihrer 85 Abgeordneten haben einen Migrationshintergrund, das entspricht 20 Prozent. Doch auch mit seiner eigenen Partei ist Taher Saleh nicht zufrieden. „Was die Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund angeht, sind auch wir noch nicht da, wo wir hinmüssen“, stellt er klar. Bei der SPD sind es 21 von 120 Abgeordneten, bei der Linken 12 von 64. Aber: In der Gesamtbevölkerung haben laut Statistischem Bundesamt fast 25 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund – diesen Anteil von 29,7 Prozent erreicht keine der Fraktionen.

„Die Zahlen sind alarmierend“, sagt Didem Karabulut, die Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats. „So fällt es uns schwer, uns als Einwanderungsland zu begreifen.“ Ein Grund dafür, dass der Trend nicht weiter nach oben zeigt, sei die Wahlrechtsreform. „Die Parteien haben das neue Wahlrecht bei der Zusammenstellung ihrer Landeslisten nicht genug berücksichtigt.“ Ohne Überhang- und Ausgleichsmandate hatten Kandidaten auf den hinteren Listenplätzen kaum eine Chance auf den Einzug in den Bundestag. Dort standen vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, beide sind im Parlament unterrepräsentiert.

Menschen mit Einwanderungsgeschichte verbringen laut Karabulut häufig Jahre damit, sich beruflich und sozial in die Gesellschaft zu integrieren. Nebenbei politisch aktiv zu sein, Sitzungen des Ortsvereins zu besuchen und für die Gremienarbeit, dafür fehlt ihnen oft die Zeit. Ein zentrales Problem für Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der Politik ist zudem häufig das Netzwerken. Denn das gelingt besonders dann, wenn Menschen etwas gemeinsam haben. Und Migranten sind in Parteien eben unterrepräsentiert.

„Wir brauchen mehr Netzwerkgruppen“

Für alle Parteien gilt: Im Bundestag ändern sich die migrantischen Köpfe überdurchschnittlich oft. 45 Prozent der Abgeordneten mit Migrationsgeschichte sind neu gewählt. Im gesamten Parlament machen die Neuen nur 37 Prozent aus. „Wir brauchen mehr Netzwerkgruppen und wir müssen die Leute auch früher in politische Verantwortungspositionen bringen“, fordert Taher Saleh deshalb. Entscheidend sei aber etwas anderes: „Es geht um die Ansprache, wir müssen migrantische Personen gezielt adressieren, und das mit den Themen, die sie betreffen.“

Die höchste Quote von Menschen mit Migrationshintergrund hat im neuen Bundestag übrigens der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Die Partei vertritt die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein. Der SSW stellt zwar nur einen Abgeordneten – aber Stefan Seidlers Mutter stammt aus Dänemark.

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Erstellt:
27. Februar 2025, 17:23 Uhr

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